Classement thématique série 1848–1945:
III. RELATIONS ÉCONOMIQUES INTERNATIONALES
III.1. ALLEMAGNE
III.1.1. ALLEMAGNE - RELATIONS ÉCONOMIQUES
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 15, Dok. 350
volume linkBern 1992
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001D#1000/1553#6788* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(D)1000/1553 348 | |
Dossiertitel | Erschwerung des Transitverkehrs durch Deutschland (1945–1945) | |
Aktenzeichen Archiv | B.51.14.20.10.5 |
dodis.ch/47954
Herr Gesandter Martiusstellt einleitend einige grundsätzliche Erwägungen zur Diskussion.
In den Handelsvertragsverhandlungen ist es zu grundlegenden Differenzen gekommen, die nur nach Einholung neuer Instruktionen seitens der beiden Regierungen bereinigt werden können. Da ein Junktim zwischen den Fragen der deutschen Lieferungen an die Schweiz und des Transits durch die Schweiz besteht, kann ein Vertrag nicht abgeschlossen werden, ehe die Transitfrage, die aus den Verhandlungen nicht ausgeschaltet werden kann, befriedigend geregelt sein wird. Nach langen Besprechungen hat sich die deutsche Regierung im Frühjahr 1944 damit einverstanden erklärt, den Transit gewisser Waren durch die Schweiz von sich aus zu unterbinden. Später ist die Schweiz dazu übergegangen, einseitig ergänzende Massnahmen zu erlassen. Nach deutscher Auffassung ist das in letzter Zeit angewandte Verfahren nicht mehr tragbar, und es ist daher eine neue Transitregelung zu vereinbaren. Die deutschen Begehren sind im Pro Memoria vom 3. und in der Aufstellung vom 16. Januar enthalten3
. Nur wenn hierüber eine Verständigung erzielt wird, kann deutscherseits auf den lebhaften schweizerischen Wunsch zum baldigen Abschluss eines neuen Wirtschaftsabkommens eingetreten werden.
In formaler Hinsicht sind die folgenden Fragen abzuklären:
1. Welche Bindung kann schweizerischerseits hinsichtlich des Ausmasses der neu einzuführenden Transitregelung eingegangen werden?
Die Aufstellung einer neuen Sperrliste scheint jedenfalls notwendig zu sein, um Missverständnissen, wie sie sich aus der Regelung vom 24. März 1944 ergeben haben, vorzubeugen. Deutscherseits wird die formelle Übergabe einer revidierten Sperrliste beantragt, die so gehalten sein sollte, dass sich die deutsche Regierung damit unter Vorbehalt des grundsätzlichen Standpunktes, dass der Transit durch die Schweiz frei ist, einverstanden erklären könnte.
2. Welches wäre die Dauer dieser Bindung?
Deutscherseits würde Wert darauf gelegt, der Transitregelung mindestens die gleiche Dauer zu Grunde zu legen, wie dem Wirtschaftsabkommen. Nötigenfalls könnten auch die gleichen Kündigungsfristen vorgesehen werden. Es ist namentlich wesentlich, dass über die zeitliche Gültigkeit der Transit Vereinbarung vollkommene Klarheit herrscht.
3. Welches Verfahren würde bei einer Änderung der einzuführenden neuen Transitregelung eingeschlagen werden?
Eine Konsultationspflicht ergibt sich aus den Noten vom 28. Juni 19394, die hierüber folgenden Passus enthalten:
«Das Auswärtige Amt wäre der Schweizerischen Gesandtschaft für eine Bestätigung dankbar, dass die Schweizerische Regierung mit dieser Erklärung einverstanden ist, und dass der Schweizerische Bundesrat auch seinerseits gewillt ist, bei Eintritt eines Kriegsfalles gemeinsam mit der Deutschen Regierung wohlwollend zu prüfen, in welchem Umfange die gegenseitige Versorgung mit lebenswichtigen Gütern sicher gestellt werden kann.»
Dementsprechend sollten Änderungen der Transitordnung nur nach erfolgter Besprechung mit den deutschen Stellen vorgenommen werden. Das bisherige Verfahren, bei dem Neuerungen sehr kurzfristig in Kraft gesetzt wurden, hat zu grossen Unzukömmlichkeiten geführt. Deswegen geht der deutsche Wunsch dahin, allfällige Änderungen so frühzeitig als möglich (14 Tage in voraus) bekanntzugeben.
