Sprache: Deutsch
28.11.1939 (Dienstag)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 28.11.1939
Bundesratsprotokoll (PVCF)
Négociations avec la France: relations bilatérales et problèmes du blocus.

Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE ET ACTIVITÉS ÉCONOMIQUES
2. Ravitaillement de la Suisse en temps de guerre
2.3. Blocus franco-britannique
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Jean-François Bergier et al. (Hg.)

Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 13, Dok. 206

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Bern 1991

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CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 28 novembre 19391

2248. Wirtschaftsverhandlungen mit Frankreich

Das Volkswirtschaftsdepartement berichtet folgendes:Wie in unserem letzten Antrag an den Bundesrat mitgeteilt2, haben die Verhandlungen mit Frankreich betreffend die Kontrolle der eingeführten Waren, sowie den gegenseitigen Warenverkehr am 14. ds. vereinbarungsgemäss begonnen. Französischerseits werden sie vom Directeur des accords commerciaux (Alphand) und bei dessen Verhinderung durch seinen Vorgänger (Bonnefon-Craponne) geführt. Den Verhandlungen betreffend die Kontrolle der eingeführten Waren wohnten, als «observer» auch Vertreter der englischen Regierung bei. Leider hat sich sofort gezeigt, dass die Franzosen für die Besprechungen mit unserem Land wenig vorbereitet waren, was schon daraus hervorging, dass sie uns den gleichen Vertragsentwurf für die Kontrollfragen (question du blocus) unterbreitet haben wie den Belgiern. Die schweizerische Delegation hat dann aber schon am 2. Verhandlungstag den Franzosen eigene «propositions concernant l’emploi des marchandises importées» überreicht. Erst am 20. ds. haben uns dann die Franzosen besonders für unser Land ausgearbeitete neue Vorschläge mit entsprechenden Listen gemacht.Regelung der «Blockade»-Fragen.

Die Franzosen verlangen, dass die wichtigsten Waren für unsere Landesverteidigung, sowie die Ernährung unseres Volkes (Liste I) in unverändertem Zustand nicht wieder ausgeführt werden dürfen3. Über diese Liste ist weitgehend Einverständnis erzielt worden, wobei die Schweiz folgende Grundsätze angewendet wissen will:

1. Bei den Waren der Liste I handelt es sich nur um eingeführte Waren, die unverändert nicht reexportiert werden dürfen; daraus ziehen wir die Folgerungen, dass

a) die Produkte der schweizerischen Landwirtschaft und des schweizerischen Bodens ohne weiteres exportiert werden können,

b) ebenfalls alle in der Schweiz aus importierten Gütern hergestellten Produkte, die in unserem Land eine wesentliche Bearbeitung erfahren haben.

2. Zu unserer Überraschung mussten wir feststellen, dass die Franzosen von der Wiederausfuhr völlig ausschliessen wollen rohe Felle und Häute, Eisenerze und Abfälle aller Art. Wir haben dagegen den Standpunkt vertreten, dass dies ebenfalls Schweizerwaren seien - also nicht importierte - und daher nicht unter das Verbot der Wiederausfuhr fallen. Da diese Waren für unsern Export eine wichtige Rolle spielen, könnten wir höchstens eine Reduktion der bisherigen Ausfuhr in Erwägung ziehen für Häute und Felle, sowie für Abfälle und Hadern, nicht aber für Eisenerze. Hier müssen wir mit Rücksicht auf die neu zum Export gelangenden Fricktaler-Erze sogar eine gewisse Erhöhung unserer Exportmengen verlangen. Da unser Export nicht einmal 1 % der gesamten Erz-Einfuhr in Deutschland ausmacht und nach erhaltenen Mitteilungen England Schweden die normale Erz-Ausfuhr nach Deutschland zugestanden hat, hoffen wir, dass unsern Bedürfnissen ebenfalls Rechnung getragen wird. Erz ist besonders wichtig als Kompensationsware für Eisen und Stahl, die wir aus Deutschland einführen müssen.

