Bericht über die Ereignisse, die zum Putsch gegen Mossadegh geführt haben.
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 19, Dok. 68
volume linkZürich/Locarno/Genève 2003
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2300#1000/716#1053* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2300(-)1000/716 455 | |
Dossiertitel | Teheran, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 7 (1953–1954) |
dodis.ch/9715 Der schweizerische Gesandte in Teheran, A. Escher, an den Vorsteher des Politischen Departements, M. Petitpierre1
Obschon sich der durch die Ereignisse der letzten acht Tage aufgewirbelte Staub inzwischen einigermassen gelegt hat, sind die Tatsachen auch jetzt noch teilweise unübersichtlich und schwer genau zu beurteilen. Die Redaktionen fast aller massgebenden Zeitungen haben schwer gelitten und die Blätter erscheinen teils überhaupt noch nicht, teils in reduziertem Umfang. Es hält schwer aus den tausenden sich widersprechenden Gerüchten die wenigen echten Perlen herauszupicken. Es sei immerhin heute ein Versuch gemacht, die Hauptlinien, die als wahr gelten können, herauszuschälen.
Die Ereignisse der Nacht vom 15. auf den 16. August sind immer noch nicht ganz klar. Einwandfrei steht fest, dass der Schah2 zwei oder drei Tage vorher die Firmane betreffend Absetzung Mossadeghs3 und die Ernennung Zahedis zum Ministerpräsidenten unterzeichnet hatte und dass der Kommandant4 der königlichen Garde die Absicht hatte, Mossadegh den ihn betreffenden Firman zu überbringen. Ferner scheint mir sicher, dass Mossadegh und seine Gruppe darüber vorgängig unterrichtet gewesen sein müssen. Ob die Verhaftung Fatemis und zweier weiterer Anhänger Mossadeghs in der Nacht wirklich durch die königliche Garde veranlasst worden, oder ob es ein aufgezogener Theatercoup war, scheint mir noch nicht ganz abgeklärt; jedenfalls fiel mir Sonntagmorgen das gesunde und ruhige Aussehen Fatemis auf und ich war etwas beeindruckt, als er mir auf die Frage nach dem Befinden seiner Gattin schmunzelnd erklärte, sie habe sich nicht im geringsten über die Zwischenfälle in der Nacht aufgeregt!
Mossadegh hat den angeblichen Putschversuch und die Abreise des Schahs sofort benützt um ein die Auflösung des Madjliss verfügendes Dekret zu erlassen, was ihm noch am Sonntag die Verhaftung der Oppositionsführer gestattete. Kachani blieb einstweilen anscheinend vollständig unbeteiligt; Fatemi hat uns am Sonntagmorgen erklärt, dass der Mollah mit den Ereignissen der Nacht nichts zu tun gehabt habe.
Der Aussenminister5 hat sich in der Pressekonferenz am Sonntag sowie in einem von ihm unterzeichneten Artikel in seiner Zeitung «Bakhtar Emrouz» in unflätigster Weise gegen den Souverän ausgesprochen, was viel böses Blut gemacht hat.
Am Montag wurde es sowohl in der Presse als auf der Strasse deutlich, wie weit die Ziele Mossadeghs und der Tudeh auseinander gingen. Der Regierungspräsident wollte sich über die weiteren Schritte noch in keiner Weise festlegen und scheint mit seinen eigenen Leuten Schwierigkeiten bei der Ausarbeitung eines gemeinsamen Programms gehabt zu haben; die Tudeh-Partei demonstrierte wie wild gegen die Dynastie, begann die königlichen Denkmäler herunterzureissen, die Photographien des Souveräns in den Läden zu vernichten und die mit der Dynastie zusammenhängenden Strassennamen zu entfernen und durch neue Namen wie «Strasse der Republik», «Strasse des Friedens», «Strasse der Revolution», etc. zu ersetzen. Sie verlangte die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung und die Beseitigung der Monarchie.
Am Dienstag führten diese Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Parteien bereits zu sehr ernsthaften Schlägereien, wobei die Tudeh-Partei es insbesondere auf die Parteispitze und Redaktionen der Anhänger Mossadeghs abgesehen hatte. Dienstagabend war man sich für die nächsten Tage auf das schlimmste gefasst: es musste mit einem Kampf bis aufs äusserste um die Macht zwischen Mossadegh und Tudeh gerechnet werden. An eine mögliche Reaktion der Royalisten konnte nicht mehr gedacht werden.