Zwei Lösungen können ins Auge gefasst werden:
a) Die schweizerischen Behörden verständigen die deutschen Stellen über eine beabsichtigte Änderung und das voraussichtliche Datum des Inkrafttretens. Die Massnahme würde auf diese Weise gegebenenfalls erst wirksam, nachdem den deutschen Stellen Gelegenheit geboten war, sich dazu zu äussern.
b) Die Benachrichtigung erfolgt zwar frühzeitig, doch erst, nachdem die Massnahme bereits beschlossen worden ist. Eine Besprechung mit den deutschen Stellen hätte in diesem Fall nur noch informatorischen Charakter.
Deutscherseits könnte nur das unter Ziffer a) erwähnte Verfahren befriedigen.
Auf keinen Fall sollten Neuerungen so kurzfristig eingeführt werden, dass in Como liegende Waren nicht noch zum Transit unter der im Zeitpunkt des Erlasses bestehenden Ordnung übernommen würden.
Unerlässlich scheint, im Gegensatz zur bisherigen Regelung, jeweilen eine schriftliche Verständigung der Deutschen Gesandtschaft, in der Form eines Schreibens an Herrn Generalkonsul Rüter oder einer Note, zu sein.
Herr Dr. Hohlerwähnt zu den einleitenden Ausführungen des Herrn Gesandten Martius, dass vom Standpunkt des Politischen Departements aus einer Verbindung der Frage der deutschen Lieferungen an die Schweiz mit den schweizerischen Transportleistungen für Deutschland nichts entgegenstehen dürfte, soweit dadurch die grundsätzliche schweizerische Einstellung zum Transitproblem nicht berührt wird.
Zur Frage der deutscherseits erwarteten Bindungen ist allgemein zu erwidern, dass es kaum möglich sein wird, auf die deutschen Vorschläge einzutreten, weil die Massnahmen auf dem Gebiet des Transits mit der schweizerischen Neutralitätspolitik eng verbunden sind, und weil es dem Bundesrat Vorbehalten bleiben muss, die einmal getroffene Regelung jederzeit der veränderten politischen und militärischen Situation anzupassen. Aus diesen Gründen kann die schweizerische Regierung in der Frage des Transits weder mit der einen noch mit der ändern kriegführenden Partei verhandeln oder gar ein Abkommen treffen.
Die bisherige Transitregelung ist in klarer und objektiver Weise aufgestellt worden. Dass sie nicht nur auf rechtlichen Grundlagen, sondern auch auf neutralitätspolitischen Erwägungen beruht, ist schon bei der letzten Besprechung betont worden.
Die unter 1.-3. erörterten Punkte geben Anlass zu den folgenden Bemerkungen:
ad 1. Es scheint nicht notwendig zu sein, eine neue Sperrliste aufzustellen. Wenn aber deutscherseits daran festgehalten würde, so könnte nur die heute bestehende Regelung zum Ausgangspunkt für eine neue Liste gewählt werden. Bei der Übergabe einer neuen Liste hätte es schweizerischerseits nach wie vor die Meinung, dass nötigenfalls die darin dargestellte Regelung vom Bundesrat geändert werden könnte.
ad 2. Über die Dauer der Transitordnung kann kaum eine Bindung eingegangen werden. Gegenwärtig besteht kein Grund zu einer Erweiterung, und die heutige Ordnung wird voraussichtlich so lange unverändert bleiben, als sich die allgemeine, insbesondere die politische und militärische Lage nicht ändert. Wie bis anhin wird die Schweiz im Falle notwendig werdender Änderungen die deutschen Interessen so weitgehend als möglich berücksichtigen.
Herrn Schnurre bleibe es unbenommen, die Frage, ob die Dauer der Transitregelung mit derjenigen des Wirtschaftsabkommens in Übereinstimmung gebracht werden könnte, Herrn Minister Stucki zu unterbreiten.
(U.E. würde ein Eintreten auf den deutschen Vorschlag dem Bundesrat die Möglichkeit nehmen, innert nützlicher Frist allfällige Änderungen der Transitregelung anzuordnen.)
ad 3. Die deutscherseits erwähnte dauernde Konsultationspflicht können wir aus den Noten vom 28. Juni 1939 nicht ableiten. In diesen Noten heisst es, der schweizerische Bundesrat werde mit der deutschen Regierung «bei Eintritt eines Kriegsfalles» prüfen etc., was wohl so zu verstehen ist, dass sich die beiden Parteien vor dem Ausbruch von Feindseligkeiten über die Behandlung der Transitfragen ins Einvernehmen setzen.
