Classement thématique série 1848–1945:
6. POLITIQUE ET ACTIVITÉS HUMANITAIRES
6.2. POLITIQUE FACE AUX RÉFUGIÉS ET AUX JUIFS
6.2.4. RÉFUGIÉS ITALIENS
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 14, Dok. 414
volume linkBern 1997
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E2001D#1000/1553#4015* | |
Dossiertitel | Intervention der Schweiz bei der deutschen Reichsregierung betr. Behandlung u. Rettung der Juden (1942–1945) | |
Aktenzeichen Archiv | B.34.9.051.1 |
dodis.ch/47600 Notice du Chef de la Division de Police du Département de Justice et Police, H. Rothmund, pour le Chef du Département de Justice et Police, Ed. von Steiger1
Telegramm Washington über Juden in Italien.
Herr Dr. Stucki brachte mir am Samstag ein Telegramm2 von Herrn Minister Bruggmann, mit dem dieser auf Grund einer Intervention des Rabbi Wise vom Jewish World Congress um Verwendung der Schweiz bei der italienischen Regierung für den Abtransport von etwa 20000 Juden in Norditalien nach Süditalien ersucht, und gleichzeitig um liberale Praxis für die weitere Aufnahme von jüdischen Flüchtlingen aus Italien durch die Schweiz bittet.
Die Abteilung für Auswärtiges hat eine kurze Antwort entworfen. Herr Bundesrat Pilet hat verfügt, dass Sie noch um Ihre Meinung darüber zu befragen seien.
Ich lege Ihnen den Text des Telegramms aus Washington und den Entwurf der Abteilung für Auswärtiges3 zu einer Antwort vor und erlaube mir, folgendes dazu zu bemerken.
1. Sollten wir nicht die Gelegenheit benützen, in Amerika bekanntzugeben, dass wir am 27. Juli4 die italienisch-schweizerische Grenze wegen der Gefahr des Eindringens flüchtender Fascisten für illegale Einreisen gänzlich gesperrt haben? Ich schlage deshalb für den zweiten Teil des Telegramms folgenden Text vor:
«Wegen Gefahr Eindringens flüchtender Fascisten schweizerisch-italienische Grenze für jeden illegalen Grenzübertritt durch Verfügung Polizeiabteilung vom 27. Juli 1943 rigoros gesperrt. Was Aufnahme weiterer Flüchtlinge auf legalem Wege anbelangt scheint nicht tunlich.»
2. Obgleich wir selbstverständlich nicht befugt sind, der italienischen Regierung Anregungen zu machen, wie die Abteilung für Auswärtiges in ihrem Antwortentwurf ganz richtig sagt, frage ich mich doch, ob wir nicht etwas unternehmen sollten. Unser Interesse an der Entziehung der Juden in Oberitalien aus dem Machtbereich der Deutschen ist sehr gross. Sollten diese Juden das Schicksal ihrer Glaubensgenossen in den von Deutschland besetzten Ländern teilen müssen, so ist es fraglich, ob wir unsere Verfügung vom 27. Juli auch für flüchtende Juden strikte durchführen können. Auf jeden Fall müssten wir mit erneuter scharfer Kritik rechnen. Zum ändern geht das Begehren des Rabbi Wise ja auch aus dem Grunde in der Richtung unserer Bemühungen, als die Juden in Oberitalien in ein Gebiet verbracht werden sollten, das unter der Kontrolle der Alliierten steht.
Herr Minister Vieli soll mit Herrn Minister Grandi sehr gut stehen5. Er könnte m.E. sehr wohl ein Gespräch aus einem ändern Anlass dazu benützen, ihm oder einem höheren Beamten, den er näher kennt, über die Frage der jüdischen Flüchtlinge in der Schweiz zu sprechen und ihn bei dieser Gelegenheit zu fragen, ob die neue italienische Regierung die Juden in Oberitalien nicht dem deutschen Einfluss entziehen werde.
Wir müssten natürlich aufpassen, dass die Sache nicht etwa von den Juden in Amerika an die grosse Glocke gehängt würde. Rabbi Wise dürfte jedoch einer der gescheitesten Juden sein, der das schon verstehen würde. Für später könnte uns die Sache immerhin nützlich sein, wie auch Herr Bruggmann es in seinem Telegramm antönt.
Der erste Teil der Antwort6 könnte an den Schluss genommen werden und wie folgt lauten:
«Versuchen Absichten italienischer Regierung Juden Oberitalien zu erfahren. Behalten uns weitere Mitteilung vor.»
- 1
- E 2001 (D) 3/175.↩
- 2
- No 704, envoyé le 26 août, dont voici le texte complet: Im Namen des Jewish World Congress macht Rabbi Wise aufmerksam auf gefährdete Lage von etwa 20000 Juden in Norditalien. Erbittet Prüfung, ob italienischer Regierung nicht von schweizer Regierung empfohlen werden könnte, deren Reise nach Süditalien zu fördern. Er bittet gleichzeitig liberale Praxis für Aufnahme jüdischer Flüchtlinge aus Italien in Schweiz darauf hinweisend, dass in bisherigen Verfolgungen in Europa 4 Millionen Juden umgekommen seien. Wir empfehlen auch aus politischen Gründen wohlwollende Prüfung. Erbitten Rückäusserung.↩
- 3
- Projet daté du 28 août: Sind nicht befugt italienischer Regierung Anregungen zu machen zumal wenn deren politischer Hintergedanke so offensichtlich. Was Aufnahme weiterer Flüchtlinge anbelangt so wissen Sie dass unsere Praxis so liberal ist als es Verhältnisse und bestehende Schwierigkeiten erlauben. Weitergehende Lockerung scheint nicht tunlich.↩
- 4
- Cf. No 397.↩
- 5
- Cf. No s 396 et 407.↩
- 6
- Le texte définitif du télégramme de réponse envoyé le 3 septembre par le DPF à la Légation de Suisse à Washington, est le suivant: Nummer 654. Ihr 704. Wegen Gefahr Eindringens Flüchtlingen schweizerisch-italienische Grenze für jeden illegalen Grenzübertritt durch Verfügung Polizeiabteilung vom 27. Juli 1943 rigoros gesperrt. Was Aufnahme weiterer Flüchtlinge auf legalem Wege anbelangt so wissen Sie dass unsere Praxis so liberal ist als es Verhältnisse und bestehende Schwierigkeiten erlauben. Weitergehende Lockerung scheint nicht tunlich. Etwaige Aktion bei italienischer Regierung wegen Juden in Oberitalien könnte nach unserer Ihnen wohlbekannten Praxis nur auf Grund offiziellen Begehrens als Schutzmacht platzgreifen und würde unter gegenwärtigen Verhältnissen ohne Zweifel kein praktisches Ergebnis zeitigen.↩
Tags
Haltungen gegenüber Verfolgungen