Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
22. Turquie
22.2. Jeunes Turcs
Également: Rapport de renseignements sur les activités des Jeunes Turcs à Genève. Annexe de 30.5.1899
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 4, doc. 334
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2001A#1000/45#81* | |
Dossier title | Nr. 81. Beschwerden der Türkei gegen das Treiben der Jungtürken und Armenier in der Schweiz, insbesondere in Genf (1899–1904) | |
File reference archive | B.11 |
dodis.ch/42744
In meinen confidentiellen Schreiben vom 22. und 24. März v.Js.2 habe ich Herrn Bundespräsident Müller über Mittheilungen Bericht erstattet, welche der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, H. von Bülow, und der erste Vortragende Rath der Politischen Abtheilung dieses Reichs-Ressorts mir betreffend die Umtriebe der in Genf sich aufhaltenden «Jungtürken» mündlich und vertraulich gemacht hatten.
Daraufhin erhielt ich von H. Präsident Müller eine vom 27-ten gl. Mts.3 datierte Rückäusserung, von welcher ich H. von Bülow vertraulich Kenntnis gab. Ich darf annehmen, dass das Concept dieser Rückäusserung und ebenso meine oben gedachten Berichte bei den sachbezüglichen Akten Ihres Departements liegen und kann daher von der Wiedergabe des Inhalts derselben hier füglich Umgang nehmen.4
Hier in Berlin hatte ich mich von da an mit dieser Frage nicht mehr zu befassen. Dagegen bildete dieselbe im Monat Mai v. Jahres, im Haag, den Gegenstand einer Conversation zwischen mir und dem ersten Türkischen Delegierten an der «Friedenskonferenz», Turkhan Pacha, Staatsrath und früher Türkischer Minister des Äussern. Als ich nämlich demselben einen Antritts-Besuch abstattete, kam er aus eigener Initiative alsbald auf diese Angelegenheit zu sprechen, indem er sich über das Treiben der fraglichen Jungtürken in Genf in der leidenschaftlichsten Art und Weise ausliess, verbunden mit der dringlichen Bitte, ich möchte mich «bei meiner Regierung» dahin verwenden, dass diesen Umtrieben gründlich Einhalt gethan werde. Meine Antwort ging zunächst dahin, ich habe seinerzeit H. von Bülow auf Grund einer confidentiellen, von mir erbetenen Vernehmlassung des Herrn Bundespräsidenten in Sachen das Erforderliche mitgetheilt und denselben im besondern darauf aufmerksam gemacht, dass die Jungtürken in Genf hinreichend überwacht werden. Eine erneuerte analoge Demarche bei dem Herrn Bundespräsidenten – fügte ich bei – würde mir daher inopportun und auch ganz nutzlos erscheinen.
Turkhan Pacha insistierte aber trotzdem dermassen, dass ich ihm schliesslich in ganz allgemeiner Form die Zusicherung ertheilte, ich werde mich in Sachen erkundigen und daraufhin bat ich dann meinen Conferenz-Collegen, H. Nationalrath Odier, den Chef des Justiz- und Polizei-Departements in Genf privatim und confidentiell um irgend einen zu dem fraglichen Zwecke zu verwendenden Bericht zu ersuchen.
Ein solcher Bericht traf auch kurze Zeit nachher ein und wurde derselbe alsdann von mir Turkhan Pacha zur Kenntnis gebracht. Nennenswerth Neues enthielt dieser Bericht, (den ich als Anlage I mitfolgen lasse)5 aber nicht; er bestätigte einfach die früheren, in der Vernehmlassung des H. Präsident Müller enthaltenen Mittheilungen betreffend die Überwachung der Jungtürken und betonte erneuert die Schwierigkeit, welche den überwachenden Polizei-Behörden dadurch entstehe, dass die Pressekundgebungen dieser Leute in türkischer Sprache verfasst seien.
Damit war (im Haag) die Sache abgethan.
Infolge eines seitens des hiesigen türkischen Botschafters Tewfik Pacha mir gestern gemachten Besuches muss ich nun aber zu meinem Bedauern auf die Frage zurückkommen.
Tewfik Pacha äusserte sich bei diesem Anlasse wie folgt:
Die Jungtürken in Genf – bemerkte er – dehnen ihre gegen den Sultan und die türkische Regierung gerichtete Presse-Agitation immer mehr aus. Sie haben nunmehr damit begonnen, ihrer in türkischer Sprache redigierten Zeitung «Osmanli» auch in deutscher Sprache abgefasste Beilagen beizugeben und diese Beilagen überall hin zu verschicken, wo deutsch gesprochen wird. In diesen Presseergüssen werde der Sultan als Verbrecher und Mörder geziehen, seine Regierung in allen Tonarten als unfähig und corrumpiert der öffentlichen Verachtung anheim gegeben, etc. etc. und zwischen den Zeilen sei deutlich zu lesen, dass die Jungtürken eine Wendung zum Bessern nur in dem Mittel der gewaltsamen Beseitigung des Sultans erblicken. Einem derartigen Treiben gegenüber könne die türkische Regierung unmöglich gleichgültig bleiben und er, Tewfik Pacha, wäre mir zu grossem Danke verpflichtet, wenn ich die diesbezüglich in Bern von anderer Seite bereits gethanen oder noch zu thuenden Schritte unterstützen würde. Er wisse, dass bei uns eine gerichtliche Verfolgung von injuriösen Angriffen gegen einen fremden Souverain oder eine fremde Regierung nur dann eintrete, wenn der betreffende Staat Klage erhebe. Von einem solchen gerichtlichen Verfahren wünsche aber seine Regierung Umgang zu nehmen. Dagegen lege sie ganz besonderen Werth darauf, dass die an der gedachten Presse-Agitation betheiligten Jungtürken aus Genf ausgewiesen oder doch zum mindesten mit der Ausweisung bedroht werden, für den Fall, dass sie die fraglichen Blätter weiter erscheinen lassen und versenden. Tewfik Pacha fügte bei, er wolle nicht unterlassen, mir vertraulich mitzutheilen, dass er den Staatssekretär Graf Bülow gebeten habe, die obigen Desiderata der türkischen Regierung durch Vermittlung des deutschen Gesandten in Bern dem Bundesrathe zur Berücksichtigung empfehlen zu lassen.