Umso überraschter war man Mittwochmorgen, als die Meldung einging, im Süden der Stadt hätten royalistische Kundgebungen begonnen und sie dehnten sich aus. Diese Tatsache war umso überraschender, als es sich wirklich um eine rein spontane Reaktion der Bevölkerung gehandelt zu haben scheint; die Exzesse der Linksparteien gegenüber der Dynastie, die widerlichen Artikel Fatemis, vor allem aber wohl die Erkenntnis einer sehr ernsthaften kommunistischen Gefahr, scheinen auch bisher lau gebliebene Bevölkerungskreise aufgescheucht zu haben. Aus einer Gruppe von wenigen Dutzend Leuten scheinen in kürzester Zeit Hunderte, dann Tausende geworden zu sein; die Bewegung hat sich schneeballartig ausgebreitet und unerwartet rasch auf Truppen und Polizei übergegriffen. Es war fast unbegreiflich zu sehen, wie dasjenige Element, mit dem man nicht mehr rechnen zu können glaubte, sich plötzlich als das stärkste erwies und innert wenigen Stunden mit beiden Gegnern, den Mossadeghanhängern und den Kommunisten, fertig wurde. Gegen 11 Uhr machte ich einen kurzen Besuch auf dem Aussenministerium; der Minister hatte sich bereits entfernt und die Beamten zeigten unverholen ihre Freude über die Tatsache, dass die Redaktion der Zeitung ihres Ministers als erste zerstört worden war.
Von einer General Zahedi sehr nahe stehenden Seite werde ich versichert, dass ein Versuch der Royalisten, die Herrschaft in Teheran zu erringen, keineswegs vorgesehen war. Die Pläne konzentrierten sich auf die Provinz, wo man sich der Herrschaft und der Kontrolle über die Truppen zu bemächtigen gedachte, um alsdann gegen die Hauptstadt zu marschieren. Zahedi hat aber nicht verfehlt aus der unerwartet günstigen Entwicklung in Teheran sofort die Konsequenzen zu ziehen: schon am frühen Nachmittag hat er einige wenige Worte über das Radio an die Bevölkerung gerichtet und am späteren Nachmittag war die ganze Stadt mit Ausnahme des Hauses Mossadeghs im Besitz der Royalisten. Gegen 17 Uhr habe ich eine kurze Fahrt durch die Strassen gemacht und feststellen können, dass die Gegner der Royalisten vollständig verschwunden waren; das Haus Mossadeghs wurde von allen Seiten durch Tanks umstellt, die, da die Wache sich tapfer gewehrt zu haben scheint, von ihren Kanonen Gebrauch machen mussten. Das Haus des Ministerpräsidenten und das benachbarte seines Sohnes, Dr. Gholam Mossadegh, sind vollständig zerstört. Mossadegh hat sich im letzten Moment geflüchtet und ist erst Donnerstag verhaftet worden. Über seinen Sohn und den Aussenminister Fatemi fehlen bis heute genaue Nachrichten. Unser in nächster Nähe des umkämpften Quartiers gelegener Neubau ist von Demonstranten überzogen worden, die glaubten, dass ein bekannter Anhänger Mossadeghs sich dort versteckt halte. Der entstandene Schaden ist gering, es ist einiges Baumaterial gestohlen worden.
Donnerstag scheinen noch einige Ansammlungen von Anhängern Mossadeghs im Bazar stattgefunden zu haben, doch haben die Sicherheitsmassnahmen der Armee genügt um den Ausbruch von Kämpfen zu verhindern. Die Nachrichten der Provinz waren anfänglich widersprechend, lauteten aber mehr und mehr zu Gunsten der Anhänger der Dynastie. Besondere Bedenken bestanden hinsichtlich Isfahan und Schiraz, doch scheint es dem neu ernannten und per Flugzeug nach Isfahan abgereisten Generalgouverneur gelungen zu sein, die Situation sofort in die Hand zu bekommen.
Am Freitag versuchte eine Gruppe von etwa 50 jungen Royalisten in unsere Residenz einzudringen, da sie behaupteten vernommen zu haben, dass sich Dr. Gholam Mossadegh bei mir verstecke. Die sofortige Reaktion unserer Wache und das überaus prompte Eingreifen der Polizei und der Armee haben jeden ernsten Zwischenfall verhindert und ich bin eine Stunde später von einem höheren Beamten des Hofes angerufen worden, der sich in aller Form bei mir entschuldigte und mich bat, das ganze als ein «excès de zèle» einiger junger Royalisten zu betrachten.
