Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 22, doc. 96
volume linkZürich/Locarno/Genève 2009
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2003-03#1976/44#1* | |
Old classification | CH-BAR E 2003-03(-)1976/44 1 | |
Dossier title | Technische Hilfe - Allgemeines und Prinzipielles (1960–1963) | |
File reference archive | t.900 |
dodis.ch/30149
Interne Notiz des Politischen Departements1
Die bilaterale Technische Zusammenarbeit der Schweiz mit Entwicklungsländern (Résumé)
Die technische Zusammenarbeit der Schweiz befindet sich in einer eigentlichen Aufbauphase. Wohl wurden seit Jahren Stipendien gewährt und Experten nach Entwicklungsländern entsandt, aber der Umfang dieser Aktionen war doch eher bescheiden. Erst die neue gesetzliche Grundlage vom Juni 19612 liess einen systematischen Ausbau der Leistungen zu. Denn nicht nur wurde der finanzielle Rahmen von vorher 1 Mio. (1961: 1,5 Mio.) auf jährlich 7 Mio. SFr. erweitert3, sondern auch der sachliche Aktionsbereich wurde ausgedehnt. Da indessen der neue Kreditrahmen praktisch erst seit 1962 gilt, liegen noch keine ganzjährigen Erfahrungszahlen vor, so dass die Daten nur ein unzureichendes Bild des gegenwärtigen Ausbaus der technischen Hilfe geben.
1. Grundsätze
Für die technische Zusammenarbeit der Schweiz mit Entwicklungsländern ist eine Anzahl von Grundsätzen massgebend. Dazu gehören:
a. Technische Hilfe – soweit sie gewünscht wird – soll an alle Entwicklungsländer gewährt werden, ohne Rücksicht auf das jeweilige politische System. Dieses Prinzip entspricht der Universalität der Aussenbeziehungen der Schweiz und dem unpolitischen Charakter unserer Technischen Zusammenarbeit.
b. Das Entwicklungsland, dem technische Hilfe geleistet wird, muss sich an der betreffenden Aktion finanziell beteiligen. Eine solche Zusammenarbeit auf der Basis der Mitverantwortung gilt als eine der Voraussetzungen für erfolgreiches Handeln.
c. Die Aktionen müssen sich sinnvoll in die ökonomische und soziale Entwicklung bzw. das Entwicklungsprogramm eingliedern, wobei dringliche Projekte bevorzugt werden.
d. Der Umfang der technischen Hilfe der Schweiz als Kleinstaat wird immer verhältnismässig gering sein. Deshalb wird besonders darauf geachtet, dass den Entwicklungsländern ausschliesslich mit (auf deren spezifische Bedürfnisse ausgerichteten) Qualitätsleistungen an die Hand gegangen wird.
e. Die Zusammenarbeit erfolgt nicht nur von Regierung zu Regierung; der massgebende Gesetzestext schreibt vielmehr vor, dass die Eidgenossenschaft aus dem Kredit für technische Zusammenarbeit auch an private schweizerische Institutionen und Organisationen, die auf dem Gebiet der technischen Zusammenarbeit tätig sind, Beiträge gewähren soll.
2. Stipendiaten
Die Zahl der Stipendien für berufliche Weiterbildung und für Hochschulstudien in der Schweiz hat sich deutlich erhöht. Während im letzten Jahr rund 290 bilaterale Stipendiaten aufgenommen worden sind (wovon 90 für Hochschulstudien)4, beläuft sich die Zahl bereits per 31. Juli 1962 auf rund 230. Auf das Wintersemester 1962/63 werden sodann weitere 60 Universitätsstipendiaten aufgenommen. Noch im Jahre 1961 waren die bilateral zugesprochenen Stipendien insgesamt nur wenig zahlreicher als die multilateralen; dieses Verhältnis hat sich im laufenden Jahr deutlich zugunsten der bilateralen Stipendiaten verschoben – eine Entwicklung, die sich künftig noch akzentuieren dürfte.
Von den Ende Juli 1962 in der Schweiz weilenden Stipendiaten der Eidgenossenschaft stammte der grösste Teil aus Afrika und den europäischen Entwicklungsländern; in einigem Abstand folgen die Asiaten, und am schwächsten vertreten sind die Lateinamerikaner, was im wesentlichen mit Sprachschwierigkeiten zusammenhängt5.
