Classement thématique série 1848–1945:
III. RELATIONS ÉCONOMIQUES INTERNATIONALES
III.1. ALLEMAGNE
III.1.1. ALLEMAGNE - RELATIONS ÉCONOMIQUES
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 58
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2001E#1000/1572#92* | |
Dossier title | Deutschland: Wirtschaftsverhandlungen und Abkommen mit der Schweiz. u.a. Puhl - Abkommen März 1945 (1943–1945) | |
File reference archive | C.43.111 • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/47662
Compte-rendu d’une séance de négociations économiques germano-suisse1
INTERNES PROTOKOLLÜBER DIE SITZUNG DES GEMISCHTEN AUSSCHUSSES VOM FREITAG, DEN 17. DEZEMBER 1943, 16 H.
Anwesende: HH. Dir. Hotz, Dir. Hornberger, Leg. Rat. Kohli, Dr. Gygax,
Ftirspr. Marti.
Generalkonsul Rüter, Major Gaefgen, Dr. Beyer,
Reichsbankrat Hintz.1. Frage der Aufnahme neuer Verhandlungen:
Herr Dir. Hotzbegrüsst die deutschen Herren und führt aus, dass der gemischte schweizerisch-deutsche Ausschuss eingeladen worden sei, um der schweizerischen Seite Gelegenheit zu geben, die bei der letzten Sitzung vom 26. November a.o.2 vorbehaltene Antwort zu dem deutschen Wunsche nach Wiederaufnahme der Verhandlungen vorzubringen, wobei gleichzeitig auch das von Herrn Minister Köcher anlässlich seiner Vor spräche bei Herrn Bundesrat Pilet-Golaz überreichte, vom 7. Dezember 1943 datierte «Papier»3 mündlich beantwortet werden könne, was zweifellos zweckmässiger sei als eine schriftliche Stellungnahme, da sonst nur unnötig Zeit verloren gehe. Was mit Bezug auf dieses «Papier» gesagt werde, gelte im übrigen auch als Antwort der Vorgesetzten Behörde, des Bundesrates.
Ich glaube sagen zu dürfen - so äusserte sich Herr Direktor Hotz im folgenden - dass wir alles getan haben und tun werden, was menschenmöglich ist, um das getroffene Abkommen durchzuführen. Wir gingen sogar noch weiter, als wir vertraglich verpflichtet waren. Es wurde generell darauf verzichtet, diejenigen An- und Teilzahlungen aus Geschäften den Transferkontingenten zu belasten, die nicht in der Vertragsperiode zum Export gelangen. Falls bei den obligatorisch vorab vorzunehmenden Belastungen für An- und Teilzahlungen ein Firmenkontingent nicht ausreicht, so ist zudem der überschiessende Betrag den Transferkontingenten nicht anzurechnen. Durch ihre entgegenkommende Haltung hat die schweizerische Seite das Abkommen in Fluss gebracht. Die Novemberausfuhr wird sich nach den vorliegenden unverbindlichen Zahlen auf ca. 40 Mio Fr. belaufen, auf alle Fälle mindestens so hoch sein als die Einfuhr aus Deutschland. Dazu ist erst noch der unsichtbare Export - Elektrizität, Nebenkosten etc. - zu zählen. Angesichts dieser Tatsachen wirkt der Wortlaut des von Herrn Minister Köcher übergebenen Schriftstückes wirklich befremdlich. Von einer unfreundlichen oder nicht konstruktiven Einstellung der Schweiz kann nicht die Rede sein. Wie bereits in der vorhergehenden Sitzung des Gemischten Ausschusses dargelegt worden ist, liegt der Grund, weshalb die Schweiz nicht so rasch zu Verhandlungen schreiten kann, nicht in einem Druck von aussen, sondern in objektiven Faktoren. Vor allem war es bis jetzt nicht möglich, die Elemente für ein neues Clearingbudget zu überblicken. Auch die zukünftige Versorgung der Schweiz aus Übersee, der «Brotkorb» liess sich auch nur halbwegs beurteilen. Deutschland hat sicher kein Interesse daran, dass die Schweiz zusammenbricht. Leider ist es durch das Abkommen vom 1. Oktober a.o. nicht genügend gelungen, die Basis für eine befriedigende Regelung mit der ändern Mächtegruppe zu schaffen.
Was im speziellen den Vorwurf anbelangt, es seien schweizerischerseits grosse Anlaufschwierigkeiten zu überwinden gewesen, so ist zu bemerken, dass die Kontingentierung gar nicht ein so einfaches Problem dargestellt hat. Im übrigen ist auch deutscherseits nicht alles so prompt gegangen, wie es wünschbar gewesen wäre. Neben den Schwierigkeiten bei der Verteilung der Wertgrenzen auf dem Textilsektor, den Schwierigkeiten bei der Büchereinfuhr in Deutschland und dem Bezug von Saatgut aus Deutschland muss vor allem die betrübliche Entwicklung der deutschen Eiseneinfuhr in die Schweiz hervorgehoben werden.