Auf Samstagmorgen waren wir ursprünglich auf das Aussenministerium gebeten worden, um General Zahedi vorgestellt zu werden. Im letzten Moment wurden wir auf den Flugplatz umdirigiert, wo der Schah kurz nach 11 Uhr im eigenen Flugzeug von Bagdad herkommend, eintraf.
Und die Bilanz? Die Gefahr einer Diktatur Mossadeghs, der das Land bis auf Haaresbreite nahe gekommen war, dürfte menschlichem Ermessen nach endgültig erledigt sein. Die Tudeh-Partei hat eine schwere Schlappe erlitten und dürfte bis auf weiteres alles Interesse daran haben, sich still zu verhalten. Das bedeutet aber keineswegs ihre endgültige Ausschaltung und je nach Entwicklung der Dinge ist mit einem Wiederauftreten der Kommunisten in mehr oder weniger langer Frist zu rechnen. Der Schah ist nicht nur zurückgekehrt, sondern geht ausgesprochen gestärkt aus der Krise hervor. Ob es ihm gelingen wird positive Erfolge daraus zu ziehen, muss abgewartet werden. Es wäre zu wünschen, dass der Souverän in Zukunft eine etwas energischere Haltung zeigen würde, selbst wenn er dabei einige Konzessionen an seine für einen asiatischen Herrscher etwas übertrieben entwickelte Verfassungstreue machen müsste.
Mehr ist bei diesem unerwartet glücklichen Ausgang der Krise nicht gewonnen und alle politischen und wirtschaftlichen Probleme mit denen Mossadegh nicht fertig werden konnte, bestehen weiter. Von den neuen Leuten, denen im ganzen ein guter Ruf vorausgeht und die rein sachlich besser qualifiziert sein dürften als mancher der Lakaien Mossadeghs, darf zum mindesten erwartet werden, dass sie eine sachliche und nicht ressentimentgeladene Politik verfolgen werden.
Laut einer in den Zeitungen von heute morgen erschienenen provisorischen Liste, deren Richtigkeit ich nicht für erwiesen halte, soll sich das neue Kabinett wie folgt zusammensetzen:
Dr. Ali Amini, Ministre des Finances,
M. Ali-Asghar Hekmatt, Ministre d’Etat,
Ing. Meykadeh, Ministre des Voies et Communications,
M. Ahmad-Hossein Adle, Ministre de l’Agriculture,
Dr. Djahanchah Saleh, Ministre de la Santé Publique,
M. Abol-Ghassem Panahi, Minstre du Travail,
Dr. Sadigh, Ministre de l’Education Nationale,
Général Farzanedan, Sous-Secrétaire d’Etat aux PTT,
Général Vossough, Ministre de la Défense Nationale,
Général Mohammad-Hossein Djahanbani, Sous-Secrétaire d’Etat à l’intérieur,
M. Meftah, Sous-Secrétaire d’Etat aux affaires étrangères,
M. Sourouri, Ministre de la Justice,
Dr. Djamchid Mofakham, Ministre de l’Economie Nationale.
Das Aussenministerium ist Entezam angeboten worden, doch hat er es abgelehnt, da er vorzieht im Ausland – das bedeutet wohl bei den Vereinigten Nationen in New-York – zu bleiben.
Unter den höheren Beamten in Teheran und den Diplomaten im Ausland treten zahlreiche Änderungen ein. Der amtierende Hofminister Amini, der vor einer Woche durch Mossadegh verhaftet worden war, hat seine Freilassung durch einen wenig würdigen Brief erkauft, in dem er den Schah angriff; seine Karriere dürfte damit endgültig ruiniert sein. Er ist von den Royalisten wieder in Haft gesetzt worden. Die mit Mossadegh eng verbunden gewesenen Botschafter in Paris, Washington und Brüssel haben bereits demissioniert. Demjenigen in Bagdad, der den Schah auf Befehl Mossadeghs bei seiner ersten Durchreise nicht empfing, dürfte sein Verhalten ebenfalls seine Stelle kosten. Meines Erachtens dürfte auch Nawab seinen Posten in Bern nicht antreten können; aus Kreisen des Hofes verlautet das Gerücht, dass Forouhar erneut zum Gesandten in Bern ernannt werden könnte.
- 1
- E 2300(-)-/9001/455.↩
- 3
- Über die Politik von M. Mossadegh vgl. DDS, Bd. 18, Dok. 100, dodis.ch/7201(dodis.ch/7201). Vgl. auch den politischen Brief von P. A. von Salis vom 18. Juli 1951 an M. Petitpierre, E 2300(-)-/ 9001/350 (dodis.ch/8433).↩