Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. BILATERALE BEZIEHUNGEN
14. Österreich-Ungarn
14.2. Handelsvertragsverhandlungen
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 113
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E13#1000/38#376* | |
Old classification | CH-BAR E 13(-)1000/38 87 | |
Dossier title | Korrespondenz des Handelsdepartements mit der Schweizer Gesandtschaft und der schweizerischen Vertragsdelegation in Wien; Anträge des Handelsdepartements an den Bundesrat; Bundesratsbeschlüsse; Notizen; provisorische Inkraftsetzung und Verlängerung der Inkraftsetzung des Handelsvertrages sowie der Übereinkommen betr. Zollabfertigung im Eisenbahnverkehr und die Viehseuchenpolizei (09.03.1906); Akten der Bundesversammlung und Bundesbeschluss (29.03.1906) betr. Genehmigung des Handelsvertrages vom 09.03.1906 und der zwei Übereinkommen vom selben Tag; Verlängerung der provisorischen Anwendung des Handelsvertrages und Verschiebung des Inkrafttretens des Handelsvertrages (1906–1906) |
dodis.ch/42968
Antrag des Vorstehers des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartementes, A. Deucher, an den Bundesrat1
Der Handelsvertrag mit Österreich-Ungarn ist am 9. März, gegen 7 Uhr abends, in Wien unterzeichnet worden.
Die im Ultimatum des Bundesrates vom 1. März erwähnten Punkte haben eine entsprechende Erledigung gefunden. Für glatte Seidengewebe hat Österreich-Ungarn den einheitlichen Ansatz von 480 Kronen unbeschränkt zugestanden; die letzten österreichisch-ungarischen Offerten für Teerfarben und goldene Ketten wurden dagegen von unserer Delegation angenommen. Betreffend gesägtes Holz aus dem Vorarlberg hat sich Österreich-Ungarn schliesslich mit dem bisherigen Zolle für ein jährliches Maximalquantum von 80000 q. begnügt.
Was den Käse betrifft, hatte der Bundesrat in seinem Ultimatum erklärt, dass er die ursprüngliche österreichisch-ungarische Offerte, nämlich bis 50 kg. 14 Kronen, alle schwereren Laibe 12 Kronen, annehmen würde. Österreich-Ungarn hatte zwar bereits die von unsern Delegierten formulierte Forderung bewilligt, nach welcher der Zoll nach drei Gewichtsklassen abgestuft werden sollte, nämlich für Laibe bis 65 kg. 14 Kronen, von 65 bis 100 kg. 12 Kr. und von mehr als 100 kg. 10 Kronen. Diese teilweise Zollermässigung war aber an die Bedingung geknüpft worden, dass die Viehseuchenfrage in einer für Österreich-Ungarn befriedigenden Weise erledigt werde. Der Bundesrat wollte durch.seinen Verzicht auf eine Zollermässigung für Käse verhüten, dass der Vertrag im letzten Augenblicke noch an dem Punkte der Viehseuchen scheitern würde. Unsere Delegierten bestanden in den weitern Unterhandlungen gleichwohl auf der erlangten Konzession und erhielten dieselbe endgültig.
Nachdem wir dem Präsidium des Vereins schweizerischer Käsehändler von dieser Erledigung der Käsezölle provisorisch Kenntnis gegeben und zum Zwecke der Berichtigung unzutreffender Zeitungsberichte auch eine Mitteilung an die Presse gemacht hatten, traf am 7. dies vom genannten Verein die Mitteilung2 ein, dass von allen Seiten gegen die vereinbarte dreiteilige Klassifikation, mit einem besondern, wenn auch ermässigten Zollansatz für Laibe über 100 kg., Protest erhoben werde, weil der Käseexport dadurch schwer beeinträchtigt würde. Die Gründe wurden in der beiliegenden Eingabe3 an den Bundesrat auseinandergesetzt, und es wurde der Bundesrat «im Interesse der gesamten schweizerischen Milchwirtschaft und des Käseexporthandels» ersucht, die genannte Abstufung fallen zu lassen, mit dem Bemerken, dass der höhere Zoll von 12 Kronen dieser Abstufung unter allen Umständen vorgezogen würde. Da dieser Wunsch mit dem vom Bundesrate formulierten Ultimatum in der Hauptsache übereinstimmte, und da ferner, wegen der bevorstehenden Unterzeichnung des Vertrages, rasch gehandelt werden musste, wurde die Delegation sofort durch Präsidialverfügung von der Einsprache der Interessenten in Kenntnis gesetzt und ersucht, auf die Konzession für Laibe über 100 kg. zu verzichten.
Dieser Weisung kam die Delegation nach weiteren, telegraphischen Auseinandersetzungen nach. Der Vertrag setzt nun für Hartkäse in Laiben bis zu 50 kg. 14 Kronen, von über 50 kg. 12 Kronen fest, welch’ letzerer Ansatz annähernd dem bisherigen entspricht.