3. Im Zusammenhang mit dieser Grundlegenden Liste I zeigt sich nun eine weitere sehr ernste Differenz gegenüber dem französischen Standpunkt. Wir haben uns schliesslich bereit erklärt, die Wiederausfuhr der in der Schweiz aus Produkten der Liste I hergestellten Fabrikate auf die sog. «courants normaux» zu beschränken gegenüber den mit den Westmächten im Kriegszustand befindlichen Staaten (also Deutschland). Das französisch-englische Verlangen geht nun aber dahin, die Beschränkung des Exportes auf die «courants normaux» auch auf gewisse neutrale Staaten auszudehnen. (Voraussichtlich handelt es sich dabei um Holland, Dänemark, Ungarn, Italien, Jugoslawien, Russland, Bulgarien und Rumänien.) Eine Überschreitung der «courants normaux» unserer Ausfuhr nach diesen Staaten wäre nur zulässig, wenn die Schweiz für diese Mehrausfuhr sich mit den betreffenden neutralen Staaten dahin verständigen würde, dass für diese Mehrausfuhr eine Wiederausfuhr nicht stattfindet (selbstverständlich in erster Linie nicht nach Deutschland). Wir haben diese Zumutung strikte abgelehnt und erklärt, es sei Sache der Westmächte, mit diesen neutralen Staaten die entsprechenden Abkommen mit den nötigen Garantien selbst abzuschliessen. Vor allem wegen dieser Fragen sind dann die Verhandlungen mit Frankreich am 23. ds. unterbrochen worden. Herr Minister Stucki wird in der Zwischenzeit unsern Standpunkt auch höhern Ortes mit aller Energie vertreten.

Sollten die Franzosen an ihrem Standpunkt festhalten - was durchaus den Anschein hat - dann wäre die genannte Liste I zu modifizieren resp. zu kürzen.

Das Verbot der Wiederausfuhr durch gewisse neutrale Staaten von Importen aus der Schweiz über die «courants normaux» hinaus ist unter allen Umständen auf möglichst wenige Waren resp. Warengruppen zu beschränken. Da die Schweiz wegen der Kriegsverhältnisse sicherlich nicht unbedeutende Exportverluste nach verschiedenen kriegführenden Staaten erleiden wird, muss sie die Möglichkeit, sich bei den neutralen Staaten einen Ausgleich schaffen zu können, mit äusserster Hartnäckigkeit verteidigen, ganz abgesehen davon, dass diese Frage auch vom politischen Standpunkt aus betrachtet mit grösster Vorsicht behandelt werden muss. Es ist zu hoffen, dass es den Westmächten gelingt, mit verschiedenen der genannten Staaten selber die nötigen Garantien zu vereinbaren und dass in Verbindung mit unsern Clearingverträgen mit den noch verbleibenden Staaten eine wirtschaftlich und politisch tragbare Lösung gefunden werden kann.

4. Eine Liste II4 umfasst die meisten Artikel der Liste I und wird von den Franzosen wie folgt umschrieben: «Pour les marchandises énumérées à la liste II ainsi que pour les produits qui en dérivent, le gouvernement suisse est disposé à négocier des accords spéciaux portant réduction des courants normaux à destination des pays autres que les pays expéditeurs ou les pays neutres énumérés à la note jointe» (fehlt noch).

Wir haben uns gegen diese weitgehende Einschränkung der «courants normaux» ausgesprochen, indem wir auf die ganz besondere Lage unseres Landes hingewiesen haben (vgl. unser Aide-mémoire vom 30. Oktober 1939)5. Insbesondere haben wir uns dagegen gewendet, dass die «courants normaux» unserer Ausfuhr nicht nur nach den kriegführenden Staaten (besonderes Deutschland), sondern auch nach neutralen Staaten reduziert werden sollen. Während der Verhandlungen hat sich offenbar bei den Franzosen hier eine gewisse Wandlung vollzogen, indem sie nun erklärten, dass gar keine Verpflichtung zu solchen accords spéciaux bestehe; es werde sich dann zeigen, ob und in welchem Umfang sie überhaupt möglich und nötig würden. Die Franzosen bezweckten übrigens nicht in erster Linie eine Einschränkung des schweizerischen Exportes nach gewissen Staaten, sondern eine Ausdehnung desselben nach Frankreich. Diese accords spéciaux sollten ermöglichen, dass Frankreich auf verschiedenen Gebieten uns zusätzliche Exportaufträge (natürlich für die Kriegsführung) bei gleichzeitiger Lieferung des nötigen Rohmaterials erteile. Das gebe dann in der Schweiz eine gewisse Umstellung einzelner Produktionen und habe dann eben zur Folge eine Reduktion der schweizerischen Ausfuhr nach ändern Staaten. Es würde sich also hier um eine Art Veredlungsverkehr unseres Landes für Frankreich handeln. Bei dieser neuen Formulierung dürfte eine tragbare Lösung für unser Land eher zu finden sein als nach der ursprünglichen Fassung. Schwierig wird vor allem die Frage des Exportes von Erzen, Abfällen, Häuten und Fellen, sowie von Hadern zu lösen sein.

