Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
II.15. ITALIE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 87
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1000/1572#302* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1000/1572 39 | |
Dossier title | Handelsbeziehungen mit der ital. republikanisch-sozialistischen Regierung. (Mussolini) (1944–1945) | |
File reference archive | C.43.111.1 • Additional component: Italien |
dodis.ch/47691
Nach der Zweiteilung der Regierungsgewalt in Italien haben wir bekanntlich, unter Vorbehalt des Gegenrechtes, der sog. neo-faschistischen Regierung in Oberitalien die Entsendung eines de facto-Vertreters nach der Schweiz mit dem Titel «Délégué commercial» zugestanden2.
Der neo-faschistische Vertreter ist im vergangenen Monat in der Schweiz eingetroffen. Nach einer ersten Fühlungnahme mit der Abteilung für Auswärtiges und der Handelsabteilung kehrte er zur Einholung von Instruktionen nach Italien zurück, um alsdann konkrete Vorschläge betreffend Wiederaufnahme des Warenaustausches unterbreiten zu können.
Angesichts der unabgeklärten Machtverhältnisse in Oberitalien haben wir es bis anhin vorgezogen, von dem vorbehaltenen Gegenrecht keinen Gebrauch zu machen. Die Frage der Entsendung eines schweizerischen de facto-Vertreters zu der neo-faschistischen Regierung ist nun aber ohne unser Hinzutun in ein akutes Stadium getreten, nachdem kürzlich seitens dieser Regierungsbehörden Massnahmen ergriffen worden sind, welche die schweizerischen Interessen in Oberitalien ernsthaft gefährden und sowohl bei den dortigen Schweizerkolonien als auch in den interessierten Industrie- und Finanzkreisen der Schweiz begreifliche Beunruhigung hervorgerufen haben.
1. Laut Bericht unserer Gesandtschaft3 in Rom hat das neo-faschistische Finanz-Ministerium als Antwort auf die Blockierung italienischer Guthaben im Ausland die entsprechenden ausländischen und insbesondere auch die schweizerischen Guthaben in Italien gesperrt. Als Folge dieser Massnahme können nicht nur die in der Schweiz domizilierten Gläubiger, sondern auch die in Italien lebenden Landsleute nicht mehr über ihre Guthaben bei italienischen Kreditinstituten verfügen, ganz abgesehen davon, ob dieselben kraft bisheriger italienischer Devisengesetzgebung frei oder gesperrt sind.
2. Durch einen Beschluss vom 13. Januar d.J. hat die neo-faschistische Regierung ausserdem im Prinzip die Sozialisierung der bedeutenderen industriellen Unternehmen Italiens angeordnet. Insbesondere sollen alle diejenigen Betriebe, die für die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit des Staates lebenswichtig sind, Rohprodukte fördern oder elektrische Energie erzeugen, inskünftig direkt der staatlichen Verwaltung unterstellt werden. Das Kapital solcher Unternehmen wurde einem besondern offiziellen Organ, dem «Istituto di Gestione e Finanziamento», anvertraut, wobei die bisherigen Aktionäre als Entgelt Titel dieses Verwaltungsinstituts erhielten.
Diejenigen Unternehmen, die nicht unter direkte staatliche Verwaltung kämen, könnten in privatem Eigentum verbleiben, wobei sich jedoch der Staat vorbehält, sich am Kapital zu beteiligen. Ausserdem müssten Vertreter der Arbeitnehmer in den Verwaltungsrat aufgenommen werden, im gleichen Stärkeverhältnis wie die Vertretung der Aktionäre, während für Einzelfirmen die Bestellung von Arbeiterräten vorgesehen ist.
Wiewohl es anfänglich schien, dass es nicht zur Ausführung des gefassten Beschlusses kommen wird, weil einerseits die Arbeiterschaft selbst dagegen ablehnend Stellung bezog, und andererseits die deutschen Besetzungsbehörden mit Rücksicht auf die Erhaltung der Produktion einer überstürzten Sozialisierung nicht gewogen schienen, erliess der neo-faschistische Ministerrat dieser Tage ein Ausführungsdekret, nach welchem die betroffenen Unternehmen bis zum 30. Juni d.J. ihre Statuten den neuen Vorschriften anzupassen haben.
Angesichts der auf dem Spiel stehenden schweizerischen Interessen erscheint es unumgänglich, bei der neo-faschistischen Regierung in Oberitalien alle erforderlichen Schritte zur Wahrung derselben zu unternehmen.
