Language: ns
4.9.1942-12.3.1943
E 4001(C) -/1, Bd. 259, 0702.16; Antworten der Kantone auf das Kreisschreiben vom 4.9.1942 betr. Aufnahme weiterer Flüchtlinge
Information Independent Commission of Experts Switzerland-Second World War (ICE) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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Es fehlen die Antworten der Kantone LU, SZ, BL, AG, VD, NE.

Verzeichnis der Kopien
  • Kreisschreiben Nr. 298 des EJPD vom 4. Sept. 1942
  • Zusammenstellung der negativen und der positiven Antworten
  • Liste der Kantone, die Polizeikräfte zur Grenzbewachung bereitstellen können
  • SFH an EJPD betr. Freiplätzen und Spenden, 8. Sept. 1942
  • Polizeidepartement des Kantons Thurgau an EJPD, 9. Sept. 1942
  • Protokoll der Polizeidirektorenkonferenz vom 8.2.1943 in Bern betr. BRB vom 12.3.1943



Kreisschreiben Nr. 298 des EJPD vom 4. Sept. 1942

Fragen: Aufnahmebereitschaft? Einrichtung von Lagern oder anderen Unterkünften? Finanzielle Beteiligung? Antwort bis 10.9.1942, damit sie an der Polizeidirektorenkonferenz vom 11. September besprochen werden können.

Zusammenstellung der negativen und der positiven Antworten

Eher positiv (finanz. Beteiligung?): ZH (+), SG (+), BS (+), AI (-), SO (+), ZG (+), BE (?), FR (-). Insgesamt hängt die Bereitschaft davon ab, dass alle anderen mitmachen.
Eher negativ (finanz. Beteiligung?): UR (-), GL (?), GR (?), TI (?), OW (-), SH (-), AR (-), NW (-), TG (?), GE (-), VS (?)

Liste der Kantone, die Polizeikräfte zur Grenzbewachung bereitstellen können

Insgesamt können die 19 Kantone 16 Mann freistellen, davon BS 10!

SFH an EJPD betr. Freiplätzen und Spenden, 8. Sept. 1942

Die Hilfswerke sind weiterhin bereit, zugunsten der Emigranten ihr Möglichstes zu tun. "Da ihre finanziellen Mittel infolge der jahrelangen Beanspruchung knapp geworden sind und ihnen keine wesentliche Mehrbelastung im Sinne laufender Unterstützungen zugemutet werden kann, wollen sie vor allem durch Werbung von Freiplätzen die Unterbringung von neu eingereisten Flüchtlingen erleichtern helfen. Durch eine schweizerische Sammlung in allen Kantonen hoffen sie sodann in die Lage versetzt zu werden, wenigstens vorläufig ihren bisherigen Aufgaben weiterhin in gleichem Masse gerecht werden zu können."

Polizeidepartement des Kantons Thurgau an EJPD, 9. Sept. 1942

"Wir halten unseren Kanton, als ausgesprochenen Grenzkanton, für die Aufnahme von Flüchtlingen in Lagern oder anderen Sammel-Unterkünften als nicht geeignet." Im Thurgau befinden sich z. Zt. "26 Emigranten mit Toleranzbewilligung und Verpflichtung zur Weiterreise, 55 Juden mit Toleranz ohne Ausreisefrist, 16 Juden mit z. Zt. noch gültigen Ausweispapieren" und 21 Personen mit anderen Toleranzbewilligungen (Dienstmädchen u. a.). Total 118. Von 1940-1942 sind zudem 33 Personen mit Toleranzbewilligungen aus dem Kanton ausgereist, zumeist in die USA. "Betr. finanzieller Beteiligung am Unterhalt der Flüchtlinge können wir Ihnen keine verbindliche Zustimmung geben. Wir haben aber anderseits auch noch nie die Hilfe anderer Kantone angerufen, wenn sich der Flüchtlingsstrom nach unserem Kanton wälzte."
Liste der von 1941 bis zum 8.9.1942 an der thurg. Grenze aufgegriffenen Flüchtlinge: Total 212, davon 159 Franzosen, von denen 155 weitertransportiert und keiner zurückgewiesen wurde. Von den 20 Polen wurden 6 interniert und 11 zurückgewiesen, von den 16 deutschen Flüchtlingen wurden 13 zurückgewiesen und 3 interniert, von den 7 deutschen Deserteuren wurden 6 interniert und 1 Fall ist pendent.

