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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 13, doc. 231
volume linkBern 1991
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E5155#1968/12#9* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 5155(A)1968/12 2 | |
Titre du dossier | Lieferungen nach dem Ausland, Korrespondenz: Deutschland, Italien, England, Frankreich, Holland, Jugoslawien, Dänemark, Bulgarien (1939–1940) | |
Référence archives | 00 |
dodis.ch/46988
Oberst Masson übermittelt mir Ihr Schreiben Nr. A.1.8. de 40 vom 16. Januar 19402 betreffend die Lieferungen von Oerlikon mit dem Ersuchen, Ihnen direkt die notwendigen Angaben zu machen, da ich in den letzten Monaten die Angelegenheit weitgehend habe bearbeiten müssen und darum am besten orientiert bin.
Um Ihnen einen Überblick zu geben, muss ich auf Ende August 1939 zurückgreifen: Im August erhielt Frankreich 60 Oerlikon-Kanonen in zwei Raten. Die erste Rate sollte um den 23. August versandt werden und damals wurde vom Kdo. der Fl. & Flab-Truppe geäussert, man sollte diese Sendung zurückbehalten und für uns beschlagnahmen. Das E.M.D. hat dann entschieden, dass dies im damaligen Moment nicht tunlich sei und die Sendung ging ab.
Die zweite Rate kam Ende August zur Spedition und es wurde versucht, die Sendung zurückzuhalten. Der französische Botschafter hat sich darauf sofort eingesetzt und es wurde an höchster Stelle entschieden, dass im Hinblick auf unsere Beziehungen zu Frankreich die Lieferung freigegeben werden müsse. Der inzwischen ernannte General hat einen Wiedererwägungsantrag gestellt, konnte aber damit nicht durchdringen.
Anfang September hat man dann die in Oerlikon vorhandenen Waffen für uns requiriert, und da es sich um solche handelte, die auf Grund der französischen Bestellungen angefertigt worden waren, kam es zu Verhandlungen mit Frankreich3, die dann am 22. September 1939 zu einer Vereinbarung führten4. In dieser Vereinbarung war festgelegt, dass für den Rest des laufenden Jahres wir während zwei Monaten die Fabrikate von Oerlikon erhalten, theoretisch die Produktion von September und November und dass die Fabrikation von Oktober und Dezember für den Export freigegeben werde. In der Vereinbarung wurde erwähnt, es handle sich für uns um 2x 60 = 120 Waffen. Tatsächlich beanspruchten wir aber 2x70 = 140, wovon je 60 von den französischen Lieferungen stammen und je 10 von holländischen.
Ich habe gesagt, theoretisch die Produktion von September und November und zwar aus folgendem Grund: Durch die Mobilmachung wurde in der ganzen Schweiz die Ausfuhr vorübergehend desorganisiert, indem bei vielen Firmen 50%, sogar bis zu 70% des Personals zum Aktivdienst einrücken mussten.
Nur ein Teil des für uns arbeitenden Personals speziell auf dem Munitionsgebiet war schon vorher vom Einrücken befreit. Bis der ganze Apparat hinsichtlich Dienstbefreiungen spielte, dauerte es sehr lange und demzufolge traten
überall wesentliche Verschiebungen in den Lieferterminen auf. Tatsächlich erhielten wir die 70 Waffen der September-Produktion erst Ende Oktober und von der vorgesehenen November-Produktion erhielten wir 30 Stück im Dezember und sollten 40 im Januar 1940 erhalten.
In den Abmachungen mit Frankreich war ferner stipuliert, dass diejenigen
Waffen, die bis Ende 1939 nicht geliefert werden, dann im Jahr 1940 sobald wie
möglich zur Lieferung kommen sollen. Die Sachlage war nun die, dass man entschieden hatte, es müsse vom Januar bis und mit Mai 1940 die Hälfte der
Produktion von Oerlikon für uns reserviert werden und der Rest sei für den
Export frei gegeben. Durch die Einflüsse der Mobilisation ist nun aber vorübergehend für den Anfang des Jahres 1940 die Produktion zurückgegangen,
wobei man sich Rechenschaft geben muss, dass die eigentliche Fabrikation nur zum kleinsten Teil von der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon selbst gemacht wird ausser der Gesamtmontage, und dass sozusagen alle Hauptbestandteile der Waffen von dritten Firmen angefertigt werden. All diese Firmen haben seit
September grosse Schwierigkeiten inbezug auf das Personal gehabt und man weiss, dass wenn einmal irgendwo ein Unterbruch entsteht, es sehr schwer ist,
die Fabrikation wieder richtig in Gang zu bringen. Ich lege Ihnen eine Tabelle bei, aus der Sie sehen, welche Produktion total ab Januar 1940 verfügbar sein dürfte.
