Heeresteile oder zur Klärung des Rechtszustands der schiffbaren Flüsse in Kriegszeiten.
Abgedruckt in
Die Schweiz und die Konstruktion des Multilateralismus, Bd. 1. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte des Internationalismus 1863–1914, Bd. 13, Dok. 37
volume linkBern 2023
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E2001A#1000/45#561* | |
Dossiertitel | Nr. 472. Allgemeines (1908–1910) | |
Aktenzeichen Archiv | B.231-2 |
dodis.ch/63161Der schweizerische Delegierte an der II. Friedenskonferenz in Den Haag, Huber, an den Vorsteher des Politischen Departements, Bundespräsident Brenner1
[Einschätzung der Botschaft des Bundesrats über Friedenskonferenz in Den Haag]
Im Besitze Ihrer geschätzten Zuschrift von gestern2 beeile ich mich Ihnen für die gütige Zustellung der bundesrätlichen Botschaft über die II. Friedenskonferenz3 verbindlich zu danken und Ihnen die Beilage wieder zuzustellen.
Ich habe den sehr luciden und übersichtlichen Bericht durchgelesen und wüsste nicht, in welchem Punkte eine Änderung oder Ergänzung wünschbar wäre. Es könnte höchstens auffallen, dass über die verschiedene Stellung zum Princip der Gleichheit der Staaten in der Frage der Besetzung der «Cour de justice arbitrale» und derjenigen des internationalen Prisengerichts nichts gesagt ist. Es lassen sich hiefür ja überzeugende Gründe beibringen.
Seit dem Abschluss der Verhandlungen im Haag4 bin ich bei Gelegenheit völkerrechtlicher Studien auf Fragen gestossen, die seinerzeit wohl hätten zur Sprache gebracht werden können und die, weil unter Umständen von Interesse für die Schweiz, von der Eidgenossenschaft bei einer späteren Gelegenheit zur Diskussion gestellt werden könnten. In Bezug auf die Internierungen übertretender Heeresteile fehlt es z. B. an einer Bestimmung darüber, ob, bezw. unter welchen Umständen der Neutrale sich der Internierten wieder entledigen kann.
Aus Analogie zur Genferkonvention für den Seekrieg5 und aus allgemeinen neutralitätsrechtlichen Erwägungen ist anzunehmen, dass eine Abschiebung nur im Einverständnis mit beiden Kriegsparteien, jedenfalls mit dem Gegner der Internierten möglich ist. Da die Einwilligung des letztern unter Umständen schwer zu erhalten sein wird, eine sich sehr lange ausdehnende Internierung aber für den Neutralen mit beträchtlichen Unzukömmlichkeiten verbunden sein kann, wären Bestimmungen über die Möglichkeit der Beendigung der Internierung nicht ohne Wert für die Schweiz.
Ein weiterer Punkt betrifft die Anwendung des Landkriegsrechts auf den Binnengewässern. Es wurde zwar im Haag diese Frage gesprächsweise berührt und, wie ich auch annahm, dahin beantwortet, dass das Landkriegsrecht zur Anwendung komme. Die kleine Schrift von Rettich,6 eines angesehenen völkerrechtlichen Schriftstellers, die ich Ihnen zur Einsicht beilege,7 hat in mir einigen Zweifel über das geltende Recht [hervor] gerufen. Insbesonders für den Fall, dass der Rhein wieder mehr für die Zufuhr wichtiger Rohprodukte in die Schweiz in Betracht kommen sollte, wäre die Klärung des Rechtszustandes der schiffbaren Flüsse in Kriegszeiten nicht bedeutungslos.
- 1
- CH-BAR#E2001A#1000/45#561* (B.231-2). Dieses, an den Vorsteher des Politischen Departements, Bundespräsident Ernst Brenner, gerichtete Schreiben wurde vom schweizerischen Delegierten an der II. Friedenskonferenz in Den Haag 1907, Max Huber, verfasst und unterzeichnet.↩
- 2
- Schreiben des Politischen Departements an den Delegierten Huber vom 28. Oktober 1908, CH-BAR#E2001A#1000/45#561* (B.231-2).↩
- 3
- Für die definitive Fassung der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Ergebnisse der im Jahre 1907 im Haag abgehaltenen zweiten internationalen Friedenskonferenz vom 28. Dezember 1908 vgl. dodis.ch/65055.↩
- 4
- Vgl. dazu den Schlussbericht der schweizerischen Delegation an der II. Friedenskonferenz in Den Haag vom November 1907, dodis.ch/65103.↩
- 5
- Gemeint ist das Abkommen betreffend die Anwendung der Grundsätze des Genfer Abkommens auf den Seekrieg vom 18. Oktober 1907, dodis.ch/65069. Vgl. dazu DDS, Bd. 5, Dok. 198, dodis.ch/43053.↩
- 6
- Heinrich Rettich.↩
- 7
- Beilage nicht ermittelt.↩
Tags
Haager Friedenskonferenzen (1899 und 1907)
Multilaterale Beziehungen Völkerrechtliche Fragen