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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 110
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#7248* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 492 | |
Dossier title | Roll-back und Kennedy Runde (1964–1967) | |
File reference archive | C.41.111.0.Uch.1 • Additional component: Vereinigte Staaten von Amerika |
dodis.ch/30954 Der schweizerische Botschafter in Washington, A. Zehnder, an den Vorsteher des Politischen Departements, F. T. Wahlen, und an den Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, H. Schaffner1 Betr. Konsultationsreise Weitnauers nach Washington vom 18.–21. Oktober 1965 betreffend das Uhren-Problem2
Herr Minister Weitnauer wird selber seinen detaillierten Bericht3 über die Besprechungen in Washington erstatten. Mein Bericht kann deshalb nur ein Versuch sein, einen Gesamtüberblick und eine Würdigung der Besprechungen zu geben.
Der Auftrag an mich lautete, zu versuchen, das Uhren-Problem auf ein höheres Niveau in den Vereinigten Staaten zu bringen, und zwar in doppelter Hinsicht: administrativ, d. h. höhere Beamte zu erreichen als Assistant Secretaries und ihre Arbeitsgruppen, und materiell, d. h. das Uhren-Problem in einen welthandelspolitischen Zusammenhang zu stellen, um es aus den Fesseln der amerikanischen Innenimplikationen zu lösen, in welche die amerikanische Uhrenindustrie uns durch ihre zahlreichen Initiativen geschlagen hatte.
Als ich die ersten Sondierungen4 bei Ambassador Roth (Büro Herter) über eine allfällige Reise Minister Weitnauers für Konsultationen mit der amerikanischen Verwaltung auf höherer Stufe vornahm, glaubte er, ein solches Unterfangen wäre angenehm und nützlich. Die unmittelbare Aufgabe der Botschaft war es, allein oder gemeinsam mit dem Büro Herter die gewünschten Kontakte auf höherer Ebene herbeizuführen, und zwar so, dass das Büro Herter in keinem Augenblick das Gefühl haben könnte, wir trachteten darnach, es zu umgehen oder ihm von anderer Seite Weisungen zu erteilen. Dank dem grossen Verständnis von Ambassador Roth gelang es, diese Aufgabe in relativ kurzer Zeit zu lösen.
Was das administrativ höhere Niveau anbetrifft, so seien hier die Audienzen bei George Ball, beim Secretary of Commerce John Connor und beim wirtschaftlichen Berater des Präsidenten5 Lee White, welcher den Endbericht an den Präsidenten zu redigieren haben wird, besonders hervorgehoben.
Was die Hebung des Diskussionsniveaus anbetrifft, so stelle ich mit grosser Befriedigung den Unterschied in den Fragen fest, die bei der ersten, von Ambassador Roth präsidierten Sitzung, an welcher Beamte der Arbeitsgruppe teilnahmen, an uns gerichtet wurden, und jenen, die wir später zu beantworten hatten. Wenn an der ersten Sitzung alte, verstaubte, aus der Mottenkiste stammende Fragen aus dem Arsenal der Kampfwaffen der amerikanischen Uhrenindustrie vorherrschend waren, so hielten sich unsere Gesprächspartner auf dem administrativ höheren Niveau an die von Herrn Weitnauer mit grosser Überzeugungskraft vertretene Auffassung, dass das Uhren-Problem einen Teilausschnitt im Rahmen der durch den Trade Expansion Act von Kennedy verfolgten Liberalisierung der amerikanischen Handelspolitik bilde. Die gestellten Fragen waren vernünftig und zeugten von der Bereitschaft, dem schweizerischen Konzept zu folgen.
Zur zeitlichen Staffelung der allfälligen Erfüllung der schweizerischen Begehren konnte eine eindeutige Zusage nicht erhältlich gemacht werden. Dies ist begreiflich. Ein eindeutiger Fortschritt kann erst erzielt werden, wenn das Office of Emergency Planning gestützt auf die Stellungnahme des Defense Departments seinen Bericht redigiert und die übrigen interessierten Stellen durch Übersendung von Durchschlägen aufgeklärt haben wird. Auch wenn das Argument der Wichtigkeit für die Landesverteidigung6 an Zugkraft wesentlich verliert vom Augenblick an, wo die amerikanischen Gesprächspartner davon überzeugt werden konnten, dass die schweizerische Uhrenindustrie weder beabsichtigt, noch in der Lage ist, die zur Zeit blühende amerikanische Uhrenindustrie zu töten oder zu schwächen, so bleiben doch einige Nebenfragen von Bedeutung offen, wie z. B. das Schicksal einiger finanziell weniger gut fundierter amerikanischer Firmen oder die Wahrscheinlichkeit der Umstellung der grösseren Firmen auf Assemblage. Ferner ist es unbekannt, ob das Office of Emergency Planning in seinem Bericht auch eine politische oder handelspolitische Würdigung vornehmen werde, wie es dies auch schon in anderen Fällen gemacht hatte. Immerhin erwartet man den Abschluss des Berichtes des O. E. P. vor Jahresende, so dass der Entscheid des Präsidenten, gestützt auf diesen Bericht, den Bericht des Herter-Büros und der dreiseitigen entscheidenden Zusammenfassung von Lee White, zu Beginn des nächsten Jahres als wahrscheinlich angenommen wird.
Den Nebenfronten, wie etwa das 337er-Verfahren der Tarifkommission oder der Vorstoss von Leuten aus Kongress und Senat, schienen unsere Gesprächspartner auf höherer Ebene keine relevante Bedeutung beizumessen. Einmal wurde erwähnt, dass das Verhältnis zwischen den Schlussfolgerungen des Berichts Lee White und den Nebenfronten 10 zu 1 sei!
Alle Besprechungen verliefen in einer angenehmen, sachlichen Atmosphäre.
Ich möchte meinen Bericht mit der Feststellung schliessen, dass die Besprechungen mit Herrn Minister Weitnauer in doppelter Hinsicht nützlich waren: sie stellten das Uhren-Problem in den einzig richtigen und vertretbaren internationalen Rahmen der amerikanischen Handelspolitik im allgemeinen und unterstrichen die Bedeutung des Zeitfaktors. Damit dürfte auch eine Beschleunigung in der Zeittafel in USA erreicht worden sein.
Zum Schluss möchte ich Ihnen danken für die Ermächtigung zur Reise Herrn Minister Weitnauers nach Washington. Mit seiner ruhigen, sachlichen, überlegten Art der Darstellung der Zusammenhänge hat er Wesentliches zum Verständnis unseres Standpunktes beigetragen. Und dies ist im Augenblick das Entscheidende.
- 1
- Schreiben: E 2001(E) 1978/84 Bd. 492 (C.41.111).↩
- 2
- Vgl. dazu auch DDS, Bd. 23, Dok. 11, dodis.ch/30947; Dok. 33, dodis.ch/30948; Dok. 76, dodis.ch/30950 und Dok. 77, dodis.ch/30957.↩
- 3
- Bericht Schweizerisch-amerikanische Konsultationen über den Stand des Uhrenproblems, vom 18.–22. Oktober 1965, in Washington vom 8. November 1965, Doss. wie Anm. 1.↩
- 4
- Vgl. das Telegramm Nr. 344 von A. Zehnder an das Politische Departement vom 7. September 1965, Doss. wie Anm. 1.↩
- 6
- Vgl. DDS, Bd. 19, Dok. 18, dodis.ch/9206.↩
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