Protokoll der Polizeidirektorenkonferenz vom 8.2.1943 in Bern betr. BRB vom 12.3.1943, 14 S.
Der Entwurf des Beschlusses sieht in Art. 10 vor, dass sich die Kantone und der Bund je mit 50% an den Kosten beteiligen. Dieser Artikel ist am meisten umstritten und wird lange diskutiert. RR Stampfli, Solothurn, erinnert an die Konferenz von Altdorf. "Wir haben dort unter dem Drucke der öffentlichen Meinung die Verpflichtung übernommen, an die Kosten beizutragen. Heute handelt es sich um die Festsetzung des Masses." Stampfli setzt sich für eine finanzielle Mitbeteiligung und damit gekoppelt auch für Mitspracherechte der Kantone ein. Aber: "Wie wird die Reaktion der Flüchtingshilfsorganisationen sein, wenn bekannt wird, dass Bund und Kantone die finanziellen Lasten des Flüchtlingsproblems übernommen haben. Es darf sich nicht so auswirken, dass diese Stellen von der finanziellen Mitwirkung entlastet werden, nachdem sie an der Stimmungsmache im Herbst 1942 massgebend beteiligt waren."
RR Seematter, Bern: "Der Regierungsrat des Kantons Bern lehnt die Bestimmung des Art. 10 ab und verlangt, dass der Bund grundsätzlich sämtliche Kosten des Flüchtlingswesens trage. Der Bund betimmt allein in der Flüchtlingsfrage. Er will auch die Flüchtlinge allein beaufsichtigen. Deshalb soll er auch allein zahlen. Hingegen wäre noch eine Möglichkeit zu prüfen. Die Summen, die für die Flüchtlinge aufgewendet werden müssen, sollten nicht der normalen Bundeskasse entnommen werden. Das Schweizervolk soll die Folgen seiner Grosszügigkeit selbst tragen. Könnte nicht im Zusammenhang mit der Wehrsteuer eine sogenannte Flüchtlingssteuer erhoben werden?"
RR Brechbühl, Basel-Stadt, erinnert an die Konferenz von Altdorf. Die Kantonsregierung wird sich mit einer angemessenen Lösung abfinden, allerdings sind 50% der Kosten zu hoch; 25% wären z.B. angemessen.
BR v. Steiger dankt Brechbühl dafür, "dass er einen Ton der Gerechtigkeit und des Erinnerungsvermögens in die Diskussion gebracht hat."
RR Briner, Zürich, stellt fest, dass der Kanton beim Flüchtlingsproblem verschiedentlich mitgeholfen hat, es aber ablehnt, es in Form des Art. 10 zu tun und beantragt, grundsätzlich auf Beiträge der Kantone zu verzichten. "Die Flüchtlingshilfsorganisationen sind durchaus bereit auch unter diesen Umständen mitzuhelfen. Das Ergebnis der letzten Sammlung im Betrage von 1,5 Millionen Fr. ist doch ein deutliches Zeichen der Opferbereitschaft des Schweizervolkes."
Laut RR Scherrer, Schaffhausen, ist der Regierungsrat der Auffassung, "dass das Flüchtlingsproblem eine ausserordentliche Erscheinung der Kriegsverhältnisse ist. Er ist bereit, zusammen mit den anderen Kantonen maximal 1/3 der Kosten zu übernehmen.
BR v. Steiger schreitet, "da die Herren infolge Weisung der Regierungsräte zum grössten Teil mit 'gebundener Marschrichtung' erschienen sind und somit eine Beeinflussung nicht mehr möglich ist", zur Abstimmung über Art. 10, d. h. die Frage, ob die Kantone in gewissem Masse zur Tragung der Kosten bereit sind (Prozentsatz steht nicht zur Diskussion, gs): Ja stimmen GL, SO, BS, BL, SH, SG, TG. Der Art. 10 wird mit 17:7 abgelehnt.

Diverses:
Flüchtinge im Arbeitslager sind grundsätzlich im betreffenden Kanton steuerpflichtig. Auch neue Flüchtlinge werden der Solidaritätsabgabe unterstellt.
Zaugg: Die ersten Arbeiten in den Lager wurden unentgeltlich für das Armeekommando ausgeführt. "Im Gegensatz zu früher können wir auf Grund der Arbeitsmarktlage heute auf der Basis einer Bauunternehmung verhandeln, d. h. der effektive Wert unserer Arbeit wird uns heute vergütet. Seit einem halben Jahr können wir zudem für unsere Arbeit auch dem Militär Rechnung stellen. Die erzielten Einnahmen werden von den Unkosten der Arbeitslager abgeschrieben."
Die Armee lehnt die Einrichtung von Lagern ebenso wie die Privatunterbringung von Flüchtlingen in der Kernzone des Réduits strikt ab.
RR Vodoz, Waadt, meint zur Möglichkeit der Entlassung aus dem Lager: "Qui dit 'étranger' dit danger pour notre état et l'expérience a montré que les réfugiés, à cause de leur malheur, deviennent fréquemment des déracinés. En résumé, il demande à ce qu'il ne soit fait usage de la possibilité d'autoriser à quitter les camps qu'avec une extrême réserve."
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