Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 21, doc. 23
volume linkZürich/Locarno/Genève 2007
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1001#1000/6#288* | |
Old classification | CH-BAR E 1001(-)1000/6 288 | |
Dossier title | Anträge des Justiz- und Polizeidepartementes August - Dezember 1958 (1958–1958) | |
File reference archive | 1.4 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#621* |
Old classification | CH-BAR E 1004.1(-)1000/9 620.2 |
Dossier title | Beschlussprotokolle des Bundesrates Dezember 1958 (2 Bände) (1958–1958) |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1976/17#269* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1976/17 35 | |
Dossier title | Les sentiers de la gloire, Der Weg zum Ruhm (1958–1963) | |
File reference archive | A.15.43.11.08 |
dodis.ch/14933
Betr. Film: «Wege zum Ruhm» – «Les sentiers de la gloire» – Verbot
1. Seitens kantonaler Amtsstellen wurde die Bundesanwaltschaft auf den amerikanischen Film «Les sentiers de la gloire» – «Wege zum Ruhm»2 aufmerksam gemacht, mit dem Ersuchen, ihn zu besichtigen und zu prüfen, ob er nicht unter die Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses vom 29. Dezember 19483 betreffend staatsgefährliches Propagandamaterial falle und deshalb einzuziehen sei. Die Kantone Basel-Stadt und Genf hatten diesen Film bereits verboten und im Kanton Waadt war mit einem Verbot zu rechnen.
2. Die Bundesanwaltschaft besichtigte den Film am 2. Dezember 1958, in Anwesenheit von Vertretern des Politischen Departementes sowie des Departementes des Innern. In der anschliessenden Besprechung machte der Vertreter des Politischen Departementes darauf aufmerksam, dass der Inhalt des Films geeignet sei, die Beziehungen zu Frankreich zu stören und beantragte deshalb die Beschlagnahme des Filmstreifens. Dieser Antrag wurde von allen Anwesenden unterstützt, und der Bundesanwalt verfügte hierauf gemäss dem vorerwähnten Bundesratsbeschluss vom 29. Dezember 1948 die Beschlagnahme des Films, sofern der Verleiher sich nicht bereit erklären sollte, ihn wieder aus der Schweiz auszuführen. Dem stimmte nun der Verleiher auf Anfrage hin zu.
3. Das Vorgehen der Bundesanwaltschaft hatte eine ausserordentlich heftige Pressekampagne zur Folge und Herr Nationalrat Gitermann reichte im Nationalrat eine Interpellation4 zur Sache ein. Das veranlasste das Departement den Bundesrat zu ersuchen, den Film selbst zu besichtigen. Die Besichtigung fand dann in Anwesenheit aller amtierender Mitglieder des Bundesrates am 19. Dezember 1958 im Vorführungsraum des Bernerhofes statt. II
1. Eine Charakteristik des Films erübrigt sich, weil ihn die Mitglieder des
Bundesrates ausnahmslos kennen. Es genügt deshalb die Feststellung, dass der in französischen Armee-Uniformen zum Zeit des ersten Weltkrieges gespielte Film seinem Inhalte nach für Frankreich in hohem Masse beleidigend ist. Er ist deshalb geeignet, die Beziehungen zu ausländischen Staaten zu gefährden.
Damit war die Voraussetzung erfüllt, unter welcher die Bundesanwaltschaft gemäss dem Bundesratsbeschluss vom 29. Dezember 1948 einschreiten musste.
2. Gemäss Art. 102, Zif. 8, der Bundesverfassung hat der Bundesrat «die Interessen der Eidgenossenschaft nach aussen, wie namentlich ihre völkerrechtlichen Beziehungen» zu wahren. Es bedarf keiner Erörterung, dass die Vorführung des fraglichen Films in der Schweiz Störungen der völkerrechtlichen Beziehungen zur Folge haben könnte. Das Vorführungsverbot des Films drängt sich damit auf. «Der Bundesrat, der für die völkerrechtlichen Beziehungen der Schweiz verantwortlich ist, kann auch im Innern die dazu nötigen Massnahmen treffen» (Burckhardt, Kommentar zu Art. 102 BV: 739 vgl. auch S. 511). Der gleiche Staatsrechtslehrer kommentiert auch das Verhältnis der individuellen Freiheitsrechte zu den staatlichen Interessen u. a. wie folgt: «Wenn die Beziehungen zu einem andern Staat oder die äussere Sicherheit eine Einschränkung der Vereinsfreiheit der Ausländer oder bestimmter Ausländer verlangt, geht dieses staatliche Interesse dem Vereinsrecht, wie allen Individualrechten vor»
(Kommentar S. 526).III
Auf Grund der vorstehenden Erwägungen stellen wir Ihnen den Antrag:
Der Bundesrat möge gestützt auf Art. 102, Zif. 8, der Bundesverfassung sowie in Anwendung des Bundesratsbeschlusses vom 29. Dezember 1948 betreffend staatsgefährliches Propagandamaterial beschliessen:
1. Die Vorführung des Films «Les sentiers de la gloire» – «Wege zum Ruhm» wird in der ganzen Schweiz verboten.
2. Die Bundesanwaltschaft wird beauftragt, den Film zu beschlagnahmen und einzuziehen, falls er wieder in die Schweiz eingeführt werden sollte.
3. Das Vorgehen der Bundesanwaltschaft wird gebilligt.
4. Das vom eidg. Justiz- und Polizeidepartement vorgelegte Communiqué5 wird genehmigt.
Den im Bundeshaus akkreditierten Journalisten ist Gelegenheit zur möglichst baldigen Besichtigung des Films zu geben6.
- 1
- Antrag: E 1001(-)1000/6/288.↩
- 2
- Paths of Glory, gedreht 1957 von S. Kubrick.↩
- 3
- Vgl. AS, 1948, S. 1282.↩
- 4
- Es handelt sich um eine Interpellation vom 8. Dezember 1958, die im Sten. Bull. nicht publiziert wurde. Der Text der Interpellation war folgender: Der Bundesrat wird gebeten, Auskunft zu erteilen: a. über die Gründe, die die Bundesanwaltschaft kürzlich veranlassten, die öffentliche Vorführung eines ausländischen Filmes zu verbieten; b. über die Frage, ob diese Massnahme der Bundesanwaltschaft mit unserer Rechtsordnung vereinbar sei. Vgl. den Anhang des Schreibens von M. Petitpierre an F. T. Wahlen vom 17. März 1959, E 2001(E)1976/17/35.Die Interpellation wurde vom Bundesrat in seiner Sitzung vom 26. Mai 1959 diskutiert. Vgl. das Verhandlungsprotokoll der 36. Sitzung des Bundesrates vom 26. Mai 1959, E 1003(-)1970/344/3 (R 3108).↩
- 5
- Nicht abgedruckt.↩
- 6
- Für weitere Details zur Diskussion des Bundesrates vgl. der Verhandlungsprotokoll der 89. Sitzung des Bundesrates vom 23. Dezember 1958, E 1003(-)1970/344/2 (dodis.ch/14963).↩