Classement thématique série 1848–1945:
III. RELATIONS ÉCONOMIQUES INTERNATIONALES
III.1. ALLEMAGNE
III.1.2. RELATIONS FINANCIÈRES AVEC L’ALLEMAGNE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 181
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7110-01#1973/134#26* | |
Old classification | CH-BAR E 7110-01(-)1973/134 3 | |
Dossier title | Goldverkehr der Schweiz mit Achsenmächten: Warnung der Alliierten an die neutralen Staaten bezüglich Goldhandel mit Achsenmächten 1944; Reaktion der Schweiz auf diese Warnung (1944–1945) | |
File reference archive | 224 |
dodis.ch/47785 Le Professeur de Droit à 1’Université de Zurich, D. Schindler, à la Direction générale de la Banque nationale1
Hiemit beehre ich mich, Ihnen im folgenden das Ergebnis einer ersten Prüfung der Rechtsfragen zu unterbreiten, die durch die Warnung der alliierten Grossmächte an die Neutralen mit Bezug auf den Goldverkehr zwischen diesen und den Achsenmächten aufgeworfen worden sind. Ich folge dabei im grossen und ganzen dem Fragebogen2, der mir anlässlich der Besprechung vom 12. ds. übergeben worden ist; soweit es mir zweckmässig schien, glaubte ich, davon abweichen zu dürfen.
I. Das anwendbare Recht
Die Rechte der Okkupationsmacht auf besetztem feindlichem Gebiet sind geregelt durch Art. 42 ff der Anlage zum Haager Abkommen betr. die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (Landkriegsordnung) vom 18. Oktober 1907. Von den im vorliegenden Fall hauptsächlich in Betracht kommenden Staaten sind nach der letzten in der amtlichen eidg. Gesetzsammlung (1935) veröffentlichten Aufstellung (A.S. 51, 724/5) Vertragsparteien des Landkriegsabkommens: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Japan, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Polen, Schweiz, Ungarn, Vereinigte Staaten von Amerika. Russland figuriert nicht auf der Liste. Jedoch ist im offiziellen Kommentar zu den «Staatsverträgen über Landkrieg und Neutralität», den der Unterzeichnete 1939 zu bearbeiten hatte, auf Grund der damaligen Angaben der Bundeskanzlei die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken als Vertragspartei bezeichnet. [...]
Die notwendigerweise sehr summarischen Ausführungen unter A und B zeigen, dass die Abgrenzung der zulässigen von den unzulässigen Massnahmen der Okkupationsmacht schwierig ist. Zu dem Gesagten kommt hinzu, dass das an sich schon unsichere Recht durchbrochen werden kann unter Berufung auf das Recht der Repressalie, das, abgesehen von LKO Art. 50, keine vertragliche Regelung gefunden hat, aber nichtsdestoweniger besteht. Nicht ausgeschlossen wäre es, dass in Ausübung des Repressalienrechts Gold beschlagnahmt würde. Nur auf Grund genauer Kenntnis konkreter Einzelfälle könnte daher ein begründeter Entscheid über Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Einziehung von Gold getroffen werden. Die grossen Linien stehen immerhin fest: einerseits grundsätzlicher Schutz des Privateigentums, anderseits grundsätzliche Geltung des Beuterechts gegenüber den in Art. 53 genannten Bestandteilen des Staatseigentums.
[...]
IV. Die Bedeutung der « Warnung» der alliierten Staaten
Einen historischen Präzedenzfall bildet eine französische Note vom März 1917 über welche Garner (Band II. S. 131) berichtet: «The French government in a protest addressed in March, 1917, to the neutral powers against various acts of German barbarism and vandalism referred to the pillage of various French banks and urged them to warn their banks against dealing in securities taken from such banks». Der Fall lag insofern einfacher, als es sich um leicht identifizierbare Wertschriften, nicht um Gold handelte.
