Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
II.14. IRAN
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 15, doc. 136
volume linkBern 1992
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Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2300#1000/716#1049* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2300(-)1000/716 454 | |
Titolo dossier | Teheran, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 3 (1941–1944) |
dodis.ch/47740
Le Chargé d’A ff aires de Suisse à Téhéran, A. Daeniker, au Chef du Département politique, M. Pilet-Golaz1
In den parlamentarischen Debatten und in den Erörterungen der Tagespresse ist neuerdings wiederum die Diskussion über die Tätigkeit der amerikanischen Expertenmission unter Leitung von Dr. Millspaughin den Vordergrund gerückt worden. Es kann gewiss nicht behauptet werden, dass diese Mission die ihr entgegengebrachten Erwartungen erfüllt habe. Eine Wirksamkeit von 14 Monaten ist aber wohl auch zu kurz bemessen um die erreichten Ergebnisse nach einem objektiven Masstab zu beurteilen. Angesichts der ausgedehnten Organisation, die sich die Mission für ihre Zwecke aufgebaut hat, der weitgehenden Vollmachten, die der General-Administrator der Finanzen auf seine Person hat übertragen lassen, und der zahlreichen, alle Gebiete der Wirtschaft durchsetzenden und in ihren Wirkungen teilweise sehr einschneidenden Verordnungen ist es aber auch verständlich, dass die Öffentlichkeit immer wieder die Frage nach den Ergebnissen dieses grossen organisatorischen Aufwandes stellt.
Gewiss ist es gelungen, die Versorgung mindestens der Städte mit lebenswichtigen Gütern sicherzustellen, eine bessere Güterverteilung zu gewährleisten und durch die Eindämmung der Spekulation die Preise vieler Bedarfsartikel zu stabilisieren. Jedoch hat die Zeit keinesfalls ausgereicht um den zerrütteten Methoden innerhalb der staatlichen Verwaltung auf den Leib zu rücken. Dr. Millspaugh behauptet zwar, es sei gelungen, die laufenden Einnahmen zu vermehren, durch Ausschaltung vieler ungerechtfertigter Ausgabeposten Sparmassnahmen zu verwirklichen und Misstände auszumerzen. Das administrative Reformwerk ist aber viel zu ausgedehnt und die Widerstände sind zu tief verwurzelt als dass sich über den Erfolg dieser Mission eine Prognose stellen liesse, umsomehr als viele der Mitarbeiter Dr. Millspaugh’s ohne jeden Kontakt mit diesem Lande und dessen so verschiedenartiger Zivilisation von rein theoretischen Gesichtspunkten an ihre Aufgabe herangetreten sind. Man kann auch nicht behaupten, dass unter den 60 amerikanischen Experten alle in gleicher Weise über das nötige theoretische Rüstzeug verfügen und ihrer Aufgabe gewachsen seien, ja dass die Amtsauffassung und Amtsführung einzelner durchaus einwandfrei seien; man erfährt übrigens von ähnlichen ebensowenig erbaulichen Verhältnissen täglich Beispiele aus den Kreisen der amerikanischen Militärverwaltung in Iran. Angesichts der masslosen Kampagne, die heute gegen die Mission Dr. Millspaugh’s geführt wird, muss man sich hingegen vor Augen halten, dass sie von den in ihren materiellen Interessen bedrohten Wirtschaftskreisen geschürt wird; dazu gehört letztlich auch die Beamtenschaft selbst, die in Iran beinahe ein Fünftel der Bevölkerung umfasst, wenn zu der Zahl der Inhaber öffentlicher Ämter und Stellen deren Familien und die sonst von ihnen abhängigen Personen hinzugerechnet werden. Ja, es wird behauptet, die verbündeten Mächte selbst ständen dieser Kampagne nicht ganz ferne; obwohl sie seinerzeit der Berufung Dr. Millspaugh’s nach Teheran Vorschub geleistet hatten, wäre ihnen ein Fiasko seiner Mission nicht ungelegen. Umgekehrt weiss man, dass die Regierung in Washington ihr Auge auf die Tätigkeit ihrer Experten in Iran gerichtet hält und gewillt ist, den Erfolg ihrer Mission als eine Prestigeangelegenheit zu betrachten.
