Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.1. QUESTIONS DE POLITIQUE GÉNÉRALE ET BILATÉRALE
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 12, doc. 488
volume linkBern 1994
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2001D#1000/1551#98* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2001(D)1000/1551 4 | |
Titolo dossier | Neutrale Haltung der Schweizerpresse, Allgemeines (1937–1946) | |
Riferimento archivio | A.15.42.10 |
dodis.ch/46748 La Division des Affaires étrangères du Département politique aux Légations et Consulats généraux de Suisse1
Am 14. Dezember d. J. ist durch die Vorsteher des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartements sowie des Eidgenössischen Politischen Departements im Nationalrat Aufschluss gegeben worden über die Haltung des Bundesrates zu gewissen Tagesfragen, die in verschiedener Hinsicht unser Verhältnis zum Deutschen Reich berühren. Wir beehren uns, Ihnen anbei den Wortlaut sowohl der Ausführungen des Herrn Bundespräsidenten Baumann wie denjenigen der Mitteilungen des Chefs des Politischen Departements zu übermitteln2 und möchten zu ihrer Erläuterung noch einige Bemerkungen beifügen.
Das Aufgehen Österreichs im Deutschen Reich und die schon ein halbes Jahr später erfolgte Angliederung der deutschen Randgebiete der Tschechoslowakei an Deutschland haben in unserm Volk einen tiefen Eindruck hinterlassen. Besonders in einzelnen Bevölkerungskreisen der Nord- und Ostschweiz zeigte sich eine wahre Bestürzung, vermutlich von der Befürchtung herrührend, dass unsere innenpolitische Ordnung von dem Gang der Dinge jenseits der Rheingrenze nicht unbeeinflusst bleiben könne. Jedenfalls hat sich gezeigt, dass der Anschluss Österreichs und des Sudetengebietes an Deutschland vor allem eine lebhafte Reaktion in den Blättern der kommunistischen, sozialistischen und linksbürgerlichen Parteien hervorrief, die dann allerdings auch durch einige gutbürgerliche Organe der freisinnigen Rechten und der katholisch-konservativen Partei unterstützt wurde. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass die sich steigernde Aufregung zum guten Teil künstlich erzeugt wurde, wofür mancherlei Anhaltspunkte vorliegen, von denen in Kürze nur folgende angeführt seien.
Der schweizerischen Öffentlichkeit wurde mit grosser Eindringlichkeit glaubhaft zu machen versucht, dass es in der ganzen Schweiz von nationalsozialistischen Agenten und Spionen wimmle, dass durch ein organisiertes Spitzelsystem das bürgerliche Leben unterminiert werde und dass durch eine umfassende Propaganda die Gemüter für eine «Erneuerung» des politischen Lebens im Sinne der nationalsozialistischen Doktrin gewonnen werden sollten. Den Höhepunkt erreichte diese Welle der Gerüchte und Vermutungen durch die Tätigkeit dreier schweizerischer Vereinigungen nationalsozialistischen Charakters, die in einer heftigen Werbeaktion die bestehende staatliche Ordnung in der Schweiz angriffen, der sie vorwarfen, in weitem Ausmass jüdischfreimaurerisch-marxistischen Einflüssen zu unterliegen. Das Erscheinen der Organe dieser Vereinigungen wurde durch den Bundesrat schliesslich verboten,
mit der Begründung, dass die propagandistische Verteilung dieser Zeitungen
eine Übertretung der Vorschriften über die Verbreitung staatsgefährlichen
Werbematerials darstelle. Um über die Herkunft der Gelder, mit denen diese
Bewegungen finanziert wurden, Aufschluss zu erhalten und über die Tätigkeit
der Personen, die mit ihnen in Berührung standen, Gewissheit zu erlangen,
wurden von der Bundesanwaltschaft und kantonalen Polizeistellen zahlreiche
Verhaftungen vorgenommen, sowie über 100 Haussuchungen angeordnet. Das
Ergebnis aller dieser Erhebungen dürfte zum Schlüsse führen, dass den
Anschuldigungen nicht von fern die Bedeutung zukommt, welche unsere
Presse ihnen beimessen wollte. Wenn nach abgeschlossener Untersuchung eine
Anzahl von Personen vor Gericht gestellt werden müssen, so ist damit noch
lange nicht gesagt, dass durch die Tätigkeit dieser Leute unser Staatswesen in
Gefahr geschwebt hätte, das Los Österreichs oder der Tschechoslowakei zu teilen.
