Classement thématique série 1848–1945:
V. AFFAIRES MILITAIRES ET FAITS DE GUERRE
3. Guerre aérienne
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 13, Dok. 384
volume linkBern 1991
Mehr… |▼▶Aufbewahrungsort
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2200.40-03#1000/1644#108* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2200.40-03(-)1000/1644 7 | |
Dossiertitel | Violation de la frontière suisse par des avions britanniques (& américains) pièces du 29.8.40 au 4.11.40 (1940–1940) | |
Aktenzeichen Archiv | X.A.7.B • Zusatzkomponente: Grossbritannien und Nordirland |
dodis.ch/47141
NOTIZ BETREFFEND MEINE BESPRECHUNG MIT MR. BUTLER
Mr. Butler ersuchte mich Mittwoch den 18. September, um 3 lU Uhr bei ihm vorzusprechen. Er überreichte mir das Memorandum vom 18. September2.
Er ersucht mich, von diesem Kenntnis zu nehmen. Nach dessen Durchsicht hatten wir eine Besprechung gemäss nachstehenden Notizen.
1. Selbstverständlich hat die schweizerische Regierung nie die Absicht gehabt, sich in irgendeiner Weise in die britischen Militäroperationen gegen Italien einzumischen. Alles, was sie wünscht und dringend verlangt, ist, dass die britischen Flieger nicht mehr Schweizergebiet benützen. Wenn die Flieger den kleinen Umweg um die Ecke über Genf herum wählten und dann einmal zur Seltenheit einer aus Versehen ein paar Meter über schweizerisches Terrain fliegen würde, könnten wir dies als Navigationsfehler wohl verstehen, nicht aber der systematische Hin- und Rückflug über die Schweiz.
Ich werfe erneut die Frage auf, ob die Flieger nicht besser eine Bombe weniger mitnehmen und statt dessen Benzin mitführen könnten, um den längeren Flug zu sichern.
2. Mr. Butler erklärt mir, dass jegliches Abwerfen von Bomben in der Schweiz nicht nur den Intentionen der Regierung, sondern auch des Fliegerkommandos absolut widerspreche. Ich habe den bestimmten Eindruck, dass in dieser Hinsicht die schärfsten Weisungen bestehen.
Mr. Butler erklärt mir auch, dass das Überfliegen in keiner Weise in übelwollender Absicht oder gar um Schwierigkeiten zu bereiten, geschehe. Dies liege allen fern.
Ich bemerke hiezu, dass das Überfliegen an sich für uns Schwierigkeiten kreiere und es sehe fast so aus, dass diese in der Wage weniger ins Gewicht fallen wie die Wünsche des Militärs, auf den kürzesten Flug. Ich gehe dann einen Schritt weiter und frage, ob die britische Regierung in diesem Ringen und in einer Zeit, wo alles mit der grossen Elle gemessen werden, ungenügendes Interesse an unserem kleinen Staate in Europa habe. Mr. Butler versichert mir, dass dies gar nicht der Fall sei, man gebe sich völlig Rechenschaft von der Bedeutung und Wichtigkeit der Schweiz, er sei überzeugt, dass England immer für die Erhaltung der Schweiz, die er als notwendig und nützlich betrachtet, eintreten würde, ganz abgesehen von den grossen Sympathien und ändern Erwägungen.
3. Ich bringe dann das Gespräch auf die eventuellen Rückwirkungen des weiteren Überfliegens schweizerischen Gebietes in anderen neutralen Staaten und frage, ob auch diese bei der Antwort in Erwägung gezogen seien. Mr. Butler erklärt mir, sie hätten auch diesen Umstand in Betracht gezogen.
Das Kabinett habe die Entscheidung durchaus nicht leichter Hand getroffen, sondern sehr ernst diskutiert. Lord Halifax habe an der Sitzung nicht teilgenommen, sondern sei durch Mr. Chamberlain vertreten gewesen. Er sei aber telephonisch von der Angelegenheit in Kenntnis gesetzt worden. Ich bemerke dann, dass ich gemäss meinen Instruktionen eine Besprechung mit Lord Halifax in dieser Angelegenheit nachgesucht habe und ich bitte Mr. Butler, mir trotz dem heutigen Memorandum zu einer solchen Besprechung Gelegenheit zu geben, was er mir verspricht.
4. Mr. Butler erklärt mir weiterhin, dass ihm daran gelegen gewesen sei, uns eine klare unzweideutige Antwort zu verschaffen, damit wir genau wissen, woran wir wären. Anderseits sollten wir aber ja nicht die Antwort der britischen Regierung in einem der Schweiz unfreundlichen Sinne deuten, dies würde den Tatsachen widersprechen.
5. Ich komme auf Grund der ganzen Diskussion zum Schluss, dass es sich im Fall der Grenzverletzung nicht um eine Angelegenheit der Argumentation zwischen den schweizerischen und englischen Zivilbehörden handelt, also um eine rein diplomatische Angelegenheit, sondern endgültig viel mehr um eine Diskussion zwischen den englischen Zivil- und Militärbehörden, wobei die letzteren den Ausschlag geben. Um dies in einem Lande wie Grossbritannien verstehen zu können, muss man sich in die gegenwärtige Lage versetzen. Der Krieg zwischen Grossbritannien und Deutschland ist in sein akutestes Stadium getreten. Es geht um das Sein oder Nichtsein; die Flieger sind zurzeit die erfolgreichen Vorkämpfer in der Sache des Britischen Reiches. Von ihren Aktionen hängt die unmittelbare Entwicklung der Kriegslage, soweit es Grossbritannien direkt und selbst betrifft, ab. Die Flieger spielen die Hauptrolle in der Abwehr der deutsehen Flugangriffe über den Kanal; ohne deren täglichen mutigen Kämpfe würde Englands militärische Lage ungünstig beeinflusst.
Dazu tritt, dass zur gleichen Zeit die Italiener eine lebhafte Tätigkeit in den Gebieten des Suezkanals und Ägyptens entwickeln; um diese zu lähmen werden die Fliegerattacken in die Industriegebiete Oberitaliens durchgeführt, und falls das Militärkommando für diese Zwecke den kürzesten Weg, der über die Schweiz führt, für unerlässlich betrachtet, wird gegenwärtig die Regierung sie hieran nicht hindern können.
Die Bulldogge ist lange zahm geblieben, heute aber aufs höchste gereizt und beisst nun wild zu, ohne auf freundliche Mahnungen betreffend Beachtung aller in Frage kommender Rechte Drittstehender viel Rücksicht zu nehmen. Dies zweifellos, wie das Memorandum erwähnt, in der Meinung, sein Sieg komme ändern auch zugute.
Tags