Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE ET ACTIVITÉS ÉCONOMIQUES
4. Affaires financières internationales
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 274
volume linkBern 1991
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E6100A-19#1000/1919#25* | |
Old classification | CH-BAR E 6100(A)-19/1000/1919 2 | |
Dossier title | Kapitalexport (Dossier Nr. 1507) (1940–1940) | |
File reference archive | F.04 |
dodis.ch/47031
Mit Ihrem Schreiben vom 1. Mai a.c.3 ersuchten Sie uns, Ihnen zuhanden der Geschäftsprüfungskommission unsere Stellungnahme zur Frage des Kapitalexportes bekannt zu geben. Wir kommen Ihrem Wunsche hiermit gerne nach, wobei wir das Hauptgewicht auf den mutmasslichen Umfang des Kapitalexportes legen.
Der Kapitalexport kann sich in folgenden Formen vollziehen.
1. Begebung ausländischer Anleihen in der Schweiz. Diese Art des Kapitalexportes fand im Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 eine gewisse Regelung4. Nach Art. 8 dieses Gesetzes sind Banken und die bankähnlichen Finanzgesellschaften, die sich nicht öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen, verpflichtet, bevor sie mehr als ein Jahr dauernde Geschäfte von wenigstens 10 Millionen Fr. abschliessen oder sich im gleichen Umgange an einem solchen Geschäft beteiligen, die Nationalbank davon zu unterrichten. Wenn die Geldmarktlage oder die wirtschaftlichen Verhältnisse es als angezeigt erscheinen lassen, so kann die Nationalbank verlangen, auch über Geschäfte von weniger als 10 Millionen Fr. unterrichtet zu werden. Bei den Geschäften handelt es sich vorwiegend um Anleihen zugunsten des Auslandes, um die Übernahme sowie Ausgabe von Aktien ausländischer Gesellschaften und um Kredite und Anlagen im Ausland. Die Nationalbank ist befugt, mit Rücksicht auf die Landeswährung, die Gestaltung des Zinsfusses auf dem Geld- und Kapitalmarkt oder die wirtschaftlichen Landesinteressen gegen solche Geschäfte Einsprache zu erheben oder an ihre Ausführung Bedingungen zu knüpfen. Erhebt die Nationalbank Einspruch, so darf das Geschäft nicht abgeschlossen werden.
Im Jahre 1939 wurden zwei französische Anleihen im Nominalbetrag von zusammen 240 Millionen Schweizerfranken im Inland aufgelegt5. Da es sich aber um Konversionen handelte, wobei der Emissionsbetrag der neuen Anleihen geringer war als der Betrag der konvertierten Anleihen, so wurden dem schweizerischen Markte per Saldo mehr Mittel zugeführt als entnommen.
Seit Kriegsausbruch kam die Übernahme von Ausländsanleihen nicht mehr in Frage.
2. Begebung von Anteilscheinen der Investment Trusts. Diese bildet für die Schweiz eine neue Form des Kapitalexportes. Die Titel lauten auf Schweizerfranken; der Gegenwert wird aber zum grössten Teil in ausländischen Wertpapieren angelegt. Die in Frage stehenden Banken machen der Nationalbank regelmässig Angaben über die Plazierung der von den Trusts ausgegebenen Anteilscheinen. Die Nationalbank hat daher Kenntnis vom Ausmass des Kapitalexportes in dieser Form. Dabei zeigt es sich, dass seit Kriegsausbruch sich der Betrag der auf diesem Wege ins Ausland abgewanderten schweizerischen Gelder auf tragbarer Höhe bewegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Anteilscheine auch von Ausländern gezeichnet werden und im besondern in der Schweiz liegende ausländische Gelder in solchen Anteilscheinen Anlage suchen. Wenn das Geschäft in den letzten Monaten eine gewisse Belebung erfahren hat, so dürfte dies zum Teil auf die Umwandlung von schweizerischen Pfundguthaben in Anteilscheine der Investment Trusts zurückzuführen sein.