Auf diese Mittheilungen erwiderte ich in der Hauptsache folgendes:
Vor allem – sagte ich – möchte ich doch darauf Betonung legen, wie der einzig korrekte Weg bei Behandlung dieser gravamina der wäre, dass die türkische Regierung dieselben bei dem Bundesrath durch den nunmehr in Bern accreditierten türkischen Gesandten vertreten lasse. Was die materielle Seite der Sache anbelange, so hänge eben alles weitere davon ab, ob der Inhalt der beanstandeten Presse-Elaborate nach der Auffassung des Bundesraths in der That der Art sei, dass derselbe eine ernste Gefährdung der persönlichen Sicherheit des Sultans und ein Angriff auf die öffentliche Ordnung, bzw. gegen die dermalige Regierung involviere. Im bejahenden Falle werde der Bundesrath, nach meinem Dafürhalten, wohl kein Bedenken tragen, die beantragten Ausweisungen zu verfügen; andernfalls jedoch würde ihm eine gesetzliche Unterlage hiefür abgehen. Die türkische Regierung könne aber für diese letztere Eventualität darauf zählen, dass die fraglichen Jungtürken fortgesetzt in zuverlässiger Weise würden überwacht werden und dass man im besonderen deren publizistische Thätigkeit nicht aus dem Auge verlieren werde.
In seiner Erwiderung stützte sich Tewfik Pacha zur Begründung seines Ansuchens im wesentlichen auf das bereits Angebrachte und bemerkte er nur noch, es sei ja selbstverständlich, dass die Sache officielldurch den türkischen Gesandten in Bern werde vertreten werden müssen; er habe sich nur erlauben wollen, meine vertrauliche Vermittlung zu dem Zwecke nachzusuchen, dass ich dem Bundesrathe mittheile, welch grossen Werth seine Regierung auf eine wohlwollende Berücksichtigung ihrer Desiderata lege.
Die Art und Weise, wie Tewfik Pacha mir von dieser Angelegenheit sprach, war von Anfang bis zu Ende eine so verbindliche und war er sichtlich so ängstlich bemüht, jeder Schroffheit aus dem Wege zu gehen, dass ich mich schliesslich gerne bereit erklärt habe, Ihnen über diese Unterredung vertraulich Bericht zu erstatten, wobei ich aber immerhin die Bemerkung einfliessen liess, wenn der Fall sich so präsentiere, dass es dem Bundesrath auf Grund der Rechtslage möglich und opportun erscheine, den Wünschen der türkischen Regierung zu entsprechen, so hätte es weder der Unterstützung der deutschen Gesandtschaft in Bern, noch meiner Empfehlung bedurft. Ich bat dann Tewfik Pacha noch, mir ein Exemplar der deutschen Beilage zu dem «Osmanli», auf welche er in unserer Unterredung Bezug genommen, zukommen zu lassen und diese Drucksache ist mir denn auch gestern abend zugegangen. Dieselbe (Anlage II.)6 qualificiert sich als ein ganz ordinäres, confuses Elaborat im Pamphlet-Styl und als sprachlich sehr minderwerthiges Presse-Product, das von verständigen Menschen kaum ernst genommen werden dürfte.
Nichtsdestoweniger will es mir aber doch scheinen, wir werden der Prüfung der Frage kaum aus dem Wege gehen können, ob das Gewährenlassen derartiger publizistischer Hetzangriffe gegen die Person des Sultans und gegen die türkische Regierung sich mit den Pflichten verträgt, deren Beobachtung wir dieser Regierung, als derjenigen eines «befreundeten» Staates, nach allgemein völkerrechtlicher Praxis schulden und ferner auch, ob wir mit Rücksicht auf die für uns auf dem Spiele stehenden Interessen (Handelspolitischer Verkehr mit dem Orient und Stellung unserer in der Türkei etablierten Staatsangehörigen) nicht gut daran thäten, der türkischen Regierung in dieser Angelegenheit so weit immer thunlich entgegenzukommen.
Für eine gelegentliche confidentielle Mittheilung über die von Ihnen und vom hohen Bundesrathe in Sachen getroffenen Massnahmen wäre ich Ihnen zu Dank verpflichtet.
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