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Archive | Archiv Ministerstva zahraničních věcí České republiky, Prague |
Archival classification | CZ-AMZV Teritoriální odbory – obyčejné (TO–O) |
Dossier title | Švýcarsko, 1990, č. 108/2001 (1990–1990) |
dodis.ch/57843
Gespräche Präsident Havels mit Bundespräsident Koller1
Protokoll der Besprechung zwischen Delegationen der ČSFR und der Schweiz, geführt von den Präsidenten der ČSFR und der Schweiz V. Havel und A. Koller am 22.11.1990 in Bern
Gespräche zum Thema der europäischen Architektur knüpften an das vorige Treffen der Präsidenten am Gipfeltreffen in Paris an.
Hauptpunkte der Ausführungen von Präsident V. Havel
- – Er hob den hohen Lebensstandard in der Schweiz hervor, bedankte sich für die Hilfe, die die Schweiz ca. 20 000 tschechoslowakischen Flüchtlingen in der Zeit leistete, als sie eine neue Heimat suchen mussten.
- – Die tschechoslowakischen Initiativen und das Interesse an der Herausbildung einer neuen gesamteuropäischen Architektur ergeben sich aus der tschechoslowakischen Lage im Zentrum von Europa. Wir legen Wert auf alle parallel verlaufende Integrationsprozesse und Gruppierungen. Diese einzelnen Prozesse sollten unter dem Dach des KSZE-Prozesse stattfinden. Die Tschechoslowakei bemüht sich auf dem Weg zurück nach Europa Beziehungen im Rahmen von einzelnen Gruppierungen zu knüpfen und zu entwickeln, besonders mit der EG, EFTA, CEI (Zentraleuropäische Initiative) und dem Europarat.
Er hob die positive Rolle des Europarats bei der Verankerung des Menschenrechtsstandards und ihre Bedeutung als Keim eines künftigen konföderierten Europas hervor. Er äusserte die Hoffnung, dass die Tschechoslowakei bald zu einem vollberechtigten Mitglied wird.
- – Ein konföderiertes Europa setzt die Überwindung des Blockdenkens voraus, die Tschechoslowakei beteiligt sich an der Selbstauflösung des Warschauer Pakts, nach der Beseitigung des Vereinten Oberkommandos bleibt noch die formelle Auflösung des Pakts, der lediglich als eine Plattform für die Abrüstungsverhandlungen bestehen bleibt.
Der RGW ist bereits aufgrund künstlicher, unwirtschaftlicher Integration zerfallen.
Er erwähnte die Komplexität der Transformationsprozesse der mittelosteuropäischen Volkswirtschaften in einen Marktmechanismus und auf die Notwendigkeit westlicher Hilfe für die Überbrückung der daraus resultierenden wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten.
- – Er bat um einen kurzfristigen Bankkredit für die Überbrückung der Transformationsschwierigkeiten, hob die guten Perspektiven für die Gründung gemeinsamer Unternehmen hervor.
- – Er bat um Hilfe dabei, Lösungsansätze für den Umgang mit Flüchtlingen im Hinblick auf ihre zu erwartende Emigration aus östlichen Ländern (UdSSR, Rumänien) zu finden.
- – Bezüglich gegenseitiger Beziehungen betonte er, dass keine vom ehemaligen Regime in der Tschechoslowakei herrührenden Barrieren mehr bestehen sollten. Die Beziehungen gewinnen eine neue Qualität, dazu wurden bereits erste Schritte getan: Aufhebung der Visumspflicht, Investitionsschutzabkommen.
- – Er äusserte das Interesse der Tschechoslowakei daran, die föderale Struktur der Schweiz, Formen der Dezentralisierung und gesetzliche Regelungen für das Zusammenleben nationaler Minderheiten kennenzulernen. Diese Erfahrungen wollen wir beim Aufbau einer neuen authentischen Föderation in der Tschechoslowakei nutzen. Bei ausgewogenen gegenseitigen Beziehungen ist es möglich, Einheit in Vielfalt zu finden, und es besteht die Möglichkeit der Beteiligung von Föderationen an grösseren Konföderationen.
Hauptpunkte der Ausführungen von Bundespräsident A. Koller
- – Er wies darauf hin, dass sich die Schweizer Bevölkerung zunehmend darum besorgt zeigt, wie die künftige Stellung der Schweiz im neuen, sich integrierenden Europa aussehen wird. Einerseits wird sie nicht die über 200 Jahre bewährten Institutionen des hochentwickelten Föderalismus und der direkten Demokratie aufgeben, andererseits möchte sie nicht ausserhalb des europäischen Integrationsprozesses bleiben.
- – Die Bundesregierung entschied sich in Fragen der Sicherheit, Menschenrechte und Integration zusammenzuarbeiten.
- – Die Schweiz beschreitet den Weg eines Abkommens über die Schaffung eines europäischen Wirtschaftsraums zwischen der EFTA und der EG, der gerade für die mittelosteuropäischen Staaten bedeutend sein sollte, und zwar parallel zur EG. Als Grundlage für dir Zusammenarbeit mit der EG betrachtet er das Mitbestimmungsprinzip. Nach harten Verhandlungen über das Abkommen hat die Schweiz auf einer Reihe ursprünglich geforderter Ausnahmen verzichtet. Er glaubt, dass das Abkommen bis Ende 1993 in Kraft tritt, zusammen mit dem gemeinsamen Markt der EG. Es gab positive Signale in Paris.
- – Er äusserte seine Überzeugung, dass der Europarat, der in den Schatten der EG getreten ist, durch den Beitritt den Staaten Mittelosteuropas gestärkt wird und an Bedeutung gewinnt. In diesem Zusammenhang wird es nötig sein, eine Veränderung der bestehenden Entscheidungsmechanismen in Betracht zu ziehen, die weniger effektiv sind als jene der EG. In den Fragen der Medien und der Lösungsansätze für das Asylrecht hat der Europarat in den Augen der Schweiz bessere Institute als die EG.
- – Er äusserte seine Befriedigung über die Resultate des Gipfeltreffens der KSZE in Paris und den Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa, an dem sich in Zukunft auch neutrale blockfreie Staaten beteiligen sollten. Er bedankte sich im Namen der Regierung und des Volks für Havels persönlichen Beitrag zur Institutionalisierung des KSZE-Prozesses, den die Schweiz früher unterschätzte.
- – Das Flüchtlingsproblem erwähnte er als Gefahr für Europa und die ganze Welt. Die Schweiz hat pro Einwohner die meisten Flüchtlinge. Die jetzigen internationalen Instrumente, die Flüchtlingskonventionen sind nicht imstande, bei den veränderten politischen Umständen in Europa, die Probleme der Migration aus dem Osten zu lösen. Eine geeignete Plattform für die Suche nach einer gemeinsamen internationalen Lösung könnte der Europarat sein. Die Migration kann vor allem durch Hilfe für die betroffenen Länder verhindert werden.
- – Bezüglich gegenseitiger Beziehungen sprach er die Hoffnung aus, dass der Besuch von V. Havel zur Vertiefung einer erfolgreichen, pragmatischen Zusammenarbeit beitragen wird.
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- CZ-AMZV Teritoriální odbory – obyčejné, Švýcarsko, 1990, č. 108/2001. Diese Notiz wurde am 26. November 1990 per Fax von der Botschaft der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik in Bern an die für die Schweiz zuständige Territorialabteilung 2 des Aussenministeriums in Prag übermittelt. Zum Besuch des tschechoslowaksichen Präsidenten Václav Havel in der Schweiz vgl. auch DDS 1990, Dok. 54, dodis.ch/55850. ↩
Relations to other documents
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