3. Einführung von ausländischen Aktien an den schweizerischen Börsen. Im Jahre 1939 sind auf Grund der am 7. Juni 1938 in Kraft getretenen Vereinbarung über die Zulassung von ausländischen Wertpapieren zu den fünf bisherigen zwei weitere amerikanische Aktien an den schweizerischen Börsen zum Handel zugelassen worden6. Die Nationalbank hat die in Art. 5 dieser Vereinbarung vorgesehene Zustimmung zur Zulassung zum Handel an einer schweizerischen Börse nur unter der Bedingung erteilt, dass die Banken ihr regelmässig über den Umfang der gegen solche Werte ausgegebenen Zertifikate Aufschluss geben. Nach den der Nationalbank gemachten Angaben erreichte diese Form des Kapitalexportes seit Kriegsausbruch keinen ins Gewicht fallenden Betrag. Neue Werte wurden seither keine mehr eingeführt.
4. Kapitalexport der Banken. Seit Jahren erhält die Nationalbank von den grösseren Bankinstituten gesamthafte Angaben über die Anlagen im Ausland für eigene und fremde Rechnung. Auf Grund der zuletzt vorliegenden Aufstellungen kann keine stärkere Kapitalverlagerung der Banken ins Ausland festgestellt werden. Es ist dies auch wenig wahrscheinlich, weil die Banken in Kriegszeiten ihrer Liquidität vermehrte Aufmerksamkeit schenken müssen.
5. Andere Formen des Kapitalexportes. Kapital kann aber auch ins Ausland verlegt werden, ohne dass die Notenbank direkt davon Kenntnis erhält. Ein Weg besteht darin, dass ausländische Titel gekauft werden, sei es durch Vermittlung schweizerischer Banken oder direkt im Ausland. Wir erwähnen ferner die Eröffnung von sogen. Fremdwährungskonti, die bei schweizerischen Banken geführt werden und auf eine ausländische Währung, namentlich auf Dollar, lauten. Auch bei dieser Umwandlung von Schweizerfranken in ausländische Sichtkonti mag es sich zum grossen Teil um ausländische Gelder handeln, die früher aus politischen und valutarischen Gründen in die Schweiz geströmt sind. Die internationalen vagabundierenden Gelder begaben sich bekanntermassen immer dort hin, wo sie den sichersten Hort zu finden hofften. Die Nationalbank hat immer wieder betont, dass diese ausländischen Gelder der schweizerischen Wirtschaft nur zum geringsten Teil dienstbar gemacht werden können und dass mit der Möglichkeit einer spätem Abwanderung gerechnet werden müsse.
Eine weitere Form des Kapitalexportes ergibt sich dann, wenn die Erlöse der schweizerischen Aussen Wirtschaft (Exporterlös, Ertrag der Kapitalanlagen im Ausland etc.) im Ausland stehen gelassen, also nicht rapatriiert werden.
Im allgemeinen ist man versucht, aus der Gestaltung der Währungsreserve der Notenbank auf die Kapitalwanderung zu schliessen. Wir haben soeben erwähnt, dass in den letzten Jahren namentlich die internationalen Gelder auf der Wanderung begriffen waren. Der Abgang von Gold und Devisen bei der Nationalbank lässt daher keine Schlüsse zu auf den schweizerischen Kapitalexport. Die Veränderung der Währungsreserven der Nationalbank steht aber im weitern im engsten Zusammenhang mit der Entwicklung der schweizerischen Ertragsbilanz. Es unterliegt keinem Zweifel, dass seit Kriegsausbruch der Fremdenverkehr und die übrigen Sektoren der Aussenwirtschaft stark verminderte Devisenerträgnisse abwerfen. Der verstärkte Import konnte daher nicht mehr mit den aus ändern Posten der Ertragsbilanz anfallenden Devisen bezahlt werden. In den folgenden Zahlen über die Abgabe von Gold und Devisen sind die Veränderungen des Währungsausgleichsfonds eingeschlossen.
[...]7
Wie bekannt, sind in den letzten Monaten gewaltige Mengen an Waren in die Schweiz verbracht worden. Es hat also, wie obige Zahlen dartun, eine teilweise Umwandlung der Gold- und Devisenreserve in eine Warenreserve stattgefunden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht nur die Waren bezahlt werden mussten, die bereits ins Inland verbracht wurden, sondern dass auch gewaltige Mengen an Waren in Häfen oder noch im Bezugslande liegen, die beim Vertragsabschluss bezahlt wurden. Wenn auch in nächster Zeit noch mit weiteren grossen Devisenbedürfnissen für den Warenimport zu rechnen sein dürfte, so wird doch einmal in dieser Hinsicht eine gewisse Sättigung eintreten.