Hinsichtlich der verfügten Sperre sämtlicher schweizerischer Guthaben sollte es gelingen, zum status quo ante zu gelangen, wenn man den kompetenten neofaschistischen Stellen Sinn und Zweck der schweizerischerseits am 1. Oktober 19434 verfügten Zahlungssperre auseinanderlegt.
Bedeutend schwieriger wird es sein, etwas gegen die Sozialisierungsmassnahmen auszurichten, denn dieselben richten sich in erster Linie gegen die italienischen Grossindustriellen und treffen die schweizerischen Belange nur als Nebenwirkung. Immerhin darf gehofft werden, es werde wenigstens gelingen, die für schweizerische Unternehmen und solche mit schweizerischer Beteiligung drohenden Verstaatlichungsmassnahmen in nützlichem Ausmasse zu verzögern oder schlimmstenfalls die betroffenen schweizerischen Beteiligungen so zu sichern, dass sie sich bei Eintreten günstigerer Verhältnisse wieder voll auswirken können.
Im Hinblick auf die eventuell notwendig werdende Vertretung unserer wirtschaftlichen Interessen in Oberitalien haben wir nach dem 9. September 1943 den der Gesandtschaft in Rom zugeteilten Handelsattache, Legationssekretär 1. Klasse Dr. Max Troendle, zur allfälligen Verwendung im erwähnten Sinne nach Bern beordert und beabsichtigen nun, den Genannten nach Oberitalien zu delegieren. Hiebei möchten wir aber vorläufig noch davon Umgang nehmen, eine Pendant-Vertretung zum neo-faschistischen Delegierten in der Schweiz zu bestellen und behalten uns vor, diesbezüglich zu einem späteren Zeitpunkt, im Einvernehmen mit dem Eidg. Volkswirtschaftsdepartement, mit einem Antrag an den Bundesrat zu gelangen. Vorderhand wäre Herr Dr. Troendle lediglich zu beauftragen, als bevollmächtigter Delegierter beim neo-faschistischen Finanz-Ministerium in Brescia und allenfalls bei den anderen in Betracht fallenden neo-faschistischen Regierungsstellen vorstellig zu werden, um die durch die vorerwähnten Massnahmen betroffenen schweizerischen Belange im Sinne unserer Ausführungen zu vertreten5.
Demgemäss stellen wir Ihnen den Antrag:
1. Dr. Max Troendle sei zum Delegierten zu bestimmen und
2. es sei von diesem Bericht im Sinne von Instruktionen an den Delegierten in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen6.
- 1
- E 2001 (E) 2/592. Paraphe: TO. Beziehungen mit Norditalien.↩
- 2
- Sur les relations avec le gouvernement de P. Badoglio et celui de B. Mussolini, cf. E 2001 (D) 3/65.Cf. la notice (non reproduite) du 5 février 1944 de R. Kohli sur l’entrée en fonctions du «Délégué commercial du Gouvernement de l’Italie septentrionnale»: le premier entretien entre le représentant du DPF et B. Kiniger a lieu le 3 février dans les locaux du « Vorort» de l’USCI à Zurich. B. Kiniger sera remplacé par E. Toti-Lombardozzi (entré en Suisse le 5 août 1944).↩
- 3
- Non reproduit.↩
- 4
- RO, 1943, vol. 59, pp. 785-788.↩
- 5
- A ce sujet, cf. la lettre (non reproduite) du 15 février 1944 de l’ancien Ministre de Suisse à Rome, Peter Vieli, Directeur général du Crédit Suisse, à Pilet-Golaz: après en avoir discuté avec Troendle le 10 février, il préconise sa nomination afin de défendre plus efficacement les intérêts suisses en Italie. Vieli transmet aussi à Pilet-Golaz une notice de Troendle du 11 février (non reproduite) sur les relations avec l’Italie. Lors de sa séance du 18 février 1944, le Conseil fédéral accepte officiellement la démission de Vieli comme Ministre de Suisse à Rome (PVCF No 323, E 1004.1 1/442).↩
- 6
- Le Conseil fédéral approuve cette proposition lors de sa séance du 25 février 1944 (PVCF No 359, E 1004.1 1/442).. Cf. aussi PVCF No 1044 du 12 juin 1944, E 1004.1 1/446.↩
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