Ähnliche Beobachtungen über die gegenseitige Einstellung der alliierten Mächte im Hinblick auf innenpolitische Vorgänge in Iran Hessen sich kürzlich anlässlich des Verlaufs y on Arbeiter ausständen in Isfahananstellen. Isfahan ist nicht nur eine ehemalige Hauptstadt Irans und historische Kunststätte, sondern gleichzeitig auch das wichtigste Industriezentrum des Landes, der Sitz der hauptsächlichen privaten Konzerne der Wolle- und Baumwolle-Industrie und der Tuchfabrikation. Nach iranischer Auffassung hatten die Engländer versucht, eine gewerkschaftlich organisierte Arbeiterbewegung in die Wege zu leiten um ihren Einfluss unter der Bevölkerung zu verstärken. Jedoch scheint es, dass diese Bewegung ihrer Kontrolle entglitten und in kommunistisches Fahrwasser geraten sei; dem britischen Einfluss sei es indessen gelungen, eine genügend starke Gegenbewegung unter der Bevölkerung hervorzurufen um die radikalen Tendenzen zu neutralisieren. Diese Verhältnisse traten deutlich an den Tag, als im Verlaufe wochenlanger Ausstände die kommunistisch inspirierten Gruppen zur Besetzung der Fabriken schritten und die Leitung der Fabriken selbst übernommen haben. Der Regierung gelang es, ohne Aufbietung von Gewaltmassnahmen die Aufruhrbewegung beizulegen, die Führer der Bewegung aus Isfahan zu entfernen und ein Verbot politischer Propaganda in den Fabriken zu erlassen, wogegen allerdings das Recht zu gewerkschaftlichen Organisationen anerkannt worden ist.
Ähnliche Vorfälle sind auch aus der von der Roten Armee besetzten Zone, wo sich Industrieunternehmen in Taebriz, Mesched und am Kaspischen Meere befinden, bekannt geworden. Von gewerkschaftlichen Organisationen ist dort allerdings nicht die Rede; die russischen Militärbehörden, die heute die hauptsächlichen Auftraggeber für die in den Fabriken hergestellten Waren sind, sorgen dafür, dass im Interesse der Aufrechterhaltung der Produktion Ordnung im Arbeitsbetrieb gewahrt bleibe. Allgemein gesprochen soll allerdings die industrielle Produktion unter den gegenwärtigen Zuständen verminderter staatlicher Autorität stark gelitten haben und kaum mehr die Hälfte des Ertrags abwerfen, die unter dem strengen Régime des früheren Schah2 erreicht worden ist. Eine Fabrikgesetzgebung nach modernem westlichen Muster ist zwar vom Parlament angenommen worden, aber nie zur Durchführung gelangt.