Wie aus obiger Aufstellung ersichtlich ist, lassen sich inbezug auf den Abgang an Währungsreserven verschiedene Perioden unterscheiden. Beim Devisenabfluss im Frühjahr 1939 handelt es sich vorwiegend um den Abfluss ausländischer Gelder, die die Schweiz früher beherbergte. Da die Bestrebungen der Nationalbank seit langem auf eine Abdrängung ausländischer Sichtgelder gerichtet waren, kam, wie gesagt, die durch die politischen Spannungen und Ereignisse ausgelöste Abwanderung dieser vagabundierenden internationalen Gelder, die für die schweizerische Wirtschaft wertlos sind, nicht unerwünscht.
Bis Mitte August herrschte auf dem schweizerischen Devisenmärkte sozusagen vollständige Ruhe. Erst als am 25. August England die Stützung seiner Währung aufgab, musste die Nationalbank dem Markte etwelche Devisenbeträge zur Verfügung stellen. Die Devisenbegehren hörten jedoch schon nach wenigen Tagen wieder auf.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass im letzten Quartal 1939 die der Notenbank abverlangten Devisen zum überwiegenden Teil der Importfinanzierung dienten. Der Gold- und Devisenabgang von wenig mehr als 100 Millionen von Mitte August bis Ende Dezember 1939 kann also unter Berücksichtigung der verstärkten Importe keinen nennenswerten schweizerischen Kapitalexport in sich schliessen.
Seit Mitte Januar 1940 dauern die Devisenbegehren mit wenigen Unterbrechungen an. Massgebend sind die gleichen Ursachen wie 1939: Verstärkte Einfuhr und Rückzüge ausländischer Guthaben aus der Schweiz. Wenn auf dem Gebiete der internationalen Politik die Spannung wächst, wie dies im April besonders der Fall war, dann findet jeweils eine Abwanderung ausländischer Gelder statt. Die Abnahme der Spar- und Obligationengelder bei den Banken und die Zunahme der Fremdwährungskonti lassen aber darauf schliessen, dass nicht nur ausländisches, sondern auch schweizerisches Kapital diesen Weg beschreitet. Wir haben immerhin nicht den Eindruck, dass es sich hiebei um eine ausgesprochene Kapitalflucht aus der Schweiz handle.
Im übrigen können diese Gelder, wie in ändern Staaten, im Notfall auch der schweizerischen Volkswirtschaft wieder dienstbar gemacht werden. So sehr Kapitalanlagen im Ausland für die Schweiz vom Standpunkt der einheimischen Wirtschaft grundsätzlich eine Notwendigkeit darstellen, so ist doch heute der Kapitalexport unerwünscht.
Wenn auch zuzugeben ist, dass während der gegenwärtigen politischen Hochspannung in Europa der Nationalbank in vermehrtem Masse Devisen abgefordert werden, so haben doch die Abgänge nicht einen Umfang angenommen, der auf eine eigentliche Kapitalflucht schliessen lässt. Gleichwohl kann die Frage gestellt werden, ob nicht der Zinssatzentwicklung wegen jeglicher Kapitalexport unterbunden werden sollte. Wir haben eingangs gezeigt, welche Formen des Kapitalexportes von der Nationalbank überwacht werden und welche Lücken bestehen. Da die Ursachen einer Kapitalflucht in den herrschenden politischen oder auch wirtschaftlichen Verhältnissen liegen, kann ihr nicht mit Empfehlungen oder mit dem Abschluss von Gentlemen’s Agreements mit den Banken begegnet werden. Unter den heutigen ausserordentlichen Verhältnissen führte auch ein weiterer Ausbau der geltenden Gesetzgebung nicht zum Ziele. Als einziges wirksames Mittel zur Bekämpfung der Kapitalflucht kommt nur die Devisenbewirtschaftung in Frage. Verschiedene Länder haben den Versuch gemacht, Devisenvorschriften nur ganz allmählich einzuführen, in der Hoffnung mit wenigen Vorschriften auszukommen. Die Erfahrung lehrt aber, dass das gewünschte Ziel nur mit umfassenden Massnahmen erreicht werden kann. In Schweden und in England, aber auch in Deutschland und Italien, mussten dauernd die Devisenmassnahmen verschärft werden, weil sich die früheren Vorschriften immer wieder als ungenügend erwiesen haben. Allfällige Massnahmen können sich daher nicht nur auf den Kapitalverkehr beschränken, sondern sie müssen die gesamte Wirtschaft umfassen. Würde nur der Kapitalverkehr erfasst, so würde ein Kapitalexport auf dem Wege des Warenverkehrs oder in den übrigen Sektoren der Aussenwirtschaft einsetzen. Von den noch bestehenden Möglichkeiten der Devisenbeschaffung würde ausgiebig Gebrauch gemacht. Die Devisenbewirtschaftung kann nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn die Massnahmen zu einer vollständigen Erfassung von Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt führen, was sich für unser Land noch weit schwieriger gestalten wird als dies in ändern Staaten der Fall war.