Den Text des Vertrages anbelangend, wurde vom Bundesrat am 5. März beschlossen, dass der ungarische Text nur unterzeichnet und besiegelt werden dürfe, wenn durch Notenaustausch oder in einer vom österreichischen Ministerpräsidenten abzugebenden Erklärung der deutsche Text als in allen Fällen massgebend bezeichnet werde. In dieser Hinsicht scheinen in den letzten Unterhandlungstagen in Wien gewisse Schwierigkeiten entstanden zu sein. Die Delegation verlangte telegraphische Weisung über folgenden Vorschlag: «Im gedruckten Unterhandlungs-Protokoll soll die Erklärung aufgenommen werden, dass der Handelsvertrag, seine Anlagen und die gleichzeitig vereinbarten Übereinkommen in deutscher und ungarischer Sprache ausgefertigt und unterzeichnet werden. In Zweifelsfällen aber gelte der in den Unterhandlungen festgesetzte Text, d.h. der deutsche.» Die Delegation fügte bei, sie meine, dass die Schweiz in dieser Form zustimmen könnte. Diese Erklärung stimmt mit dem Beschlüsse des Bundesrates zwar nicht ganz überein, sie hätte aber unzweifelhaft den Zweck erfüllt, den der Bundesrat im Auge hatte. Der Delegation wurde deshalb durch Präsidialverfügung telegraphisch geantwortet, dass der Vorschlag hierseits als annehmbar betrachtet werde, immerhin aber nur unter der Bedingung, dass das betreffende Unterhandlungsprotokoll unterzeichnet werde. Nach den nun vorliegenden Originalien wurde in letzter Stunde formell und textuell, ohne unser Zutun, von diesem Vorschlag abgewichen. Die bezügliche Erklärung ist nämlich nicht in das Unterhandlungs-Protokoll aufgenommen, sondern separat abgegeben und von Herrn du Martheray einerseits, von Herrn Goluchowski anderseits unterzeichnet worden. Insoweit ist sie in Ordnung. Was hingegen ihre Fassung anbelangt, so haben wir weniger Grund, damit zufrieden zu sein. Der deutsche sowohl als der ungarische Text werden beide ausdrücklich als «Originaltexte» bezeichnet und anstatt den einen oder den ändern derselben als massgebend zu erklären, wird gesagt, dass «die Bedeutung und die Tragweite dieser beiden Originaltexte in dem Sinne verstanden und interpretiert werden solle, welcher bei den in deutscher Sprache durchgeführten Vertragsverhandlungen festgestellt worden sei.» - Im Falle einer ernsten Meinungsverschiedenheit über die Auslegung des Vertrages dürfte es recht schwierig sein, aus dieser schwer verständlichen und ziemlich zweideutigen Erklärung nachzuweisen, dass Österreich-Ungarn verpflichtet und die Schweiz berechtigt sei, sich an den deutschen Text zu halten.
Was die Inkraftsetzung des Vertrages betrifft, so ist durch eine besondere, von unserm Gesandten und von Staatsminister Goluchowski Unterzeichnete Erklärung, gemäss der am 9. dies vom Bundesrate beschlossenen Ermächtigung, vereinbart, dass der Vertrag nebst seinen Anlagen für die Zeit vom 12. März bis längstens 30. Juni 1906 provisorisch in Kraft gesetzt werde, in der Meinung, dass inzwischen beidseitig die parlamentarische Genehmigung zu erfolgen habe.
Über die Dauer des Vertrages ist, wie in unserm Vertrag mit Italien und Deutschland, und wie im neuen deutsch-österreichisch-ungarischen Vertrage, bestimmt, dass er bis Ende 1917 gelten solle. Mit Rücksicht auf die Zollverhältnisse zwischen Österreich und Ungarn ist aber beigefügt, dass schon auf Ende 1915 gekündet werden könne. Diese Bestimmung enthält auch der neue Vertrag zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn. Ferner ist die übliche Klausel der stillschweigenden Fortdauer mangels Kündigung vereinbart worden.
Über die Zollabfertigung im Eisenbahnverkehr ist ein besonderes Abkommen getroffen worden, dessen Text seiner Zeit von Österreich-Ungarn vorgeschlagen und vom Eisenbahndepartement gutgeheissen wurde. Dieses Abkommen tritt gleichzeitig mit dem Handelsvertrag in Kraft und hat die gleiche Dauer.
Ferner ist von unserm Gesandten und vom österreichisch-ungarischen Staatsminister, unabhängig vom Handelsvertrag, ein Abkommen über die Viehseuchenpolizei («Verkehr mit Tieren») unterzeichnet worden. Dieses Abkommen hat ebenfalls gleiche Dauer wie der Handelsvertrag, erhält hingegen erst von dem Tage an Gültigkeit, an welchem der Handelsvertrag definitiv in Kraft tritt.
[...]4
- 1
- E 13 (B)/241. Handelsvertrag mit Österreich-Ungarn.↩
- 2
- Telegramm. Nicht abgedruckt.↩
- 3
- Nicht abgedruckt.↩
- 4
- Es folgt der Antrag, den Handelsvertrag mit Österreich-Ungarn und die Spezialabkommen betr. die Zollabfertigung im Eisenbahnverkehr und die Viehseuchenpolizei zu genehmigen, ebenso einige sich daraus ergebende Anträge. Der Bundesrat gab seine Zustimmung dazu in seiner Sitzung vom 16. März 1906. Vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den mit Österreich-Ungarn am 9. März 1906 abgeschlossenen Handelsvertrag und die mit diesem Lande am gleichen Tage abgeschlossenen Übereinkommen über die Zollabfertigung im Eisenbahnverkehr und die Viehseuchenpolizei, vom 26. März 1906 (BBl 1906, II, S. 445 ff.). Die Bundesversammlung ratifizierte den Vertrag am 30. März 1906 (AS, 1906 NF 22, S. 423ff.). Die Ratifikationen konnten erst am 30. Juli 1906 aus getauscht werden.↩