Classement thématique série 1848–1945:
2. RELATIONS BILATÈRALES
2.10. GRANDE BRETAGNE
2.10.2. RELATIONS POLITIQUES
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 14, doc. 119
volume linkBern 1997
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#487* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 234 | |
Dossier title | London, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 35 (1941–1941) |
dodis.ch/47305
Ich hatte heute eine Besprechung mit Minister Eden. Ich teilte ihm mit, dass ich für einige Wochen in die Schweiz reisen werde und dass ich gekommen sei, um mich zu verabschieden. Im Hinblick auf diese Reise wäre ich ihm dankbar, wenn er mir kurz seine Eindrücke über die derzeitige Lage mitteilen wollte. Er erklärt mir, dass nach seiner Ansicht die Schlacht im Atlantischen Ozean einen günstigen Verlauf nehme. Er wolle nicht so weit gehen zu sagen, sie sei gewonnen, aber er glaube ruhig sagen zu können, dass die Deutschen sie nicht gewinnen. Gestern nachts um ein Uhr hätte Churchill ihn aufgerufen, um ihm mitzuteilen, dass ein italienisches Unterseeboot versenkt worden sei. Von der geretteten Mannschaft hätten sie vernommen, dass kurz vorher oder am Tage vorher ein deutsches Unterseeboot verloren gegangen sei, was die Bestätigung betreffend den Erfolg eines britischen Angriffes brachte, der bis dahin zweifelhaft
Was den Mittleren Osten anbetreffe, eine Angelegenheit, die ihm speziell anund dementsprechend vertraut, sei der Unterschied im günstigen Sinne im Vergleich mit der Lage im letzten September bedeutend; die britische Stellung sei heute unvergleichlich besser. Im letzten September seien sie militärisch sehr schwach gewesen, sie hätten ernstliche Befürchtung gehabt, er erinnere sich gut wie Churchill ihm damals einmal die Bemerkung machte: «Well, my dear Eden, if we lose Khartoum, your name will go down in history». Heute seien alle diese Gefahren überwunden, sie verfügen heute in Nordafrika über eine Armee, die für alle Eventualitäten gewappnet sei. Was die Russen anbelange, sei er überzeugt, dass sie aushalten werden; ihre Truppen seien tüchtig, ihre Kampfweise in tiefer Formation klug, entsprechend sei auch die Wirtschaft und Industrie in die Tiefe organisiert. Im Fernen Osten sei die Lage ernst; sie suchen keinen Krieg und Japan würde sehr gut tun, einen solchen zu vermeiden. Er hält dafür, dass wenn Japan zu kriegerischen Massnahmen schreite, diese gegen Russland gerichtet sein würden; Japan müsse aber bald in Aktion treten, denn der Winter sei für einen Angriff in Sibirien nicht günstig, die Häfen seien bald vereist. Er erwarte weniger einen Angriff nach dem Süden, weil Japan dann sofort Grossbritannien, Holländisch-Indien und wohl noch mehr Mächte zum Gegner haben werde. Die Briten und Holland, das in letzter Zeit grossen Zuschub an Kriegsmaterial aus den Vereinigten Staaten, namentlich Flugzeuge, erhalten habe, seien für Abwehr und Gegenangriff gut gewappnet und namentlich in der Luftwaffe den Japanern überlegen. Die Luftwaffe würde aber in den dortigen Kämpfen eine sehr grosse Rolle spielen.
Zusammenfassend könne er mir sagen, dass er der Zukunft ruhig und hoffnungsvoll entgegensehe.
Wir kommen dann auf die Schweiz zu sprechen. Ich erwähne die Situation, wie sie durch den deutsch-schweizerischen Handelsvertrag2 geschaffen sei. Ich weise darauf hin, dass der Vertrag auch für uns keine ideale Lösung darstelle. Wenn man aber bedenke, dass die deutsche Regierung überhaupt alle unsere Exporte abstellen wollte, so werde er die Schwierigkeiten realisieren, gegen die wir zu kämpfen haben. Unser Bestreben sei gewesen, unter keinen Umständen auf die Möglichkeit eines Handels mit der Aussenwelt zu verzichten. Es sei uns im Laufe langer Verhandlungen gelungen, ein gewisses Entgegenkommen zu erreichen, es sei vielleicht in englischen Augen nicht so wertvoll, wie sie es gewünscht hätten, für uns bilde es aber das Resultat zäher Verhandlungen und wesentlicher Konzessionen unsererseits, die wir nur ungern gaben.
Eden gibt ohne weiteres zu, dass unsere Lage sehr schwierig sei; er habe eine Bewunderung für unser Land, das, trotzdem es von Diktaturenstaaten umgeben sei, seine politische und moralische Unabhängigkeit bewahre, sie3 haben Verständnis und grosse Sympathien für uns; wenn sie gewisse wirtschaftliche Massnahmen gegen uns ergreifen, so müssen wir diese nicht als Strafmassnahmen deuten, sie hätten in keiner Weise diesen Sinn, sondern sie seien einfach eine durch den Krieg bedingte Vorsichtsmassnahme; er betont erneut die verständnisvolle Beurteilung, die die Schweiz in englischen Regierungskreisen finde.
Ich spreche Minister Eden für diese erfreuliche Eröffnung meinen verbindlichsten Dank aus. Ich füge bei, dass ich an den Sympathien gegen uns nie gezweifelt hätte. Ich erkläre dann, dass ich neulich eine Besprechung mit Minister Dalton hatte. Ich hatte ihm gegenüber die Ansicht geäussert, dass man in den Massnahmen gegen die Schweiz4 etwas zu weit gegangen sei. Ich habe u.a. einen Punkt besonders hervorgegriffen. Es betreffe die Bekleidung der schweizerischen Bevölkerung, worunter ich Kleider, Schuhe, Unterkleider, etc., verstehe; man habe uns die Rohmaterialien hiefür, wie Wolle und Leder, unterbunden. Meiner Ansicht nach sollte man uns diese Zufuhren gewähren. Wir hätten wenig Kohle für den Winter und da spiele dann die Kleidung eine umso grössere Rolle. Ich hätte den Eindruck gehabt, dass Mr. Dalton für diese Frage Verständnis zeige, er habe mir jedenfalls versprochen, sie eingehend zu prüfen. Eden fragt mich sofort, ob ich ihm die Zusicherung geben könne, dass derartige Importerleichterungen nicht direkt oder indirekt durch Entsendung anderer Waren den Deutschen zugute kommen. Ich antworte ihm, dass wenn wir das Versprechen geben, dass dies nicht der Fall sei, wir dieses auch halten würden. Eden weist daraufhin, dass auch sie in England, wie ich wohl wisse, mit Heizmaterial nicht verwöhnt werden, doch verstehe er, dass der Winter in der Schweiz schlimmer sei; er verspricht mir die Angelegenheit mit Mr. Dalton zur Sprache zu bringen.
In diesem Zeitpunkt meldet der Weibel den Russischen Botschafter; die mir reservierte Zeit, 3At Stunden, war offenbar abgelaufen. Ich verabschiede mich; Eden ersucht mich, an Minister Kelly und seine anderen Bekannten in der Schweiz Grüsse zu entrichten.
Ich treffe Maisky im Vorzimmer.
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