Abgesehen von den Meldungen über nationalsozialistische Umtriebe im
Inland wurde die schweizerische Öffentlichkeit auch durch Sensationsnachrichten erschreckt, die sich in der Folge stets als durchaus unwahr herausgestellt haben. So berichtete das Zürcher «Volksrecht» im Juli 1938 von einem
unmittelbar bevorstehenden Einmarsch deutscher Truppen in Liechtenstein,
was eine allgemeine Kapitalflucht aus dem Ländchen zur Folge hatte. Diese
Meldung wurde von der Basler «National-Zeitung» als glaubwürdig weitergegeben. Dementis von der deutschen und der liechtensteinischen Regierung
wurden als belanglos hingestellt. - Im September gelangte auf dem Umweg
über die kommunistischen Zeitungen «L’Humanité» und «Freiheit» eine Mitteilung, die ursprünglich von dem Moskauer-Sender ausgegangen sein soll,
durch die schweizerische Presse, wonach an der deutschen Grenze und in deutschen Bahnhöfen Plakate angeschlagen seien, mit der Inschrift «2xh Millionen
Schweizer warten auf ihre Erlösung! ». Eine Reihe von Personen wollten solche
Aufschriften gesehen haben, doch eingehende Erhebungen der Bundesanwaltschaft und schweizerischer Konsulate ergaben nicht die geringsten Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Behauptung. - Die neueste Falschmeldung über
einen angeblichen Plan der Aufteilung der Schweiz war in anderer Form von
der Berner «Tagwacht» schon vor einigen Monaten anlässlich der Reise Marschall Balbos nach Berlin gebracht worden. Vor kurzem wurde sie von einem
Korrespondenten der «News Chronicle» aufgewärmt, unter dem Beifügen,
dass Herr Legationsrat von Bibra als Beauftragter für die Vorbereitung des
Anschlusses der deutschen Schweiz an Deutschland ernannt sei. Auch diese
Nachricht wurde prompt vom Zürcher «Volksrecht», der Berner «Tagwacht»
und den Basler Linksblättern weitergegeben.
Mit solchen Lügermeldungen Hand in Hand gingen aufbauschende Darstellungen über deutsche Interventionen beim Politischen Departement und kantonalen Stellen, Übertreibungen hinsichtlich der Aufgaben «einsatzbereiter»
Studenten in der Schweiz u.a.m. Von den gemeldeten deutschen Versuchen zur
«Gleichschaltung» der Schweiz blieb nur die Feststellung übrig, dass auf einzelnen deutschen Karten und Schulungsbriefen sowie in gewissen deutschen
Lehrplänen das Gebiet der deutschen Schweiz als zu «Deutschland», d.h. zum
«geschlossenen deutschen Volksboden» gehörig dargestellt wurde. Das Politisehe Departement hat gegen diese Tendenz Vorstellungen erhoben und erreicht, dass die beanstandete Karte aus dem Verkehr zurückgezogen wurde. Es ist aber bezeichnend, dass die gleiche Karte kürzlich durch die «Librairie Thälmann» in Paris neu gedruckt wieder in den Handel gebracht wurde.
In einzelnen Blättern des Auslands, wie z. B in Rumänien und in den Vereinigten Staaten, ist die Schweiz als durch die nationalsozialistische Gefahr unmittelbar bedroht hingestellt worden. Die betreffenden Redaktionen wurden durch unsere Vertretungen über das Unzutreffende dieser Auffassung unterrichtet und um Richtigstellung der Angaben ersucht.