(Aus der Entwicklung der 1938 und 1939 mit Deutschland geführten Besprechungen und aus der zu den Noten gehörigen Erklärung geht übrigens hervor, dass die «gemeinsame Prüfung» nur für Fragen der gegenseitigen Versorgung mit lebenswichtigen Gütern vorgesehen ist, nicht aber für Fragen des Durchgangsverkehrs.)
In den der Regelung von März v.J. vorausgegangenen Besprechungen ist schweizerischerseits Wert darauf gelegt worden, den deutschen Standpunkt kennen zu lernen, doch hat nie ein Zweifel darüber aufkommen können, dass die schweizerischen Massnahmen jeweilen vom Bundesrat unabhängig nach den Richtlinien seiner Neutralitätspolitik zu treffen sind.
Von den ins Auge gefassten Lösungen kann schweizerischerseits nur die unter Ziffer b) dargelegte in Frage kommen.
Dabei liesse es sich danken, dass Herr Rüter, wie zuweilen bisher, im voraus darauf aufmerksam gemacht werden könnte, dass z. B. eine gewisse Ware in aussergewöhnlichen Mengen angeliefert wird, und dass sich die Schweiz veranlasst sähe, deren Transit einzuschränken, falls nicht deutscherseits entsprechende Massnahmen ergriffen würden. Indessen soll hier einem Entscheid des Herrn Minister Stucki in dieser Frage sowie darüber, ob bei der Bekanntgabe einer neuen Massnahme eine bestimmte Frist für deren Inkraftsetzung (z.B. jeweils 8 Tage) eingehalten werden könne, nicht vorgegriffen werden.
(Wir sind der Auffassung, dass auf diese beiden Begehren eingetreten werden könnte. Hinsichtlich der Frist dürfte man sich deutscherseits mit 8 oder höchstens 10, statt der beantragten 14 Tage, zufrieden geben.)
Der Vorschlag des Herrn Gesandten Martius betreffend die Annahme zum Transit von allfällig beim Erlass neuer Massnahmen bereits in Como liegender Güter wird zur Prüfung entgegengenommen.
(Einer zustimmenden Antwort steht nichts entgegen.)
Die schriftliche Bekanntgabe ergänzender Massnahmen an die Deutsche Gesandtschaft wird ohne Schwierigkeiten möglich sein.
Nach dieser Klärung der grundsätzlichen und formalen Seiten des Problems geht
Herr Gesandter Martiuszur materiellen Behandlung der deutschen Begehren über.
In erster Linie wünscht Deutschland die Wiederherstellung eines Eisenkontingents und die freie Durchfuhr gewisser Eisenwaren, die nur zivile Verwendung finden können. In der Richtung Norden-Süden geht Schrott nach Italien, das in verarbeiteter Form doch wieder zum Transit nach Deutschland zugelassen werden sollte.
Sodann wird eine Erhöhung des Getreidekontingents, insbesondere für Reis, angestrebt. Tatsächlich besteht in Italien ein Reisüberschuss. Mit der Beschaffung dieses Reises haben die militärischen Stellen nichts zu tun, sondern sie erfolgt, laut einem eben eingegangenen, Herrn Gesandten Martius während der Sitzung überbrachten Bericht des Reichs-Ernährungsministeriums, ausschliesslich auf Grund zwischenstaatlicher Abmachungen und zum Teil gegen deutsche Gegenleistungen in der Form von Getreide, das zwar nicht immer auf dem Weg über die Schweiz nach Italien geführt wird. Die Freiheit des Lebensmitteltransits ist übrigens bei früheren Besprechungen schweizerischerseits stark hervorgehoben worden.
Sollte dem deutschen Wunsch hinsichtlich des Eisens nicht Folge gegeben werden, so könnte eine Beibehaltung der Transitmengen der letzten Monate, oder des Dezembers, nur durch die Einräumung eines erhöhten Reiskontingents erwirkt werden.
Herr Dr. Hohl: Die Schweiz steht in der Transitfrage zwei kriegführenden Parteien gegenüber. Sie trifft ihre Massnahmen nach bestem Wissen und Gewissen und kann sie, nachdem sie einmal erlassen worden sind, kaum mehr rückgängig machen, es sei denn, dass deren Voraussetzungen sich ändern würden.
