Language: German
27.7.1939 (Thursday)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 27.7.1939 1
Minutes of the Federal Council (PVCF)
Guerre aérienne et neutralité. Création d’une escadrille de surveillance.
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Printed in

Jean-François Bergier et al. (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 123

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Bern 1991

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dodis.ch/46880
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 27 juillet 19391

1479. Schaffung eines Überwachungsgeschwaders

Das Militärdepartement berichtet folgendes:

«Wenn heute in deutschen Pressestimmen die bekannte Tatsache der Luftneutralität Belgiens und Hollands die Ansicht aufkommen lässt, ein Luftangriff Englands gegen das Industriezentrum der Ruhrgegend werde durch die Tatsache dieser Luftneutralität stark gehemmt, so kann auch die Schweiz daraus die Bedeutung der Luftneutralität in ihrem vollen Umfange und der ganzen Tragweite ermessen.

Es geht auf die Tage der Abrüstungskonferenz zurück, dass vom eidg. Militärdepartement ein Gutachten von Prof. Max Huber über die Wahrung der Luftneutralität eingeholt wurde. Prof. Huber legte damals seinem Gutachten auch den Bericht bei, den er schon 1914 in der gleichen Sache zu Händen des Generalstabes der Armee verfasst hatte2.

Für die Abwägung der militärischen Interessen ist es vor allem wichtig festzustellen, inwieweit die Schweiz verpflichtet ist, dem Versuche eines kriegführenden Nachbarstaates zum Überfliegen des schweizerischen Luftraumes mit starken Geschwadern, mit eigenen Kräften entgegenzutreten. Es kann uns auch nicht gleichgültig sein, welches die Folgen sind, wenn wir derartige Staffeln nur von der Erde aus bekämpfen oder sie, solange ein Angriff gegen die Schweiz nicht stattfindet, überhaupt ziehen lassen.

Als im Verlaufe des spanischen Bürgerkrieges ein ziemlich lebhafter Luftverkehr Deutschland - Spanien durch unsern Luftraum einsetzte, war es gegeben, angesichts der möglichen, daraus entstehenden internationalen Verwicklungen, die Frage der Luftneutralität in beschleunigter Weise abzuklären. Zu den bereits vorhandenen Vorarbeiten von Prof. Huber, liess das eidg. Militärdepartement ein weiteres Gutachten von Prof. von Waldkirch ausarbeiten, dem ein Entwurf zu einer Verordnung über die Neutralität im Lufträume beigegeben war3.

Der Text dieser Verordnung sah als wichtige Bestimmung vor, dass der Verkehr schweizerischer und ausländischer Luftfahrzeuge im schweizerischen Lufträume nur nach Erteilung einer entsprechenden Bewilligung zuzulassen sei. Ein Luftfahrzeug, das gegen diese Vorschrift handle, könne mit Gewalt zum Landen gezwungen werden.

Neben diesen Vorarbeiten des eidg. Militärdepartements wurde vom eidg. Luftamt selbst, der Entwurf zu einem Bundesratsbeschluss auf provisorische Einschränkung des Überfliegens schweizerischen Gebietes ausgearbeitet.

Noch in die Zeit dieser Vorarbeiten fielen die Bestrebungen des Politischen Departements, vom Völkerbund die Rückgewinnung unserer integralen Neutralität zu erreichen. Das Politische Departement hat das Militärdepartement anschliessend an diese Beratungen davon in Kenntnis gesetzt, dass von Frankreich besonderes Gewicht auf die Frage gelegt werde, ob die Schweiz auch in der Lage sei, die Neutralität des Luftraumes in gleicher Weise zu wahren, wie dies auf der Erde geschehe. Frankreich wünschte dringend, dass von Seiten der Schweiz eine entsprechende Willenskundgebung ausgehe. Der Vorsteher des Politischen Departements liess uns in der Folge wissen, dass er in der öffentlichen Sitzung des Völkerbundrates vom 14. Mai 1938 folgende Erklärung abgegeben habe4:

«La Suisse demeurera fidèle à l’idéal de collaboration et de bonne entente internationale qui a toujours été le sien et qui continuera à l’animer. Elle ne reculera pas, comme je l’avais déjà déclaré, devant les sacrifices que lui impose sa position géographique. Elle a toujours eu la volonté - et cette volonté est inébranlable - de défendre par tous les moyens en son pouvoir son sol et son domaine aérien dans l’intérêt commun de tous les Etats et notamment de ses voisins.»

Neben den Gutachten Huber und von Waldkirch ergab nun diese Erklärung eindeutig, dass es sich für die Schweiz bei der Wahrung der Neutralität des Luftraumes um eine, aus ihrer neutralen Stellung fliessende Pflicht handle. In richtiger Erkenntnis der ganzen Tragweite dieser Frage gelangten wir deshalb zur Überzeugung, dass vor dem Erlass von Vorschriften über die Handhabung der Neutralität im Lufträume, eine Luftüberwachungsorganisation in normalen Zeiten geschaffen werden müsse, die befähigt sei, allen aus dieser Haltung entstehenden Lagen gerecht zu werden.