Die enge Verbundenheit und der Ausgleich der Interessen Irans mit denjenigen der unter britischem Einfluss stehenden Länder des Nahen und Mittleren Ostens ist von neuem anlässlich der zu Anfang dieses Monats in Kairo abgehaltenen Wirtschaftskonferenz zum Ausdruck gekommen; die Konferenz ist von 14 Staaten beschickt worden, darunter von einer iranischen Delegation unter Leitung des Gouverneurs der Iranischen Nationalbank. Nach den Aussagen des nach Teheran zurückgekehrten Delegationsleiters haben die Beratungen der Konferenz das Auftreten durchaus gleichartiger wirtschaftlicher Vorgänge in allen Ländern des Nahen Ostens, die auf gleichartige Voraussetzungen zurückzuführen seien, bestätigt; die allgemeine beispiellose Teuerung in jedem dieser Länder sei nicht eine Folge inflatorischer Tendenzen, sondern des durch die militärische Besetzung bedingten Mehrverbrauchs und der dadurch notwendig gewordenen Erhöhung des Notenumlaufs, dem ein entsprechendes Angebot an Waren nicht gegenüberstehe. Er besteht darauf, dass das monetäre System in Iran auf durchaus gesunder Grundlage beruhe und über die vorgeschriebenen Reserven verfüge; diese Reserven gewährleisten den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach dem Kriege, in engem Anschluss an die heutigen Verbündeten Irans. Wenn Grossbritannien die politische Verantwortung für die gegenwärtigen Zustände auf sich zu nehmen gewillt ist, beansprucht es gleichzeitig die Führung der unter seiner Ägide stehenden und an sein Wirtschaftssystem sich anlehnenden Kooperation der Länder des Nahen Ostens. Unter den von der Kairo-Konferenz angenommenen Resolutionen seien die folgenden erwähnt: Vermehrung der Steuern insbesondere zum Zwecke der Erfassung von Kriegsgewinnen, Erhöhung des progressiven Steuerfusses direkter Steuern, Vermehrung gewisser indirekter Abgaben insbesond. staatlicher Tarife, Äufnung von Reserven für bestimmte öffentliche Zwecke, vollständige Umgestaltung der Steuererhebung namentlich mit dem Zwecke einen Stab kompetenter verlässlicher Steuerbeamter auszubilden, Ausgabe von innern Anleihen, Schaffung von vermehrten Spargelegenheiten, Massnahmen zur Verwirklichung des Zwangssparens, Vorbereitungsmassnahmen in Hinblick auf den bei Kriegsende zu erwartenden Preisfall durch allmählichen Abbau der Preise, Intensivierung der Preiskontrolle, verschärfte Beaufsichtigung des Marktes, angemessene Güterverteilung, Tiefhaltung der Getreidepreise und wirksame Massregeln für die Sicherung der Getreideernte, welche die Grundlage für eine erfolgreiche Bekämpfung der allgemeinen Teuerung bilden.
Der Umstand, dass anlässlich der letzthin sehr lebhaft gewordenen Erörterung über die Konkurrenz englischer und amerikanischer Ölkonzerne im Nahen Osten und den Bau einer Pipeline durch Arabien, die von der Regierung der Vereinigten Staaten befürwortet worden ist, nicht auch von Iran die Rede gewesen ist, will nicht besagen, dass nicht auch auf persischem Boden die grossen Ölkonzerne gegenwärtig ihre Interessen sehr aktiv verfolgen. Hingegen überwacht die alliierte Zensur die Berichterstattung über diese Fragen mit besonderer Strenge, wozu umso mehr Veranlassung besteht, weil anscheinend auch auf diesem Gebiete die Interessen der verbündeten Mächte aufeinanderstossen.
Die mehr als zur Hälfte im Eigentum des britischen Reiches stehende Anglo-Iranian Oil Co. Ltd. verfügt im Süden Irans über ein festabgegrenztes Produktionsgebiet. Die Erzeugung und Verarbeitung von Mineralölen der A.I.O.C. hatte schon vor dem Kriege mehr als 10 Millionen Tonnen betragen. Neuerdings sind Anstrengungen in grösstem Ausmasse zum Ausbau der Anlagen am Werke; die Raffinerie in Abadan soll zur grössten ihrer Art in der Welt gemacht werden. Neben der A.I.O.C. besitzt nur noch eine holländische Gesellschaft eine Konzession für die Prospektion in gewissen Gebieten. Alle nördlich dem iranischem Hochland gelegenen Gebiete gelten traditionell in dem Sinne russischen Interessen reserviert, dass ohne das ausdrückliche Einverständnis der russischen Regierung keine Konzession erteilt werden kann; jedoch sollen zu Gunsten der Russen gegenwärtig keine Konzessionen laufen. Alle früher an amerikanische Interessenten erteilten Konzessionsrechte sind erloschen.