Wenn man nun berücksichtigt, dass gleichzeitig in der Schweizerpresse scharfe, z. T. unnötig verletzende Kritik an dem Vorgehen der deutschen Regierung gegenüber Österreich und der Tschechoslowakei, den Juden und den christlichen Gemeinschaften geübt wurde, so lässt sich leicht ermessen, dass auf die Dauer die deutsch-schweizerischen Beziehungen von dieser Pressekampagne nicht unberührt bleiben konnten. In der Schweiz machte sich eine wachsende Abneigung gegen die unser Land besuchenden und sich hier aufhaltenden Deutschen bemerkbar, die sich bis zum stillen Boykott von deutschen Waren und Personen steigerte. Es konnte nicht ausbleiben, dass sich Rückwirkungen auf deutscher Seite zeigten, vor allem dadurch, dass die von der Schweiz postulierte Zulassung schweizerischer Zeitungen von höchster Stelle abgelehnt wurde. Auf wirtschaftlichem Gebiet macht sich ein Rückgang des Waren- und Personenverkehrs bemerkbar, der bei weiterem Anhalten für die Exportindustrie und den Fremdenverkehr die verderblichsten Folgen nach sich ziehen kann. Zudem aber wurde in den deutschen Zeitungen die These zu begründen versucht, dass die Schweiz auch auf geistigem Gebiet zu einer neutralen Haltung verpflichtet sei und dass bei Andauern der Presseangriffe Deutschland die für eine neutrale Stellung der Schweiz gegebenen Voraussetzungen als nicht mehr vorhanden ansehen könnte. Diese Forderung der Gesinnungsneutralität ist vom Bundesratstisch aus im Nationalrat unzweideutig abgelehnt worden, was wieder den «Völkischen Beobachter» zu einer scharfen Erwiderung veranlasst hat.
Der unerfreuliche Zustand, der in den Beziehungen der Schweiz zum Deutschen Reich eingetreten ist, muss auf zwei Ursachen zurückgeführt werden, in erster Linie auf die Gestaltung der politischen Verhältnisse in Deutschland, die in ihren innen- und aussenpolitischen Auswirkungen und in den dabei angewandten Methoden die öffentliche Meinung der Schweiz oft zur Kritik herausfordern. Anderseits aber ist leider ebenso richtig, dass ein nicht geringer Teil der schweizerischen Presse in der Form der Kritik nicht Mass zu halten vermag, ja dass gewisse Blätter sich dazu hergeben, Gerüchten und glatten Erfindungen in so auffallender Weise Raum zu gewähren, dass der Argwohn nicht ganz unbegründet ist, es werde mit solchen Machenschaften versucht, das Verhältnis der Schweiz zu Deutschland systematisch zu vergiften. Es bedarf wohl keiner langen Erörterungen darüber, welche internationalen Kreise die Linksparteien unseres Landes zum Werkzeug ihrer Politik zu benützen versuchen. Als sehr bedauerlich ist es aber zu betrachten, dass auch solche schweizerische Journalisten und Parteimänner, die ohne Zweifel unserm Land die Unabhängigkeit erhalten möchten, das Gefährliche einer Verhetzungspolitik nicht einzusehen vermögen, welche die Schweiz mit den Nachbarn im Norden und Süden in tiefe Gegnerschaft, ja Feindschaft zu bringen droht.
Die bis anhin eifersüchtig gehütete Pressefreiheit wird sich Einschränkungen gefallen lassen müssen, wenn nicht durch die eingerissenen Missbräuche die Existenz unseres Staates aufs Spiel gesetzt werden soll. Am 15. Dezember ist der Bundesratsbeschluss zum Schutze gegen staatsgefährliche Umtriebe in Kraft getreten, und es ist sehr zu wünschen, dass seine Bestimmungen, mit Mut und Umsicht angewendet, diejenigen heilsamen Wirkungen ausüben werden, welche die bisher gegenüber der Presse getroffenen Massnahmen vermissen liessen. Es bleibt den eidgenössischen Räten überlassen, den Beschluss, der in einzelnen Teilen angefochten wird, durch ein Bundesgesetz zu ersetzen.
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