In mehreren Besprechungen zwischen der Oberzolldirektion, dem eidg. Luftamt, der Generalstabsabteilung und der Abteilung für Flugwesen und Fliegerabwehr wurden die Grundlagen zur Aufstellung einer Luftüberwachungsorganisation vorbereitet. Von allem Anfang an war man sich klar, dass es sich bei dieser Organisation nur um eine solche militärischer Natur handeln könne. Bei den Beratungen kam vor allem auch zum Ausdruck, dass die bei den aussenpolitischen Spannungen im März und September 1938 angeordnete erhöhte Einsatzbereitschaft von Piloten und Flugzeugen unserer Luftwaffe und die Verstärkung der Funküberwachung nur einen Notbehelf darstellen könne und deshalb unverzüglich durch eine zweckmässigere und unabhängige Organisation ersetzt werden sollte. Die Lösung erblickte man vor allem in der Schaffung eines Überwachungsgeschwaders, das ähnlich wie das Grenzwachtkorps und die freiwillige Grenztruppe auf der Erde, ständig die mit der Grenzsicherung im Lufträume zusammenhängenden Aufgaben zu erfüllen hätte.

Um mit grösster Raschheit neutralitätswidrige Vorgänge in unserm Lufträume verhindern zu können, muss diesen Überwachungsgeschwadern eine angemessene Gefechtskraft innewohnen. Die rasche Bereitschaft erfordert überdies eine Auflockerung des Geschwaders in einzelne Staffeln, die entsprechend den Aufgaben der Grenzüberwachung, auf die Landesteile verteilt werden. Nach gründlicher und allseitiger Abklärung halten wir ein Geschwader von drei Staffeln, jede zu 9 Flugzeugen als Mindestbestand einer stets einsatzbereiten Luftüberwachungsorganisation. Mit Einschluss eines Flugzeuges für den Geschwaderkommandanten, aber ohne Zuteilung von Reservemaschinen, sind deshalb 28 Flugzeuge notwendig.

Bevor jedoch auf die personelle und materielle Organisation des Überwachungsgeschwaders eingetreten wird, sei über den Aufgabenkreis folgendes ausgeführt:

In der Zuweisung der Aufgaben ergeben sich vor allem Änderungen, je nach dem ob es sich um einen Zustand des allgemeinen Friedens oder, bei kriegerischen Verwicklungen in den Nachbarstaaten, um die Wahrung der Neutralität handelt.

Im Frieden werden die Überwachungsflieger, in ähnlicher Weise wie die Grenzwächter und die freiwillige Grenztruppe auf der Erde, die Grenzüberwachung im Lufträume zu besorgen haben. Gleichzeitig wie bei der Bewachung der Erdgrenze, wird bei aussenpolitischen Spannungen auch in der Luft eine verstärkte Kontrolle und erhöhte Bereitschaft einzusetzen haben, ohne dabei schon an die Mobilmachung der Fliegertruppe denken zu müssen. Im weitern muss dem Verbot auf Überfliegen der verbotenen Zonen die notwendige Nachachtung verschafft werden, verbunden mit einer Kontrolle des Photoverbotes. Auf Anforderung des eidg. Luftamtes hin, werden dem Überwachungsgeschwader auch weitere Kontrollfunktionen des Flugverkehrs übertragen werden können, namentlich im Zusammenhange mit dem Funkuberwachungssender in Münchenbuchsee.

Schon mehr militärischer Natur ist die überaus wichtige Verhinderung von neutralitätswidrigen Vorgängen in unserm Lufträume. Gerade dort werden wir mit aller Deutlichkeit unsern Nachbarn zu verstehen geben, dass wir die Wahrung der Neutralität des Luftraumes mit aller Kraft und aus eigenen Mitteln sicherstellen werden.

Ganz in das militärische Gebiet gehört alsdann der Schutz militärischer Objekte, besonders der Grenzbefestigungen gegen Spionage aus der Luft. Es wird auch zur moralischen Stärkung der Grenzschutzorgane und der Grenzbevölkerung beitragen, wenn sie sich auch in der Luft ständig vor Überraschungen gesichert wissen.

In politisch unsichern Zeiten hat das Überwachungsgeschwader die sofortige erhöhte Kontrolle der Grenze zu übernehmen und bereit zu stehen zur Aufnahme der Zusammenarbeit mit den alarmierten Grenztruppen. Im Kriegsfälle selbst tritt hinzu der Schutz der Mobilmachung in Verbindung mit den Grenztruppen, gefolgt von Späherdienst in Verbindung mit dem Fliegerbeobachtungs- und Meldedienst.

[...]5 Antragsgemäss und mit Zustimmung des Finanz- und Zolldepartements wird daher beschlossen, von den Ausführungen des eidgenössischen] Militärdepartements über die Schaffung eines Üeberwachungsgeschwaders in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen.

1
E 1004.1 1/387. Etaient absents: J. Baumann, Ph. Etter et H. Obrecht.
2
Cf. E 27/15797.
3
Idem.
4
Cf. E 2001 (D) l/21f.
5
Suivent des propositions sur l’équipement (avions et munitions), le personnel, les troupes et le financement de l’escadrille.