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Wenn auch inzwischen das neue schweizerische Versorgungskontingent auf die deutschen Lieferwerke verteilt worden ist, so ist damit lediglich die Möglichkeit der Bestellungsaufgabe gegeben. Die effektive Eisenzuteilung muss von den Lieferwerken nachträglich erst noch nachgesucht werden. Erst wenn auch diese vorliegt steht der approximative Liefertermin fest.
Gemäss dem von der deutschen Seite offiziell übergebenen «Papier» ist die deutsche Seite ebenfalls erbost über die neuen Kontingentierungen, wobei jedoch nicht auf konkrete vertragliche Bestimmungen abgestellt wird. Materiell ist dieser Einwand gänzlich unberechtigt. Aber auch formell! Von den 36 Positionen, deren Kontingentierung sich die Schweiz seinerzeit ausdrücklich Vorbehalten hat, wurde lediglich ‘A kontingentiert. Der einzige Zweck, der damit verbunden wurde, ist die Vermeidung des «booms», wie er im Juli d.J. vorkam, auf Jahresende. Es geht ebenfalls zu weit, wenn erklärt wird, dass die Schweiz sich neuen Verhandlungen entziehen will. Es ist für die Schweiz einfach nicht möglich und international tragfähig, nur mit einer Mächtegruppe zu verkehren. Die Schweiz tut ihr möglichstes und wird nicht aufhören, um ihre Existenz zu kämpfen und sich für die Sicherstellung der erforderlichen Zufuhren einzusetzen.
Als Antwort auf die mündlichen Bemerkungen in der vorhergehenden Sitzung des Gemischten Ausschusses und zu dem von Herrn Minister Köcher übergebenen «Papier» kann ich Ihnen nunmehr jedoch mitteilen, dass wir in der nächsten Woche zu Verhandlungen in Bern zur Verfügung stehen.
Herr Dir. Hornberger bemerkt zu dem Inhalt des übergebenen «Papiers» - welches vom Herrn Generalkonsul Rüter ausdrücklich als eine «Pro Memoria» und nicht als eine Note bezeichnet wird - dass dieser sich nur so erklären lassen könne, dass über das Ergebnis der letzten Sitzung des Gemischten Ausschusses in Berlin derart Bericht erstattet worden sei, wie es nun in dem «Papier» wiedergegeben werde. Aus und zwischen den Zeilen könne es herausgelesen werden, das die Schweiz auf den Druck der Feindmächte hin die Bereitschaft zu weitern Verhandlungen ablehne. Dann lasse man durchblicken, dass auch Deutschland der Schweiz Nachteile zufügen könne. Es sei dies umso verwunderlicher, als am Schluss der letzten Sitzung von schweizerischer Seite hervorgehoben worden sei, dass auch die Schweiz den Wunsch habe, ein neues Abkommen mit Deutschland zu treffen und zwar so rechtzeitig, dass der Anschluss an das jetzige gewehrt werde. Auch die Schweiz habe den Wunsch, eine neue vertragslose Periode zu vermeiden. Umso schmerzlicher sei es nun aus dem bewussten «Papier» eine prophylaktische Reaktion herauszulesen. Es sei für die Schweiz, in der Lage, in der sie sich befinde, ausserordentlich bemühend feststellen zu müssen, dass man sie der Parteinahme gegenüber den Feindmächten verdächtige. Sie sei sich klar darüber, dass sie heute nicht beliebt sei. Sie wolle jedoch nur sich treu bleiben und sich wehren mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stünden. Es gebe für sie keinen Druck der Feindmächte, es gebe für sie nur einen Druck der gegebenen Situation, der sie sich anzupassen habe, und das habe nach beiden Seiten hin zu erfolgen.
Der andere Punkt, wo das «Papier» verletzend sei, sei dort, wo der Vorwurf erhoben werde, das Vertrags werk sei nicht richtig in Gang gekommen. Wenn die deutsche Seite berechtigt wäre, sich so zu äussern, wäre es sicher auch die Schweiz, weil auch in Deutschland, trotzdem es in diesen Belangen administrativ erfahrener und gewandter sei, nicht alles am Schnürchen gegangen sei. Um den geäusserten Vorwurf zu entkräften, brauche nur auf die Ausfuhrzahlen verwiesen zu werden, aus denen hervorgeht, dass die Schweiz «aktiv» sei. Es hätte jedoch schweizerischerseits das Abkommen ohne weiteres angewandt werden können, wie «Shylock auf seinen Schein bestanden hat». Die Schweiz wäre berechtigt gewesen, bei den Anzahlungsgeschäften sämtliche Anzahlungen vorab den Transferkontingenten zu belasten, da die betreffenden alten Geschäfte mit der vollem Summe, einschliesslich der bereits überwiesenen Anzahlungen in die Kontingente auf genommen worden seien. Es hätte das Abkommen also im Einklang mit den Bestimmungen angewandt werden können, ohne dass etwas herausgeschaut hätte. Ohne jedoch die Vorstellungen der deutschen Seite abzuwarten, haben die schweizerischen Behörden gehandelt, da es klar gewesen sei, dass Deutschland Lieferungen und nicht Abrechnungen verlange. Der Inhalt des «Papiers» tue der Schweiz also Unrecht. Sie habe sich bemüht durchzugreifen um bei den Anzahlungsgeschäften eine befriedigende Lösung zu finden. Es sei dies jedoch nur durch radikale Massnahmen möglich geworden, wodurch die Transferkontingente gewissermassen erhöht würden. Man könnte es aus den gemachten Erfahrungen eigentlich nur bedauern, so liberal gewesen zu sein. Es werde jedoch sicherlich der Moment kommen, wo die schweizerische Handlungsweise gewürdigt werde.
