dodis.ch/31851

Der Vorsteher des Politischen Departements, F. T. Wahlen, an den Präsidenten der Generaldirektion der schweizerischen Kreditanstalt, E. Reinhardt1

Mein Lieber,

Ich danke Dir für die sehr interessante Orientierung2 über die beabsichtigte Zusammenarbeit führender amerikanischer und europäischer Banken zum Studium und zur Förderung des West-Osthandels. Wesentlich an diesem Projekt scheint mir, dass sich dafür höchst seriöse und kapitalkräftige Institute, worunter wohl erstmals in diesem Ausmass amerikanische3 interessieren. Es ist klar, dass neben der bankmässigen Seite sich auch diejenige der politischen Wünschbarkeit der Ausdehnung des Osthandels stellt. Zweifellos haben in den letzten Jahren Standorte und Meinungen gewechselt4. Einerseits haben sich im Ostblock (wenn man ihn noch so bezeichnen will) Entwicklungen angebahnt, die wir zwar kritisch betrachten sollen, aber einfach auch nicht ignorieren können, und anderseits hat sich auch die Haltung des Westens gelockert (ob immer zu Recht und im richtigen Massstab, bleibe dahingestellt).

Auf Deine Frage, inwieweit ich Dich zur Weiterverfolgung der die Kreditanstalt interessierende Angelegenheit ermuntern könnte, scheint sich mir auf Grund der gegenwärtigen weltpolitischen Situation und nachdem es vorläufig nur darum geht, das Projekt a priori abzulehnen oder es zu vertiefen, die Alternative der näheren Prüfung anzubieten. Dies ist auch die Auffassung meiner engsten Mitarbeiter. Für das Departement kann ich mich, wie Du wohl verstehen wirst, nur bis zum 31. Dezember 19655 verbürgen. Immerhin glaube ich nicht, dass meine Kollegen im Bundesrat, ohne für sie sprechen zu wollen, eine wesentlich andere Auffassung hätten.