Eine weitere Differenz besteht darin, dass Frankreich für alle Waren, die nicht in den Listen I und II figurieren, grundsätzlich bei der Ausfuhr aus der Schweiz nur die «courants normaux» zulassen will (Les produits non repris aux listes I & II ne pourront être exportés que dans la limite des courants normaux). In der Folge haben dann allerdings die Franzosen eine Überschreitung der «courants normaux» nach den meisten neutralen Staaten zugestanden. Die schweizerische Delegation hat sich jedoch damit nicht zufrieden gegeben und jede Einschränkung über die Listen I & II hinaus abgelehnt.

5. Ernste Schwierigkeiten werden sich voraussichtlich auch noch aus der Notwendigkeit ergeben, die Voraussetzungen zu umschreiben, unter denen eine Ware in der Schweiz nationalisiert wird, um als schweizerisches Erzeugnis nach Deutschland ausgeführt werden zu können. Die Schweiz muss grundsätzlich verlangen, dass ihre Ursprungskriterien für den Clearing-Verkehr auch für die vorliegenden Zwecke der Blockade-Politik anerkannt werden, wobei es sich lediglich darum handeln kann, gewisse Ausnahme-Toleranzen, die bis jetzt von der Schweiz autonom gewährt wurden, aufzuheben. Für den Export nach neutralen Staaten kann die Schweiz sich jedoch derartige Einschränkungen nicht auferlegen lassen.Regelung der gegenseitigen Ein- und Ausfuhr.

1. Auch auf diesem Gebiet gehen die Auffassungen der beiden Delegationen noch sehr weit auseinander. Während die Schweiz grundsätzlich die Aufrechterhaltung - mit den durch die Verhältnisse bedingten Abänderungen - der bisherigen vertraglichen Regelung postuliert hat, erklärt Frankreich das sehr wichtige arrangement complémentaire de la Convention commerciale francosuisse vom 31. März 19376 als dahingefallen. Die schweizerische Delegation hat daher der französischen Delegation bereits am 16. crt. einen Gegenentwurf zu einem projet d’accord commercial unterbreitet. Darin figuriert die bisherige Bestimmung betreffend die Zollbindungen, sowie die wichtigen Abmachungen betreffend die Durchführung zahlreicher französischer Einfuhrbeschränkungen durch die Schweiz, sowie die besondere Regelung für die Maschinenindustrie durch das Mittel der sog. «bons de commande». Die Franzosen wollen aber für alle diese Probleme keine vertraglichen Abmachungen mehr, sondern es soll auch hier die neue französische Gesetzgebung gelten. Es würden somit alle Zollbindungen, sowie die schweizerische Kontingentsverwaltung für zahlreiche französische einfuhrverbotene Waren dahinfallen. Die Erfahrungen haben aber gezeigt, dass ein halbwegs richtiges Funktionieren der französischen Einfuhrverbote nur möglich ist, wenn der Schweiz bei der Bewilligungserteilung ein ziemlich weitgehendes Mitspracherecht eingeräumt wird. Nur auf diese Weise ist zu verhindern, dass unsere Exporteure völlig der Willkür der französischen Konkurrenz ausgeliefert werden.

2. Auch die uns von Frankreich in Aussicht gestellten Einfuhrkontingente sind für zahlreiche Waren ungenügend, ganz abgesehen davon, dass die Schweiz infolge des totalen französischen Einfuhrverbots auch für die bisher nicht kontingentierten Waren sich genügende Einfuhrmöglichkeiten nach Frankreich sichern muss. Es kommt hinzu, dass Frankreich nicht mehr Jahres-, sondern nur noch Quartalskontingente zubilligen will. Ferner hat Frankreich für zahlreiche Warengruppen Ausfuhrverbote erlassen, sodass auch hier auf vertraglichem Wege für ausreichende Ausfuhrbewilligungen nach der Schweiz gesorgt werden muss. Ferner sieht unser Gegenentwurf folgende Klausel für die Versorgung der Schweiz vor: «En dehors des échanges de marchandises auxquels se réfèrent les articles ci-dessus, des accords spéciaux pourront intervenir pour la fourniture et l’acheminement des marchandises originaires et en provenance de France qui seraient nécessaires au ravitaillement de la Suisse.»