Zur Zeit sollen aber Unterhandlungen für die Vergebung einer Konzession in einer südöstlich an das Produktionsgebiet der A.I.O.C. grenzenden Gegend, in der Nähe der Grenze von Belutschistan, im Gange sein, für die der California-Standard-Oil, der Sinclair und der Shell Konzern mit einander in Konkurrenz stehen sollen. Seit Monaten halten sich zu diesem Zwecke Vertreter der erwähnten Konzerne in Teheran auf. Es wird angenommen, dass die iranische Regierung geneigt wäre, einer Festsetzung amerikanischer Interessen Vorschub zu leisten, aber dass von britischer Seite diese Absicht hintertrieben werde. Über die Haltung Russlands zu diesem Projekten wird behauptet, die Sowietregierung habe der iranischen Regierung nahegelegt, von der Erteilung einer Konzession überhaupt abzusehen und die Ausbeutung der betreffenden Öllager sich selbst vorzubehalten, wofür sie ihr zu gegebener Zeit die erforderlichen Anlagen und Experten zur Verfügung stellen werde3.
- 1
- E 2300 Teheran/3. Wirtschaftliche und soziale Tagesfragen. Pilet-Golaz a lu ce rapport politique le 21 juillet 1944 et l’a mis en circulation parmi ses collaborateurs.↩
- 2
- Dans son rapport politique du 31 juillet 1944, A. Daeniker commente les réactions de l’opinion publique après la mort à Johannesburg de l’ancien Schah, RezaPahlevi et envisage les perspectives politiques en Iran. Le nouveau souverain, Mohammed Reza, s’efforce de gouver- ner comme un roi moderne. Toutefois, le régime est menacé, notamment par des rumeurs de complots d’officiers et par l’opposition républicaine. Schliesslich sei auch auf die latente Bedrohung des politischen Régime durch die Tendenzen der benachbarten Sowietunion und den Aufenthalt grösserer Einheiten der Roten Armee auf iranischem Boden hingewiesen; man darf diese Gefahr durchaus nicht unterschätzen, auch wenn sich bekanntlich die russischen Militärbehörden einer aktiven Einmischung in die Innenpolitik im Sinne des Kommunismus strikt enthalten. Für die politische Stabilität in Iran ist es gegenwärtig von entscheidender Wichtigkeit, dass der Ausgleich der Interessen zwischen dem britischen und dem russischen Verbündeten und das wohlwollende Interesse, das die Regierung von Washington für die iranische Nation bekundet, auf die Beibehaltung des derzeitigen monarchischen Systems eingestellt sind, durch welche sozialen Umwälzungen von unabsehbarer Tragweite vorgebeugt werden kann. So bildet heute die Politik der alliierten Mächte nicht nur eine der stärksten Stützen der Monarchie, sondern auch eine Garantie für die Aufrechterhaltung der Integrität der iranischen Nation, da sie ein geeignetes Mittel darstellt, eine Austragung machtpolitischer Konflikte in und um Iran, die zwischen diesen Mächten erwachsen könnten, hintanzuhalten. Wenn von persischen Patrioten oft die geographische Lage des Landes als die Quelle allen nationalen Unglücks bezeichnet wird, liesse sich dieser Ansicht entgegenhalten, dass im Gegenteil das Bestehen eines Pufferstaates zwischen der russischen und der britischen Interessensphäre im Vordem Orient einer weltpolitischen Notwendigkeit entspricht, dessen Aufrechterhaltung allerdings geordnete und solide Zustände im Innern dieses Staates voraussetzt (E 2300Teheran/3).↩
- 3
- A. Daeniker consacre la fin du rapport politique à des informations sur la vie parlementaire iranienne.↩
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