Classement thématique série 1848–1945:
V. POLITIQUE MILITAIRE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 74
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1968/74#1* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1968/74 1 | |
Dossier title | Vorträge von Mitgliedern der Ärztemission an der Ostfront (1943–1945) | |
File reference archive | B.52.11.5.3 |
dodis.ch/47678
Die Deutsche Gesandtschaft beehrt sich, die Aufmerksamkeit des Eidgenössischen Politischen Departements auf folgende Angelegenheit zu lenken:
Der schweizerische Arzt Dr. Bucher aus Luzern, der der ersten schweizerischen Ärztemission an der Ostfront angehört hatte, hält seit einigen Wochen in Zürich and anderen Orten der Schweiz eine Reihe von Vorträgen, in denen er seine angeblichen Erlebnisse in Deutschland und an der Ostfront schildert. Die Vorträge, die in Zürich jeden Dienstag und Freitag im dortigen Volkshaus stattfinden, werden nicht nur von Ärzten, Samaritern und anderen fachlich interessierten Personen sondern auch von weiteren Kreisen des Publikums besucht. Der Andrang zu diesen Veranstaltungen, zu denen zahlreiche schweizerische Organisationen in corpore zur Teilnahme aufgefordert worden sind, soll dermassen gross sein, dass z.B. am 11. Januar nurmehr Karten für einen am 28. Januar statt findenden Vortragsabend erhältlich waren.
Die Veranstaltung der Vorträge durch Dr. Bucher ist zunächst insofern zu beanstanden, als zwischen dem Komitee für Hilfsaktionen unter dem Patronat des Schweizerischen Roten Kreuzes und dem Oberkommando des Heeres, vertreten durch den Deutschen Militärattache in Bern, vor Entsendung der Ärztemission eine ausdrückliche Abmachung getroffen worden ist, wonach alle Teilnehmer der Mission zu strengster Verschwiegenheit über ihre Erlebnisse verpflichtet sind. Die im Rahmen der Mission an die Ostfront entsandten Ärzte, darunter auch Dr. Bucher, haben im Verfolg dieser Abmachung eine schriftliehe Erklärung unterzeichnet, in der sie sich verpflichteten, etwaige Veröffentlichungen in Wort und Schrift, insbesondere Erlebnisberichte, nur nach vorherigem Einverständnis des Oberkommandos des Heeres (Heeressanitätsinspektion) vorzunehmen. Die Zustimmung des Oberkommandos des Heeres ist im vorliegenden Falle nicht eingeholt worden; die öffentliche Bekanntgabe der Beobachtungen durch Dr. Bucher steht daher in offenem Widerspruch mit der von ihm eingegangenen Verschwiegenheitsverpflichtung.
Hiervon abgesehen hat die Gesandtschaft zu ihrem Befremden feststellen müssen, dass Herr Dr. Bucher die von ihm veranstalteten Vorträge benutzt, um eine ausgesprochen politische Hetze gegen deutsche führende Persönlichkeiten und Einrichtungen zu betreiben. So hat Dr. Bucher in seinem Vortrag am 3. Dezember v.J. erklärt, Göring habe durch die Organisation des deutschen Sanitätswesens «eine grosse Tat unter seinen vielen Verbrechen» zustande gebracht. In seinem am 11. Januar d.J. gehaltenen Vortrag griff Dr. Bucher die deutsche politische Führung in gehässigster Weise an und sprach von dem «gottverdammten nationalsozialistischen Regime, dessen Greueltaten seit 1933 eine ununterbrochene Kette bildeten». Die angeführten Äusserungen bilden nur einige Beispiele aus der Reihe der von Dr. Bucher gemachten beschimpfenden Äusserungen.
Der Deutsche Militärattache in Bern hat bereits Veranlassung genommen, wegen dieses Verhaltens des Dr. Bucher bei dem Komitee für Hilfsaktionen unter dem Patronat des Schweizerischen Roten Kreuzes, bei dem Herrn Unterstabschef der Armeekommando-Gruppe Ib und bei dem Leiter der ersten Ärztemission, Herrn Oberst von Wyttenbach, Beschwerde zu führen. Ferner hat das Deutsche Generalkonsulat in Zürich mit Schreiben vom 20. Dezember v.J. und 18. Januar d.J. bei der Polizei des Kantons Zürich gegen die Veranstaltung der Vorträge Verwahrung eingelegt und deren Unterbindung gefordert. Obgleich der Deutsche Generalkonsul in Zürich auch persönlich bei dem Leiter der Polizeidirektion des Kantons Zürich vorstellig geworden ist, haben die Zürcher Behörden jedoch bisher keine Veranlassung genommen, gegen Dr. Bucher einzuschreiten. Die Vorträge werden vielmehr ungehindert fortgesetzt.
Die Deutsche Gesandtschaft sieht sich genötigt, gegen die Hetztätigkeit des Dr. Bucher und gegen ihre Duldung durch die Zürcher Behörden nachdrücklich Verwahrung einzulegen. Sie gibt ihrem starken Befremden darüber Ausdruck, dass einem Mitglied der von dem Komitee für Hilfsaktionen entsandten Ärztemission gestattet wird, unter Bruch der von ihm eingegangenen Verpflichtung und unter Missbrauch des ihm von der Deutschen Regierung gewährten Vertrauens in der Öffentlichkeit über seine Erlebnisse zu berichten und dabei führende Persönlichkeiten des Grossdeutschen Reiches und seiner Einrichtungen in der gehässigsten Weise zu beschimpfen. Die Deutsche Gesandtschaft muss erwarten, dass seitens der Schweizerischen Regierung die erforderlichen Massnahmen getroffen werden, um die Fortsetzung dieser Vorträge unverzüglich zu verhindern und Dr. Bucher für die Beschimpfungen der Deutschen Regierung strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Für eine gefällige Mitteilung über das in dieser Hinsicht Veranlasste wäre die Deutsche Gesandtschaft zu Dank verpflichtet.
Gern benützt die Deutsche Gesandtschaft auch diesen Anlass, dem Eidgenössischen Politischen Departement die Versicherung ihrer ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern2.
- 1
- Note: E 2001 (D) 1968/74/1.↩
- 2
- Le Chef de la Division des Affaires étrangères du Département politique, P. Bonna, adresse le 28 février la notice suivante au Conseiller fédéral Pilet-Golaz: Par sa note du 27 janvier, qui est assez raide, la Légation d’Allemagne demande («muss erwarten») «dass seitens der Schweizerischen Regierung die erforderlichen Massnahmen getroffen werden, um die Fortsetzung dieser Vorträge unverzüglich zu verhindern und Dr. Bucher für die Beschimpfungen der Deutschen Regierung strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen». A mon avis, l’essentiel serait d’obtenir que les conférences du Lt Bucher et toute autre du même genre soient interdites en vertu des pleins pouvoirs, comme le proposent nos différents chefs de l’Armée ou, peut-être mieux encore, en vertu de l’article 102, chiffres 9 et 10 de la Constitution fédérale. La question de la punition du Lt Bucher me paraît secondaire et, du moment que cet officier ne peut être puni ni disciplinairement ni jugé par des tribunaux militaires, il me semble qu’il faut y renoncer. Un procès devant les assises fédérales irait certainement à fins contraires du but poursuivi, qui est d’arrêter une agitation nuisible, qui n’a malheureusement que trop duré. (E 2001 (D) 1968/74/1).↩
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