Eine weitere grosse Schwierigkeit, die zu Differenzen mit den französischen Instanzen führte, bestand nun darin, dass Frankreich nicht der einzige Kunde von Oerlikon ist, sondern dass auch noch andere Abnehmer, zum Teil mit älteren Rechten Ansprüche erheben. Im vorliegenden Fall spielt eine wesentliche Rolle nur der Vertrag zwischen Oerlikon und Holland. Man hat nun bei uns konsequent den Standpunkt vertreten, in die Frage der Verteilung der für den Export freigegebenen Gegenstände können und wollen wir uns nicht einmischen, dies sei eine interne Sache des Fabrikanten, denn er müsse sich mit seinen Abnehmern auseinandersetzen.
Der erste Verteilungsplan sah nun vor, dass Frankreich Januar und Februar zusammen nur 25 Waffen erhalten sollte und dies gab Anlass zu wenig erfreulichen Auseinandersetzungen (zum Teil, im Vertrauen gesagt, zwischen mir und Commandant Siméon).
Um einen Ausweg zu finden, hat man nun versucht, zum mindesten von uns aus den guten Willen zu zeigen. Wir hätten im Januar und Februar je 25 Waffen erhalten sollen und haben vollständig auf die Januar-Lieferung verzichtet in der Meinung, dass wir sie dann im Februar bekommen. Die in der schon erwähnten Tabelle angegebene Januar-Lieferung mit 30 Stück gehört zum
Dezember und zählt darum hier nicht mit. Zu erwähnen ist aber, dass wir im
Januar vom Dezember her 40 Stück hätten erhalten sollen. Wir haben nun auf 10 Stück verzichtet, die wir dann im Juni (in der Tabelle nicht angegeben) erhalten werden. Anfang Januar hat dann eine Aussprache stattgefunden zwischen Herrn Bührle, Direktor der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon und dem französischen Botschafter Monsieur Alphand5. Es muss dabei ziemlich warm zugegangen sein, aber es führte zu der Lösung hinsichtlich der Lieferungen nach Frankreich, wie sie in der beiliegenden Tabelle angegeben ist.
In dieser Angelegenheit haben verschiedene Besprechungen zwischen Herrn Bundesrat Minger und Herrn Alphand stattgefunden und soviel wir heute wissen, hat man sich von seiten Frankreichs mit diesen Lieferungen einverstanden erklärt. Auf alle Fälle haben wir seit Anfang Januar keine neuen Reklamationen mehr, was naturgemäss nicht bedeuten will, dass gelegentlich wieder neue Wünsche kommen.
Ich erwähne im besondern, dass es sich bei all den Unterhandlungen immer nur um diejenigen Waffen gehandelt hat, die von Frankreich vor dem 2. September 1939 bestellt worden sind, indem man in sehr korrekter Weise auch in Paris den Standpunkt vertrat, Sachen, die erst nach Kriegsausbruch bestellt worden seien, könnten keine besondere Bevorzugung beanspruchen. (Die Engländer sind in der Beziehung weniger zurückhaltend.)
Was die in der Tabelle6 angegebenen Lieferungen für Holland anbetrifft, so bitte ich Sie aus bestimmten Gründen, von diesen Angaben keinen Gebrauch zu machen.
Es ist durchaus begreiflich, dass sich eine ganze Reihe von Instanzen für solche Geschäfte interessiert, man kann sich aber schwer vorstellen, wie schwierig es ist, Lösungen zu finden, bei denen einerseits unsere eigenen Bedürfnisse in minimalen Ausmass berücksichtigt werden und man auch noch die Nachbarn befriedigen kann.
Ich möchte Sie allgemein bitten, möglichst vertraulich von den Mitteilungen Gebrauch zu machen, schon deswegen, damit die ganze Angelegenheit, die momentan sich allem Anschein nach ruhig ab wickelt, nicht neuerdings aufgeworfen wird. Ich kann Ihnen bestimmt versichern, dass grössere Lieferungen in nützlicher Frist nicht möglich sind, denn es fehlen uns in der Schweiz die notwendigen Fabrikationseinrichtungen für die Steigerung der Produktion. Man muss nicht vergessen, dass, um nur einen Bestandteil zu nennen, die Herstellung des Yerschlusskastens der Oerlikon-Kanone einen Einsatz von über 200 Werkzeugmaschinen benötigt und dass für die gesamten Waffen wahrscheinlich mehrere tausend Maschinen in Betrieb sind.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit obigem die gewünschten Informationen gegeben habe, stehe aber selbstverständlich zur Verfügung, wenn Sie Ergänzungen benötigen und möchte Sie Ihrerseits bitten, mich zu orientieren, sofern Sie Neuigkeiten erfahren, denn je früher man orientiert wird, umso besser kann man sich für die Behandlung solcher Fragen vorbereiten.
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Exportation de matériel de guerre