3. Ausbildungskurse
Die Stipendienpolitik wird immer mehr auf die Durchführung von ad hoc Ausbildungskursen für (in der Regel) national einheitliche Gruppen ausgerichtet. Auf eine sinnvolle Verbindung von Theorie und praktischem Stage wird dabei besonderes Gewicht gelegt. Teilweise werden diese Kollektivkurse in Zusammenarbeit mit Spezialorganisationen der UNO geplant und verwirklicht. In der Periode 1961/62 wurden Kurse organisiert u. a. für Werkmeister verschiedener Branchen (Israel, 4 Monate), Müllereifachleute (Griechenland, 16 Monate), Bauzeichner (Kongo-Léopoldville, 12 Monate), Schulinspektoren (Somalia, 20 Monate), medizinische Labortechniker (Togo, 12 Monate), unteres Hotelpersonal (Griechenland/Tunesien, 24 Monate), Geodäsie (diverse, 22 Monate). Weitere Kurse für PTT-Personal, für Bankangestellte und Hotelkader sind in Vorbereitung.
Um eine möglichst grosse Breitenwirkung im Entwicklungsland zu erzielen, werden überdies spezielle Kurse für Lehrpersonal durchgeführt, so in der allgemeinen Mechanik für Gewerbeschullehrer (Kongo-Léopoldville, Iran), in der Unterrichtstechnik für landwirtschaftliche Lehrkräfte aus 11 französischsprachigen Ländern (6 Monate), die alsdann ihrerseits im Heimatland Landwirtschaftslehrer ausbilden. Dieser Kurs soll 1963 für Lehrer aus spanischsprachigen Entwicklungsländern und 1964 für solche aus dem englischen Sprachgebiet durchgeführt werden.
4. Experten
Im Jahre 1961 arbeiteten 80 Experten auf den verschiedensten Fachgebieten in 34 verschiedenen Ländern; davon wurden aber nur 18 bilateral vermittelt. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres ist das Verhältnis ähnlich: von den 97 ausgesandten Experten waren nur 15 bilateral. Das eindeutige Überwiegen der multilateralen Expertenmissionen6 kontrastiert scharf mit der Situation in den meisten andern Ländern. Die Ursache dafür liegt auf zwei verschiedenen Ebenen:
a. Einmal ist zu berücksichtigen, dass die Schweiz bisher (Sommer 1962) wenig staatliche bilaterale Wirtschafts- und Finanzhilfe gewährt hat; die Nachfrage nach Experten, die üblicherweise aus der Wirtschaftshilfe – auch der ungebundenen – herauswächst, spielt somit im Falle der Schweiz nicht.
b. Umgekehrt erklärt sich die relativ hohe Zahl von multilateralen Experten vor allem dadurch, dass für die UNO aus politischen Gründen oftmals Experten aus einem neutralen Land besonders erwünscht sind. Das ist besonders augenfällig im Blick auf den Kongo7, wo in den vergangenen zwei Jahren weit über 200 Fachleute im Dienste der UNO tätig waren und die Schweiz proportional das grösste Kontingent stellt.
5. Projekte
Die grösseren Mittel, die der Eidgenossenschaft für technische Hilfe nunmehr zur Verfügung stehen, ermöglichen es auch, kombinierte Projekte in einzelnen Entwicklungsländern in Angriff zu nehmen. Im Jahre 1962 ist ein erster Schritt in dieser Richtung getan worden. Es handelt sich vorerst um die Verwirklichung von landwirtschaftlichen Siedlungsprojekten, wobei die Verbesserung der Agrarstruktur und -technik und der Aufbau ergänzender Produktionszweige im Vordergrund stehen.
6. Materiallieferungen und Studienreisen
Gelegentlich wird im Rahmen der technischen Zusammenarbeit Demonstrations-, Forschungs- und Studienmaterial an Entwicklungsländer geliefert, meist in engem Zusammenhang mit der Tätigkeit schweizerischer Experten. Ferner werden in beschränktem Umfang kurzfristige Aufenthalte von Wirtschaftsführern und hohen Regierungsbeamten aus Entwicklungsländern finanziert, soweit sie der Abklärung von Problemen dienen, die für die Entwicklung des betreffenden Landes von besonderer Bedeutung sind.
7. Zusammenarbeit mit privaten Hilfsorganisationen
Typisch für die schweizerischen Verhältnisse auf dem Gebiet der technischen Hilfe ist die grosse Zahl von privaten Hilfsorganisationen und deren Verankerung in der Bevölkerung und in der Wirtschaft. Neben den christlichen Missionen und kirchlichen Hilfswerken ist eine Reihe von privaten Institutionen in den verschiedensten Entwicklungsbereichen tätig, wie Schul- und Erziehungswesen, Berufsbildung, Landwirtschaft usw. Zum Teil verwirklichen sie umfangreiche kombinierte Projekte. Die jährlichen Ausgaben aller dieser Stellen dürften sich auf gegen 20 Mio. Fr. belaufen.