Es soll hier keine Analyse der neuesten Warnungen der Alliierten geboten werden. Es seien lediglich folgende wesentliche Punkte festgehalten:
1. Die Warnung bezieht sich nur auf Entzug von Eigentum von «countries and peoples who have been so wantonly assaulted and despoiled». Die Konfiskation jüdischer Vermögen in Deutschland fällt also nicht unter die durch die Warnung verpönten Massnahmen.
2. Die Warnung braucht den Ausdruck «looted gold», «looted currencies» usw. Man denkt dabei zuerst an eine Wegnahme, die im Widerspruch mit der LKO steht, vor allem weil auch Ausdrücke wie «illegal seizure» Vorkommen. Aber sicher ist das keineswegs. Es kann auch jede Wegnahme infolge der kriegerischen Besetzung gemeint sein. Dafür spricht z. B. die eingangs Gebrauchte, ganz allgemeine Wendung «methods of dispossession». Auch die Wortbedeutung spricht dafür, dass legale und illegale Beschlagnahmungen gemeint sind. Der «Concise Oxford Dictionary» gibt folgende Erklärung des Wortes: «loot, n. & v.t. & i. Goods taken from enemy, spoil, booty; illicit gains made by official. (Vb) plunder, sack, (city & c., or abs); carry off as booty».
Der Ausdruck «looted» bietet den Alliierten wohl die Möglichkeit, später je nach Gutfinden den Begriff im engeren Sinn (als rechtswidrige Aneignung) oder im weiteren Sinn zu verwenden.
3. Die einschneidendste Bestimmung der Warnung dürfte in folgender Stelle liegen: «In view of the foregoing facts and considerations, the United States Government formally declares that it does not and will not recognize the transference of title to the looted gold which the Axis at any time holds or has disposed of in world markets». Das scheint sich, im Gegensatz zu der darauf folgenden Stelle, sogar auf die Vergangenheit zu beziehen. Die Alliierten, die solche Übertragungen nicht anerkennen, wären wohl auch bereit, Erstattungsansprüche der ursprünglichen Eigentümer zu unterstützen.
4. Die weiteren Ausführungen über die zu befolgende Ankaufspraxis betreffen die Beziehungen zwischen den Alliierten und den gewarnten Neutralen; über das Schicksal des im Widerspruch dazu durch Neutrale erworbenen Goldes der Achsenmächte wird nichts gesagt. Es gilt aber wohl das unter 3) Ausgeführte.
5. Eine unmittelbare Wirkung der alliierten Warnung liegt in der Zerstörung des guten Glaubens der Neutralen beim Erwerb von Gold durch die Achsenmächte. Dass dies für den Moment der Hauptzweck ist, ergibt sich aus dem Kommentar der «Times»: «The onus of proof of title is now placed on any neutral sellers of gold». Die Neutralen sollen offenbar darauf hingewiesen werden, dass sie, um Ausdrücke des Bundesgerichts zu gebrauchen (sh. oben), nach den Umständen zu Verdacht Anlass haben müssten. Deshalb liegt das Interesse der Neutralen darin, durch entsprechende Erklärungen der Achsenmächte den guten Glauben wieder herzustellen.
6. In den neuesten Wirtschaftsverhandlungen ist der Schweiz die Zumutung gemacht worden, jeden Goldverkehr mit Deutschland zu unterbinden. Ein Unterschied, ob Deutschland das Gold rechtmässig besitzt oder nicht, wird nicht gemacht. Die bisher erörterten Rechtsfragen spielen dabei keine oder eine untergeordnete Rolle. Wohl aber wird durch eine solche Forderung die Neutralitätspolitik der Schweiz berührt.