Die Gründe, die zur Unterbindung der Eisendurchfuhr geführt haben, sind wiederholt dargelegt worden. Auch ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden, dass für den Eisensektor anfänglich eine Ausnahme zugestanden worden sei, um Härten zu vermeiden. Die in der deutschen Aufstellung genannten Waren für den zivilen Bedarf sind gesperrt worden im Hinblick auf das kriegswichtige und daher der Requisition besonders ausgesetzte Rohmaterial (Eisen), aus dem sie hergestellt sind. Eine Unterscheidung nach der Verwendung der Fertigwaren kann nicht gemacht werden, zumal keinerlei Gewähr für die Verarbeitung in Italien des aus Deutschland eingeführten Schrotts in diese Waren besteht.
Die Angaben, die wir aus zuverlässigen Quellen über die Beschaffung von Reis erhalten haben, stimmen mit den Ausführungen des Herrn Gesandten nicht in allen Teilen überein. Durch die Ausrichtung von «Prämien» wird Reis wenigstens zum Teil nicht auf normalem Weg über die «Ente risi», sondern durch deutsche Stellen vom Bauern direkt erworben. Der deutsche Wunsch zur Erhöhung des Reiskontingents kann nur entgegengenommen und an Herrn Minister Stucki weitergegeben werden.
(Angesichts der Umstände, die zur Kontingentierung des Reises geführt haben und nachdem uns nachträglich alliierterseits die völlige Unterbindung der Reistransporte nahegelegt worden ist, scheint ein Eintreten auf das deutsche Begehren nicht möglich zu sein.)
Schweizerischerseits hat nie die Absicht bestanden, eine globale Kontingentierung zu treffen, und es können umgekehrt auch nicht Massnahmen rückgängig gemacht werden, um den globalen Verkehr auf der Höhe einer vorangegangenen Periode (z. B. des Monats Dezember) zu erhalten. Aus grundsätzlichen Erwägungen heraus dürfte es auch nicht angehen, auf die übrigen deutschen Wünsche (Zulassung von Cellophan, Bakelit, Dachpappe etc.) einzutreten.
Herr Gesandter Martiusstellt fest, dass schweizerischerseits, vorbehältlich der in Aussicht genommenen Besprechung zwischen den Herren Minister Stucki und Schnurre, nur die Bereitwilligkeit besteht, auf formaler Seite ein Entgegenkommen zu zeigen, indem eine neue Liste übergeben und die Deutsche Gesandtschaft von jeweiligen Ergänzungen schriftlich verständigt würde. Die schweizerischen Erwägungen neutralitätspolitischer Natur können auf der deutschen Seite nicht in ganzem Umfang anerkannt werden. Es ist zu befürchten, dass auf der sich abzeichnenden Grundlage der Abschluss eines Wirtschaftsabkommens nicht möglich sein wird. Ein negativer Ausgang dieser Verhandlungen könnte auch den schweizerischen Transit durch Deutschland im Verkehr mit Schweden nicht unberührt lassen.
Herr Dr. Hohl: Die bestehende Transitregelung bietet Deutschland noch grosse Vorteile, insbesondere in der Richtung Norden-Süden. Die einschränkenden Massnahmen lassen sich nur aus der besonderen Lage der Schweiz erklären, und es fällt nicht leicht die Erwägungen, die ihnen zu Grunde liegen, sowohl der einen als der ändern kriegführenden Partei verständlich zu machen. Vertragliche Verpflichtungen binden stets beide Vertragspartner, und sie können daher nicht einseitig aufgelöst werden. Wie sollte die Schweiz die bisherige Haltung beibehalten können, wenn Deutschland zu Repressalien schritte? Der Bundesrat hat es bis anhin abgelehnt, sich in seinen neutralitätspolitischen Massnahmen von opportunistischen Erwägungen leiten zu lassen, und er wird in der Behandlung des Transitproblems auch jetzt nicht von dieser grundsätzlichen Einstellung abweichen.
- 1
- Notice rédigée par O. Schneider, du DPF, le 29 janvier. Cf. aussi E 7110/1973/134/1.↩
- 2
- E 2001 (D) 3/348. Paraphe: DN.↩
- 3
- E 2801/1967/77/2.Cf. aussi E 7800/1/16.↩
- 4
- DDS, vol. 13, doc. 110, dodis.ch/46867.↩
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