Die Eidgenossenschaft fördert diese privaten Aktionen, indem die Realisierung konkreter Projekte bei Bedarf durch wesentliche Beiträge unterstützt wird. Diese Mitfinanzierung gilt als eine der wichtigsten Aufgaben im Rahmen der staatlichen Politik technischer Assistenz. Daneben werden auch an Forschungs- und höhere Lehranstalten in der Schweiz, soweit sie in hervorragender Weise im Dienste der Entwicklungshilfe tätig sind, namhafte Beiträge à fonds perdu aus dem Kredit für technische Zusammenarbeit ausgeschüttet.
8. Organisation
Die Stelle, die sich mit der technischen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern befasst, ist der Delegierte des Bundesrates für technische Zusammenarbeit im Politischen Departement (Aussenministerium), der über einen Stab von zurzeit (Sommer 1962) 40 Mitarbeitern verfügt. Seine Ausgabenkompetenzen sind auf Fr. 30’000 limitiert; über Aktionen, deren Kosten Fr. 100’000 nicht übersteigen, entscheidet der Chef des Politischen Departements (Aussenminister) im Einvernehmen mit dem Finanz- und Zolldepartement (Finanzministerium); für Ausgaben über Fr. 100’000 liegt die Entscheidungsbefugnis beim Bundesrat.
Daneben gibt es drei gesetzlich festgelegte Konsultativorgane.
1. Das Komitee für Technische Zusammenarbeit8, dem Vertreter der interessierten Departemente (Ministerien) und der Kommission für Technische Zusammenarbeit (vgl. Ziffer 2 hernach) angehören und dem in erster Linie die Koordination unter den Departementen obliegt, das aber auch Stellung nimmt zu grundsätzlichen Fragen sowie zu bedeutenderen Projekten.
2. Die Kommission für Technische Zusammenarbeit9, die sich aus rund 30 ausserhalb der Verwaltung stehenden Mitgliedern zusammensetzt, mindestens zweimal jährlich tagt und sich dabei zu grundsätzlichen Fragen sowie über die Programme der Technischen Zusammenarbeit ausspricht.
3. An der Konferenz für Technische Zusammenarbeit, die einmal jährlich einberufen wird und an der all jene Kreise vertreten sind, die sich mit Technischer Zusammenarbeit befassen, findet ein Meinungs- und Erfahrungsaustausch statt, durch den neue Initiativen zu Aktionen technischer Hilfe angeregt werden sollen.
Die wichtigsten privaten Institutionen, soweit sie sich auf breite Kreise der Bevölkerung abstützen (einschliesslich der kirchlichen), sind in der Schweizer Auslandhilfe (einer Art Dachorganisation) organisatorisch zusammengefasst. Diese dient zugleich als Clearingstelle für Projekte ihrer Mitglieder, die dem Delegierten zur Mitfinanzierung unterbreitet werden sollen.
- 2
- Vgl. Nr. 39, Anm. 2, in diesem Band.↩
- 3
- Zusatz im Originaltext: die multilaterale Hilfe erfolgt zu 3,5 Mio. Fr. über das Erweiterte Programm der UNO, zu 4,5 Mio. über den UN-Sonderfonds, und 3 Mio. sind für Gemeinschaftsaktionen zusammen mit der UNO und ihren Agencies reserviert (wozu noch die jährlichen freiwilligen Beiträge an eine Reihe von Spezialorganisationen zu rechnen wären).↩
- 4
- Zusatz im Originaltext: Für Hochschulstudien von Ausländern ist ein fünfjähriger Sonderkredit von 9 Mio. Fr. ausgesetzt worden.↩
- 5
- Zusatz im Originaltext: Beizufügen wäre noch, dass 9% aller an schweizerischen Hoch schulen immatrikulierten Studierenden aus Entwicklungsländern stammen. An der Universität Genf beträgt dieser Prozentsatz gar 20. Auch wenn es sich hierbei zum kleinsten Teil um Bundesstipendiaten handelt, gehört dieses Bild doch mit in diesem Zusammenhang.↩
- 6
- Zusatz im Originaltext: das noch viel drastischer zum Ausdruck kommt, wenn auch die von der UNO und ihren Spezialorganisationen direkt engagierten Experten mitberücksichtigt werden (vgl. Ziffer 4b).↩
- 7
- Für einen Überblick über die von der Schweiz in Zusammenarbeit mit der UNO geleistete technischen Hilfe im Kongo vgl. z. B. den Antrag Technische Zusammenarbeit, Finanzierung der schweizerischen Spezialisten-Gruppen innerhalb der zivilen Operationen der UNO im Kongo des Politischen Departements vom 6. Februar 1963 (dodis.ch/30234).↩
- 8
- Zum Komitee für technische Zusammenarbeit vgl. E 2003-03(-)1976/44/17.↩
- 9
- Zur Bestellung der Mitglieder dieser Kommission vgl. das BR-Prot. Nr. 240 vom 2. Februar 1962 (dodis.ch/30743).↩
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UN (Specialized Agencies) Non Governmental Organisations