Nun gibt es für die Wirtschaftspolitik eines neutralen Staates keine geschriebenen Rechtsregeln. Wohl aber wird der neutrale Staat danach trachten müssen, beide Parteien grundsätzlich gleich zu behandeln. Wenn er von der einen Partei Gold entgegennimmt, wird er der ändern die Abnahme von Gold nicht verweigern können. Allerdings wird hier ein gerade im vorliegenden Fall wesentlicher Punkt nicht übersehen werden dürfen. Die Gleichheit besteht nicht darin, dass dem einen und anderen das Metall Gold abgenommen wird. Die Pflicht zur Gleichbehandlung kann für den Neutralen jedenfalls nur dann bestehen, wenn das am Gold übertragene Recht seitens des einen und ändern das gleiche ist. Wenn der eine Gold überträgt, gegenüber welchem aller Voraussicht nach keine Vindikation erfolgen wird, während der andere Gold offeriert, das möglicherweise entwehrt werden wird (analog zu OR Art. 192 ff), so braucht der Neutrale diesen Unterschied nicht zu ignorieren. Der heikle Punkt liegt allerdings darin, dass eine eventuelle Entwehrung des vom Deutschland übernommen Goldes nur stattfinden kann, wenn die Alliierten siegen. Die Geltendmachung dieses Standpunktes scheint also einen bestimmten Kriegsausgang vorweg zu nehmen. Allein, das ist nicht notwendig der Fall. Der Neutrale braucht nur die gleichen Vorsichtsmassnahmen gegenüber beiden Kriegführenden zu treffen und von beiden bei der Annahme von Gold die oben S. 22 skizzierte Erklärung zu verlangen3. Die Alliierten, die die Schweiz durch ihre «Warnung» zu einer solchen Massnahme gegenüber Deutschland veranlassen, werden sich nicht beschweren können, wenn sie aus Gründen der Neutralität auch ihnen gegenüber zur Anwendung kommt.
Allerdings ist die grundsätzliche Einstellung des Goldverkehrs mit der einen Partei unter Aufrechterhaltung des Goldverkehrs mit der ändern mit einer neutralen Wirtschaftspolitik kaum vereinbar. Man könnte sich zwar auf den Standpunkt stellen, dass es im wirtschaftlichen Bereich überhaupt keine Neutralitätspflichten gebe. Was aber auch theoretisch zugunsten dieses Standpunktes vorgebracht werden kann, seine praktische Durchführung scheitert daran, dass er von dem benachteiligten Kriegführenden nicht anerkannt werden wird.
Das vorliegende Gutachten ist, wie eingangs gesagt wurde, das Ergebnis einer ersten Prüfung der aufgeworfenen Rechtsfragen. Trotz der kurzen für die Ausarbeitung zur Verfügung stehenden Zeit, glaubte ich, es jetzt erstatten zu sollen, da ich in den nächsten sechs Wochen nicht in der Lage sein werde, mich eingehend mit den Fragen zu befassen.
Mit Absicht ist auf die Problematik der Rechtslage hingewiesen worden. Ein Exposé zur Verteidigung des schweizerischen Standpunktes gegenüber dem Ausland wäre natürlich anders abzufassen. Bevor aber ein bestimmter Standpunkt eingenommen und gegebenen Falls verteidigt wird, ist es nützlich, die Stärke oder Schwäche der eigenen Position zu kennen4.
- 1
- Rapport (Copie): E 7110/1973/134/3.↩
- 2
- Non retrouvée.↩
- 3
- A la page 22 de son expertise juridique, D. Schindler écrit notamment: Jedoch besteht die Möglichkeit, sich gegen den Vorwurf des bösgläubigen Erwerbs zu schützen. Sie läge darin, dass bei der Übernahme von Gold von Seiten der Achsenmächte eine ausdrückliche Erklärung verlangt würde des Inhalts, dass das Gold nicht im Widerspruch zu völkerrechtlichen Grundsätzen, insbesondere den in der Haager LKO enthaltenen Bestimmungen, erworben wurde. An Stelle dieser Erklärung könnte natürlich auch eine solche treten, aus der sich positiv ergibt, dass das Gold aus einer völkerrechtlich unanfechtbaren Quelle (z.B. aus Vorkriegsbeständen der Reichsbank) stammt.↩
- 4
- Sur la même question, cf. expertises du 28 mars 1946 et du 18 avril 1946 de G. Sauser-Hall, Professeur de Droit international aux Universités de Genève et de Neuchâtel (E 2800/1967/ 61/79 et E 6100 (A) 25/2326).↩
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