Herr Generalkonsul Rüter: Sie werden den Stein gehört haben, der mir vom Herzen geplumpst ist, als ich vernommen habe, dass Sie in der nächsten Woche eine Delegation in Bern zu Verhandlungen erwarten. Berlin wird wohl kaum darauf bestehen, dass zuerst eine schweizerische Delegation zur Abklärung der grundsätzlichen Fragen nach Deutschland fährt.
Die grosse Sorge für die deutsche Seite bestand darin, dass der jüngste Vertrag richtig anläuft, was nach unsern Feststellungen erst am 15. November der Fall war. Es verblieben damit unter Berücksichtigung der Festtage eigentlich bloss noch 4-5 Wochen. Es bestand nach der letzten Sitzung anderseits der Eindruck, dass vor dem 1. Januar 1944 Verhandlungen nicht möglich sein werden. Dieses Mal wäre wohl ein vertragsloser Zustand etwas ganz anderes gewesen als das letzte Mal. Von dieser Voraussetzung ging auch das Pro Memoria von Herrn Minister Köcher aus. Wenn schweizerischerseits daraus der Vorwurf einer Vertragsverletzung herausgelesen wird, so ist zu bemerken, dass den deutschen Behörden in dieser Beziehung jegliche Absicht fernlag. Eine Streitfrage besteht lediglich mit Bezug auf die schweizerische Berechtigung zu neuen Kontingentierungen. Die deutsche Seite durfte auf Grund der Vertragslage nicht erwarten, dass mit neuen Kontingentierungen zu rechnen sein wird. Warum diese erfolgten, ist noch immer unklar. Für die Verhinderung eines «booms» ist die Zeit zu kurz. Weder im Gemischten Ausschuss noch im Kontingentierungsausschuss war übrigens jemals von diesen neuen Kontingentierungen die Rede. Dass das «désastre» bei den Anzahlungsgeschäften vermieden wurde, haben wir jedoch dankbar anerkannt.
Bezüglich der neuen Kontingentierung bemerkt Herr Generalkonsul Rüterzusammenfassend, dass der deutschen Seite lediglich daran liege, festzustellen, ob die Transferkontingente ausgenützt werden können. Dies sei aber eigentlich erst anfangs Januar 1944 möglich. Die endgültige Stellungnahme der deutschen Seite zu dieser Frage müsse also nach wie vor Vorbehalten bleiben.
Herr Dir. Hotz: Die von uns nicht gewollte Einseitigkeit im Aussenhandel musste zwangsläufig eine Korrektur erfahren. Dies einem kriegführenden Staat begreiflich zu machen, gehört sicher zum schwierigsten. Es dürfen uns jedoch andere Motive als diejenigen der Selbsterhaltung nicht unterschoben werden. Die hohen Ausfuhrzahlen konnten nicht ewig andauern, so wenig als mit Bundesmitteln fortgesetzt das Clearing künstlich im Gleichgewicht gehalten werden kann. Dieses muss wieder einmal selbsttragend werden.
Herr Leg. Rat. Kohli: Der Chef des eidg. Politischen Departements verlangte nach Kenntnisnahme des bewussten «Pro Memorias» einen eingehenden Bericht über die Situation. Auf seine Frage, ob dieses Schriftstück den Ton, in dem sich die Aussprache im Gemischten Ausschuss bewege, wiedergebe, konnte ihm zum Glück eine beruhigende Auskunft erteilt werden.
Herr Dir. Hornberger stellt fest, dass die Befriedigung der deutschen Seite über die vorgesehene Aufnahme der Verhandlungen im Gegensatz stehe zu dem Eindruck, den sie scheinbar von der letzten Sitzung gehabt habe. An der Bereitschaft zu einer konstruktiven Verständigung habe es jedoch schon damals schweizerischerseits nicht gemangelt. Die Wiederaufnahme der Verhandlungen sei lediglich eine zeitliche Frage gewesen.
- 2
- Non reproduit.↩
- 3
- No 52.↩
- 4
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/47662. Pour le tableau, cf. dodis.ch/47662. For the table, cf. dodis.ch/47662. Per la tabella, cf. dodis.ch/47662.↩
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