Wir können wohl darauf verzichten, die wirtschaftlichen Folgen einer Devisenbewirtschaftung auf den Waren- und Kapitalverkehr eingehend darzustellen. Wohl könnte damit die Kapitalflucht weitgehend verhindert werden. Der Preis, der dafür bezahlt werden muss, liegt aber in einer gewaltigen Benachteiligung der gesamten schweizerischen Volkswirtschaft. Die Devisenbewirtschaftung hätte in erster Linie ihre Auswirkungen auf den Warenverkehr. Sie würde zunächst zu einer Flucht in die Ware führen, da einerseits Handel und Industrie bestrebt wären, ihre Vorräte an Waren möglichst zu äufnen, und anderseits das Publikum, in der Meinung sich eine wertbeständige Anlage zu sichern, Warenvorräte anlegen würde. Als Gegenmassnahme müsste eine scharfe Import- und Preiskontrolle einsetzen. Da die Devisen aus dem Exporterlös ohne Zwang der Notenbank nicht mehr angeboten werden, müsste auch der Export einer weitgehenden Kontrolle unterworfen werden. Nur wenn die verschiedenen Devisenquellen aus dem Exportsektor unserer Wirtschaft und diejenigen aus dem Kapitalverkehr weiter fliessen, stehen genügend Devisen für die notwendigen Importe zur Verfügung.
Besonders ungünstig würde sich die Devisenbewirtschaftung im Kapitalverkehr auswirken. Es bestände die Gefahr, dass unsere Einnahmen aus den Anlagen im Auslande weiter schrumpfen und mit den ändern Posten der Ertragsbilanz nicht mehr zum Ausgleich des Passivsaldos der Handelsbilanz genügen würden. Das hätte wiederum Rückwirkungen auf unsere Importtätigkeit. Einen schweren Schlag würde die Devisenbewirtschaftung für das schweizerische Bank- und Versicherungsgewerbe, sowie für alle Zweige, die rege Beziehungen mit dem Auslande besitzen, bedeuten.
Unangenehme Folgen könnten sich auch für die Landeswährung ergeben. Erfahrungsgemäss zieht das Ausland seine Gelder sobald als möglich aus denjenigen Ländern zurück, die den Kapitalverkehr hemmen. In Anbetracht der grossen Guthaben des Auslandes in der Schweiz würde sich voraussichtlich neben dem offiziellen Kurs der Notenbank je nach den Verwendungsmöglichkeiten der Guthaben ein oder mehrere Sperrfrankenkurse mit empfindlicher Entwertung bilden.
- 2
- Lettre: E 6100 (A) 19/1507.↩
- 3
- Non reproduit.↩
- 4
- RO, 1935, vol. 51, pp. 121-172. Cf. E 2001 (D) 1/221 et E 7110/1967/32/900 International/1.↩
- 5
- Cf. No 36.↩
- 6
- A ce sujet, cf. la lettre du 24 février 1939 de la Banque nationale au Département politique, E 2001 (D) 1/226.↩
- 7
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/47031. Pour le tableau, cf. dodis.ch/47031. For the table, cf. dodis.ch/47031. Per la tabella, cf. dodis.ch/47031.↩