3. Ferner haben wir Bestimmungen aufgenommen für die Sicherung der Zahlung unseres Exportes, für die sehr wichtigen Fragen des Transites, des Veredlungsverkehrs, sowie die Regelung der Preise für nach Frankreich eingeführte Waren. In Art. X (Transit de ou pour la Suisse) unseres Gegenvorschlages haben wir für die Regelung der Frage der Requisitionen folgenden Passus aufgenommen: «Les marchandises bénéficiant du régime de transit conformément aux dispositions ci-dessus, ne pourront pas faire l’objet de mesures de réquisition. Une rupture de charge due à la réquisition du matériel de transport ne privera pas ces marchandises du bénéfice du régime de transit.» Es ergibt sich aus diesen Ausführungen, dass auch betr. die handelspolitischen Probleme noch grosse Meinungsverschiedenheiten bestehen und es grosser schweizerischer Anstrengungen bedarf, besonders für unsere althergebrachten schweizerischen Exportindustrien - im Gegensatz zu den Kriegsindustrien - von Frankreich genügende Exportmöglichkeiten zugesichert zu erhalten. Der kurze Aufenthalt der schweizerischen Verhandlungsdelegation in der Schweiz wird dazu benutzt werden, um mit den wichtigsten Wirtschaftsgruppen konferenziell Fühlung zu nehmen und insbesondere auch der begutachtenden Kommission für die Warenüberwachung Gelegenheit zu einer Aussprache zu geben. Es ist vorgesehen, dass die Verhandlungen in Paris am 30. ds. wiederum aufgenommen werden sollen.»

Gestützt auf diese Ausführungen wird antragsgemäss1. Vom vorliegenden Verhandlungsbericht wird in zustimmendem Sinne Kenntnis genommen;

2. die schweizerische Delegation wird beauftragt, die schweizerischen Interessen im Sinne dieses Berichtes mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu vertreten und nach Möglichkeit vertraglich zu sichern.

1
E 1004.1 1/391. Etaient absents: G. Motta, H. Obrecht, M. Pilet-Golaz.
2
Cf. No 189.
3
La liste comprend: Céréales. Farines de céréales. Pommes de terre et pommes de terre de semence. Houblon. Café ou succédanés. Thé. Cacao et ses produits. Sucre. Huiles comestibles. Saindoux. Oléomargarine, suif comestible. Beurre de margarine, etc., graisses comestibles. Beurre de coco. Salpêtre autres. Scories Thomas. Engrais préparés, superphosphates, engrais artificiels. Graines et fruits oléagineux. Bois de noyer et bois exotiques, bruts. Matières textiles et à tresser. Confections. Crins. Feutres et couvertures de cheval. Caoutchouc brut. Caoutchouc gutta-percha. Couvertures de parapluie en soie. Bâches. Ciment. Electrodes non montées. Emeri brut. Carborundum. Ouvrages en émeri et en carborundum. Amiante et vêtements en amiante. Houille. Résidus de pétrole. Lignite. Coke. Briquettes de tous genres. Creusets, moufles et cazettes. Métaux et leurs minerais. Métaux précieux. Minerais et métaux non dénommés ailleurs. Machines, engins mécaniques et véhicules. Instruments et appareils. Saccharine. Huile de ricin. Produits chimiques autres. Peroxyde de baryum, de plomb et de sodium. Bioxyde d’hydrogène. Brome et sels de brome, iode et sels d’iode. Carbure de calcium. Chromate de soude. Acétate de soude, etc. Sels de soude non dénommés ailleurs. Matières auxiliaires préparées, inorganiques, non dénommées ailleurs, pour usage industriel, autres. Acide lactique, esprit de bois, etc. Extrait de châtaignier. Extraits de tannants, autres. Gélatine, colle de poisson. Munitions pour armes à feu, portatives. Feux d’artifices. Couleurs d’aniline, etc. Huile d’olives dénaturée; huile d’amandes; oléine. Huile de ricin. Graisses animales de tous genres. Noch fraglich: Café décaféiné et autre. Cuirs et peaux. Tourteaux et produits servant à l’alimentation du bétail. Chiffons, drilles de tous genres. Crins. Alcool méthylique. Dérivés du goudron de houille, etc. Combinaisons d’aniline pour la fabrication des couleurs. Chlorure de benzyle, etc. Huile de lin.
4
Cf. E 7110 1967 32/821.0Frankreich.
5
Cf. No 189 et E 2200 Paris 12/38.
6
K.I. 1607 et Cf. Feuille officielle suisse du Commerce 1937, vol. I, pp. 875 ss.