dodis.ch/30364

Notiz des Vorstehers des Politischen Departments, F. T. Wahlen.1

Antrittsbesuch von Herrn Botschafter True Davis vom 5. Dezember 1963

Ausser dem üblichen Austausch von Höflichkeiten erkundigte sich der neue Botschafter nach dem Inhalt meines Gesprächs mit Dean Rusk anlässlich meines Aufenthaltes in Washington. Ich gab ihm kurz, soweit mir dies ratsam erschien, Aufschluss über die Unterredung, die sich vor allem um die europäische Integration, die Kennedy-Runde und damit im Zusammenhang die Uhren-Frage, sowie auf die Schliessung der Konsulate in Basel und Genf bezogen hat2.

Botschafter Davis fragte dann, ob Staatssekretär Rusk sich nicht auch nach unseren Absichten im Bezug auf den allfälligen Beitritt zum DAC3 erkundigt habe4. Nachdem ich verneinte, sagte er, die Vereinigten Staaten würden sehr grossen Wert auf aktive Mitarbeit der Schweiz legen und er fragte mich, ob der Bundesrat beabsichtige, sich auch in nächster Zeit mit der Frage zu befassen.

Ich antwortete, das werde sehr wahrscheinlich im Sinne einer Exploration der Fall sein, ohne dass beabsichtigt wäre, in nächster Zeit einen Entscheid zu fällen. Ich legte Herrn Davis im Einzelnen die Gründe dar, die uns bis jetzt zum Abseitsstehen bewogen haben. Im weiteren nannte ich auch die Gefahr einer Duplikation in den Koordinierungsaufgaben des TAB5 der Vereinten Nationen mit dem DAC und nannte ihm Einzelheiten aus meiner Erfahrung in der FAO-Arbeit6, die zeigten, wie schwierig bereits die Koordination im Schosse der den Vereinten Nationen angegliederten Spezialorganisationen unter sich und dann namentlich mit der umfangreichen bilateralen Hilfe verschiedener Länder ist. Ich stellte dann auch die Frage, ob eine Fühlungnahme zwischen dem TAB und dem DAC bestehe, die Herr Davis dahin beantwortete, dass seines Wissens die Vereinigten Staaten versuchten, durch ihre beidseitigen Delegierten diese Koordination zu sichern.

Im weitern wies ich darauf hin, dass ich es im Schosse der Vereinten Nationen als förderlich empfunden hatte, dass gebende und nehmende Organisationen zusammen berieten, und dass dadurch auch der pädagogisch wichtige Versuch gemacht werde, die unterentwickelten Länder unter einer gewissen – aber nicht störend in Erscheinung tretenden – Aufsicht zu eigener Verantwortung zu erziehen. Demgegenüber habe, so betonte ich, das DAC den Nachteil, ausschliesslich aus Vertretern von Industriestaaten zusammengesetzt zu sein, wodurch die Gefahr entstehe, dass optisch ein Klub der Reichen in Erscheinung trete. Überdies sei es dem DAC eigentlich nicht gelungen, die Tätigkeit der Mitgliederländer im wahren Sinne des Wortes zu koordinieren, da jedes einzelne Land seine eigenen Prinzipien verfolge, die namentlich bei den grossen Staaten weitgehend politisch inspiriert seien. Unter diesen Verhältnissen sähen wir als einzigen Vorteil eines allfälligen Beitritts eine Erweiterung unserer Informationsmöglichkeiten. In die Zukunft blickend fragten wir uns überdies, ob nicht mit der Zeit doch eine Koordination der Anstrengungen angestrebt werden würde, die unsere Bewegungsfähigkeit zu stark einschränke.

Ich habe in dieser Unterredung bewusst die Fragezeichen in den Vordergrund gerückt, um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, dass mit einem baldigen Entscheid zu rechnen sei. Ich halte nach wie vor daran fest, dass eine gewisse Zurückhaltung immer noch geboten ist, und dass auf jeden Fall auch die Vorschläge geprüft werden müssen, die Herr Botschafter Soldati am Schluss unserer Unterredung mit der schwedischen Delegation unter Führung von Herrn Minister Lange machte (gemeinsames Vorgehen der drei Neutralen, Exploration der Möglichkeiten eines Assoziationsstatus).