dodis.ch/47968
La Légation d’
Italie à Berne au Département politique
1
Traduction
Bern, 14. Februar 1945
Die Königl. Italienische Gesandtschaft beehrt sich, auf die früheren Verbalnoten Bezug zu nehmen, mit welchen sie zu verschiedenen Malen die Aufmerksamkeit des Hohen Eidgenössischen Politischen Departements auf die Frage des Verkehrs durch die Schweiz zwischen dem besetzten Italien und Deutschland gelenkt hat.
Gestützt auf die ihr von der Königl. Regierung zugekommenen Weisungen gestattet sich die Königl. Gesandtschaft, auf die Angelegenheit zurückzukommen, um hervorzuheben, dass - trotz des von der Schweiz. Regierung gezeigten guten Willens - der Verkehr durch den St. Gotthard zwischen dem besetzten Italien und Deutschland einerseits die Wegnahme italienischer Güter vom nationalen Territorium erleichtert, anderseits die Einfuhr von Material und Waren nach Norditalien erlaubt, die zur Verlängerung des deutschen Widerstandes beitragen. Es ist offensichtlich, dass ein solcher Verkehr schweren Schaden verursacht.
Es ist in dieser Hinsicht zu bemerken, dass - wenn es auch zutrifft, dass der Vertrag vom 13. Oktober 1909 den drei vertragschliessenden Mächten Transiterleichterungen zusichert - es nicht möglich ist, nicht zu erkennen, dass die Lage, von der der Vertrag ausging, heute vollständig geändert ist als Folge des Umstandes, dass sich der Verkehr durch die Schweiz gegenwärtig zwischen Deutschland und einem von Deutschland mit Gewalt besetzten Territorium abspielt, anstatt zwischen Italien und Deutschland.
Der Art. 3 des Vertrages legt fest, dass die Schweiz den Verkehr durch den St. Gotthard gegen jede Unterbrechung sicherstellen wird, aber dass sie dennoch das Recht hat, die erforderlichen Massnahmen zur Wahrung der Neutralität zu treffen. Es ist nun zu bedenken, dass die schweizerische Neutralität, die bis heute mit so grosser Würde von der Bundesregierung verteidigt wurde, durch die Fortsetzung eines Verkehrs blossgestellt wäre, der gegenwärtig nur auf Operationen Bezug hat, die mit der deutschen Kriegstätigkeit auf italienischem Territorium verbunden sind.
Gemäss den von ihrer Regierung erhaltenen Weisungen hat die Königl. Italienische Gesandtschaft somit die Ehre, die Bundesregierung zu ersuchen, jeglichen Verkehr durch den St. Gotthard zwischen Italien und Deutschland vollständig zu unterbinden.
Die Annahme eines solchen Ersuchens durch die schweizerische Regierung in einem Zeitpunkt, in dem die militärischen Ereignisse in eine entscheidende Phase getreten sind, würde den gegenseitigen Interessen der beiden Länder entsprechen und beitragen, die Bande jener Freundschaft enger zu knüpfen, von der die Eidgenossenschaft schon so viele Beweise gegeben hat und für die Italien sehr (vivamente) dankbar ist.
Die Königl. Italienische Gesandtschaft bittet das Hohe Eidgenössische Politische Departement, das fragliche Ersuchen mit seinem gewohnten Geist des Verständnisses prüfen und der Angelegenheit jenen Charakter der Dringlichkeit beimessen zu wollen, den die Umstände erfordern.