Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE ET ACTIVITÉS ÉCONOMIQUES
1. Situation générale, principes et neutralité économique
1.3. Neutralité économique
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 13, Dok. 400
volume linkBern 1991
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E7110-01#1973/134#84* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 7110-01(-)1973/134 15 | |
Dossiertitel | Kreditverhandlungen und Verhandlungen über ein Zahlungsabkommen (1939–1940) | |
Aktenzeichen Archiv | 2110 |
dodis.ch/47157
Wie ich Ihnen in meinem Telegramm No. 432 vom 14. Oktober 19402 mitteilte, hat der Chef des Ministry of Economic Warfare, Herr Minister H. Dalton, Kritik am Verhalten einiger Schweizer Banken geübt. In seinem Schreiben vom 15. Oktober 19403 hat er diese Kritik in folgende Worte gefasst:
«I wish also to confirm what I said to you about certain Swiss Banks with international connexions. His Majesty’s Government are not satisfied about some of the operations of these banks, and they must reserve their right to take such action as may be necessary should these operations continue.»
Ich habe seither an mehreren Stellen versucht, näheres über das unseren Banken im Rahmen der britischen Wirtschaftskriegführung zum Vorwurf gemachte Verhalten zu erfahren. Ich hätte diese delikaten Dinge lieber mündlich vorgetragen; da aber meine Heimkehr durch die Verhandlungslage noch unbestimmt ist, möchte ich sie Ihnen in Form eines ausführlichen Briefes mitteilen, um jede Unklarheit durch telegraphische Übermittlung zu vermeiden. Ich bitte Sie davon zunächst ausschliesslich dem Nationalbankdirektorium Kenntnis geben zu wollen4.
Auf mein Gesuch hin hat mir heute Lord Drogheda in der Bankenangelegenheit eine Unterredung mit Mr. Dudley-Ward, vom Ministry of Economic Warfare, verschafft. Das Gespräch wurde im wesentlichen einseitig von britischer Seite (Mr. Dudley-Ward und Mr. Bliss, der Spezialist für die schweizerischen Finanzoperationen im MEW zu sein scheint) geführt. Ich habe mich auf die Entgegennahme der Aufklärung und auf einige abklärende Fragen beschränkt, da ich keinerlei Verhandlungsinstruktionen über diesen Fragenkomplex besitze. Das Gespräch lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Dudley-Ward erklärt, dass die britische Regierung die Bedeutung des internationalen Bankgeschäfts für die Schweiz wohl kenne und es grundsätzlich nicht hindern wolle. Sie möchte auch vermeiden, der Schweiz durch irgendwelche Massnahmen auf diesem Gebiet politische Schwierigkeiten zu bereiten. Die britische Regierung könne jedoch nicht zusehen, wenn aus einem normalen internationalen Bankgeschäft während des Krieges ein anormales und sehr stark einseitiges Geschäft werde. Er stellt wörtlich fest:
«That has been carried to an extreme extent» und fügt bei, dass die schweizerischen Banken damit sehr nahe an eine unneutrale Haltung geraten. Alle «drei schweizerischen Grossbanken» hätten solche Geschäfte gemacht; eine davon in höherem Masse als die anderen beiden.
Als «anormal» bezeichnet Dudley-Ward die Tatsache, dass grosse deutsche oder italienische Banken sowie «official organisations» dieser beiden Länder ihre Guthaben in New York auf den Namen einer Schweizer Bank halten und dass Schweizer Banken beispielsweise grosse Auszahlungen an deutsche Konsulate in den Vereinigten Staaten machen. Er bezeichnet es als eine Beihilfe zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse, wenn schweizerische Banken Konten Angehöriger von Staaten, welche mit Grossbritannien im Kriege stehen, im Ausland auf ihren eigenen Namen oder unter blosser Chiffre-Bezeichnung führen. Die Herren erklären, für alle diese Fälle vollen Beweis zu besitzen. Diese Geschäfte der Schweizer Banken hätten jetzt einen Umfang angenommen, der zum Aufsehen mahne.
Auf meine Frage, ob und welche Massnahmen ins Auge gefasst seien, erklärt Dudley-Ward, dass seit langem Massnahmen erwogen werden. Man habe damit zugewartet, um nicht unnötige Schwierigkeiten zu schaffen, und wolle zunächst sehen, ob die schweizerischen Behörden in der Lage seien, einen Einfluss auf die Banken auszuüben. Dies, obwohl man feststellen müsse, dass eine früher von Frankreich an zwei schweizerische Banken ergangene eindringliche Warnung ohne Wirkung geblieben sei. Sowohl die Schweizerische Nationalbank wie die betroffenen Banken selbst seien durchaus in der Lage abzuschätzen, welche britischen Gegenmassnahmen in Betracht kommen können. Mehr könne er mir zur Zeit über die geplanten Massnahmen nicht sagen. Sir Frederick Leith-Ross und Minister Dalton werden sich in nächster Zeit mit der Angelegenheit befassen. Dass sie vom Ministry of Economic Warfare verfolgt wird, mag ihren besonderen Charakter und die Gesichtspunkte, unter denen sie hier beurteilt wird, klar legen.
Herr Minister Thurnheer hat bereits in seinem Telegramm No. 274 vom 21. August 19405 an das Eidgenössische Politische Departement auf eine britische Pressekritik am Verhalten der schweizerischen Banken hingewiesen. Ich sehe in den offiziellen Mitteilungen von gestern, die durch persönliche Bemerkungen von anderer gutorientierter britischer Seite bestätigt werden, eine ernste Warnung an die schweizerischen Banken. Sie richtet sich nicht gegen ihr internationales Geschäft; die Engländer werden auch nicht aus Verlagerungen, wie sie sich aus der gegenwärtigen Situation ergeben und dem Geschäft mit Deutschland und Italien grösseres Gewicht verleihen, einen Vorwurf machen. Sie richtet sich gegen gewisse Geschäfte, die hier als anormal bezeichnet und gegen eine Rolle der schweizerischen Banken, welche als den britischen Interessen in einseitiger Weise zuwiderlaufend beurteilt werden.
Die Angelegenheit betrifft nicht bloss die Banken allein, sondern ist insofern für die schweizerische Wirtschaft allgemein von Bedeutung als die kritisierte Geschäftsführung der Banken hier den Eindruck verstärkt, die schweizerische Wirtschaft sei zu einem Teil des grossdeutschen Wirtschaftsgebiets geworden und müsse entsprechend behandelt werden. Diese Auffassung ist ein starkes Hindernis unserer Verhandlungen, welche das Ziel verfolgen, der Schweiz die notwendigen Zufuhren durch die britische Blockadekontrolle sicherzustellen.
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