Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE ET ACTIVITÉS ÉCONOMIQUES
2. Ravitaillement de la Suisse en temps de guerre
2.3. Blocus franco-britannique
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 195
volume linkBern 1991
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#7344* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 230 | |
Dossier title | Frankreich (1938–1942) | |
File reference archive | C.21.21.1 • Additional component: Frankreich |
dodis.ch/46952
Bezugnehmend auf unsere gestrige telephonische Besprechung, beehre ich mich Ihnen mitzuteilen, dass ich gestern Abend dem französischen Blockademinister, Herrn Pernot, das Memorandum2 überreicht habe, dessen französischen Text Sie unterdessen erhalten haben werden. Ich habe das Memorandum auf sehr einlässliche Weise kommentiert und besonders Gewicht auf folgende Argumentation gelegt.
Nach dem letzten Wirtschaftsabkommen, das die Schweiz mit Deutschland abgeschlossen hat3, wird Deutschland der Schweiz immer ungefähr im doppelten Werte Waren liefern müssen, als die Schweiz Waren nach Deutschland ausführt. Während die Schweiz keinerlei Rohstoffe und nur sehr wenig Lebensmittel ausführen kann, liefert Deutschland wesentliche Mengen solcher Rohstoffe, insbesondere Kohlen und Eisen, und auch in seinen übrigen Lieferungen sind selbstverständlich wesentliche Rohstoffmengen enthalten. Ich glaube deshalb sagen zu dürfen, dass die «Rohstoffbilanz» für Deutschland im Verkehr mit der Schweiz natürlich passiv ist. Dieser Umstand allein ist eigentlich für die Blockadepolitik der Alliierten massgebend. Die Schweiz macht dreierlei Vorschläge, nämlich:
a. sie verpflichtet sich, nach Deutschland keinerlei industrielle Rohstoffe zu liefern,
b. sie beansprucht die Freiheit für die Produkte ihrer Landwirtschaft und ihres Bodens,
c. sie beansprucht eine gewisse Freiheit für diejenigen von ihr hergestellten Produkte, die aus Rohstoffen französisch-englischen Ursprungs oder Transites hergestellt werden, indem sie dafür sorgt, dass diese Rohstoffe in der Schweiz eine wesentliche Bearbeitung erfahren haben müssen. Eine generelle Verpflichtung, solche Fabrikate nicht nach Deutschland auszuführen, kann sie unter keinen Umständen eingehen. Dies ist aber auch vom Standpunkt der englischfranzösischen Blockadepolitik aus gesehen, durchaus nicht nötig.
Diese Argumentation ist nicht ohne Eindruck geblieben. Es wäre deshalb zweckmässig, für die eigentlichen Verhandlungen die Frage dieser «Rohstoffbilanz» näher abzuklären und sie den Franzosen gegenüber möglichst solid dokumentiert zu verfechten. Sie erinnern sich, dass die gleiche These vor Jahren von den Deutschen in den Clearings Verhandlungen vertreten wurde und dass man damals von deutscher wie von schweizerischer Seite Rechnungen aufgestellt hat. Diese müssen sich unbedingt noch in den Akten befinden und dürften vielleicht nützliche Dienste leisten.
Herr Minister Pernot, der mich sehr freundlich empfangen und behandelt hat, beschränkte sich auf Bemerkungen ganz allgemeiner Natur: Die französische Regierung wünsche durchaus keinen Konflikt mit der Schweiz, sei aber anderseits fest entschlossen, den Wirtschaftskrieg gegen Deutschland mit der grössten Energie und allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln durchzuführen. Er hoffe, dass trotz der sehr grossen Schwierigkeiten eine Lösung gefunden werden könne, die auch für die Schweiz erträglich sei. Er interessiere sich ausserordentlich für das kürzlich abgeschlossene deutsch-schweizerische Abkommen und wäre sehr dankbar, wenn wir ihm dies zur Verfügung stellen könnten (!). Er sei sehr bestrebt, die Schweiz von Deutschland und übrigens auch von Italien unabhängig zu machen und suche insbesondere die Möglichkeit, die deutsche Kohle durch französische Kohle zu ersetzen, sowie uns für den Benzintransport durch Frankreich französische Zisternenwagen zur Verfügung zu stellen, damit wir nicht über Italien importieren müssten (!).
Ich antworte darauf, dass solche Vorschläge für uns keine Lösungen bedeuten können, weil wir darauf angewiesen sind, in der Ein- wie in der Ausfuhr einigermassen normale Wirtschaftsbeziehungen mit allen Nachbarn aufrecht zu erhalten. Es könne sich für uns keineswegs darum handeln, die Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland abzubrechen, und schliesslich sei es auch für Frankreich wichtiger, dass die Schweiz mit Deutschland eine passive Rohstoffbilanz beibehalte, als dass der Verkehr theoretisch auf Null reduziert werde. Gerade die Resultate der Sanktionspolitik gegen Italien hätten gezeigt, wie unwirksam, ja verhängnisvoll solche theoretische und schematische Gesichtspunkte sich auswirken.
Diese Einwendungen haben Herrn Pernot sichtlich enttäuscht und er hat das Gespräch damit abgeschlossen, er werde unser Memorandum persönlich und durch seine Dienstzweige einlässlich prüfen und mir dann weitern Bericht geben. Seiner Ansicht nach sollten die schweizerisch-französischen Verhandlungen über diese Fragen möglichst rasch, und zwar in Paris, aufgenommen werden. England sei sicherlich nicht nur einverstanden, sondern froh, wenn die Schweiz zunächst mit Frankreich und erst nachher mit England verhandle.
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