Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 448
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#380* |
Dossier title | Beschlussprotokolle des Bundesrates November 1938 (1938–1938) |
dodis.ch/46708 CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 15 novembre 19381 1948. Erscheinungsverbot der Zeitungen «Angriff», «Schweizervolk» und «Schweizerdegen»
Procès-verbal de la séance du 15 novembre 19381
I. In Zürich erscheinen die beiden Wochenblätter «Schweizervolk» und «Schweizerdegen» der sich «Eidg. soziale Arbeiterpartei» und «Bund treuer Eidgenossen nationalsozialistischer Anschauung» nennenden Erneuerungsbewegungen, sowie die «Halbmonatszeitung Angriff» der «Nationalsozialistischen schweizerischen Arbeiterpartei», ehemals Volksbund genannt. Alle drei Blätter verbreiten wie die dahinter stehenden Organisationen, die sich ausdrücklich zur nationalsozialistischen Weltanschauung bekennen, eindeutig nationalsozialistische Ideen.
II. Verschiedene Gründe und Verdachtsmomente, die im einzelnen nicht dargelegt werden können, veranlassten die Bundesanwaltschaft, bereits vor längerer Zeit gegen alle drei Organisationen gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren einzuleiten wegen Verdachtes der Zuwiderhandlung gegen das BG betr. Angriffe auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft vom 8. Oktober 19362 sowie den BB betr. den Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft vom 21. Juni 19353. Am 10. November 19384 fanden im ganzen Lande bei den führenden Personen und den besonders verdächtigen Mitgliedern der drei genannten Bewegungen Haussuchungen statt, wobei grosse Mengen von Material beschlagnahmt wurden. Im Anschluss an die Haussuchungen fanden die Abhörungen der in Frage kommenden Personen statt.
III. Das beschlagnahmte Material konnte bisher nur zu einem kleinen Teil gesichtet werden, und es dürfte noch einige Zeit verstreichen, bis die Bundesanwaltschaft in der Lage ist, einen abschliessenden Bericht mit entsprechenden Anträgen auszuarbeiten. Bereits jetzt haben sich folgende Resultate herausgestellt:
A. Nationalsozialistische schweizer. Arbeiterpartei NS SAP (Volksbund).
Diese unter der Führung von Ernst Leonhardt in Basel stehende Bewegung wird durch die bisherigen Erhebungen am meisten belastet; sie zeigt sowohl in geistiger und propagandistischer als auch in organisatorischer und personeller Hinsicht die grösste Anlehung an das III. Reich. Nicht nur hat ein gewisser Felder, gegenwärtig in Zürich in Haft, unbequeme Mitglieder der Partei bei den deutschen Behörden denunziert, sondern ein weiteres massgebendes Mitglied namens Bodmer, gegenwärtig ebenfalls in Zürich in Haft, hatte sich nachgewiesenermassen zweimal in Berlin auf das Bureau der Gestapo begeben, um durch diese Behörde auf ein in Berlin lebendes Mitglied der NSSAP einen Druck ausüben zu lassen.
Die finanziellen Quellen dieser Bewegung sind noch nicht abgeklärt. Aus diesen Gründen werden noch eine Reihe von Verhaftungen in Basel aufrecht erhalten; unter den Verhafteten befinden sich u.a. der Führer Leonhardt, dessen Stellvertreter Flubacher sowie ein gewisser Wenger, welcher der Führer der Schutzstaffel (SS) ist. Aus dem bisher gesichteten Material ist auch anzunehmen dass die NSSAP verschiedene Personen überwachte und über das Resultat der Beobachtungen Mitteilung nach Deutschland erstattete.
B. Eidg. soziale Arbeiterpartei (ESAP).
Hinsichtlich der Finanzquellen dieser von Ernst Hofmann in Zürich geleiteten Bewegung vermochte die bisherige Untersuchung bereits restlose Abklärung zu schaffen. Die ESAP bezog ihre finanzielle Unterstützung ausschliesslich von schweizerischen Industriekreisen; es hat sich jedoch gezeigt, dass die massgebenden Personen dieser Bewegung, Hofmann und Wechlin, das Vertrauen ihrer Geldgeber dazu missbraucht hatten, aus einer ursprünglich lediglich national eingestellten Arbeiterbewegung eine nationalsozialistische Partei zu formieren. Dabei ist anzunehmen, dass der Einfluss des genannten Wechlin, der seinerzeit in Berlin ein Pressebureau betrieben hatte und jetzt Chefredaktor der Zeitung «Schweizervolk» ist, von ausschlaggebender Bedeutung war. Wechlin hat Beziehungen zu führenden Persönlichkeiten des Dritten Reiches wie wohl kaum je ein schweizerischer Privatmann, kennt er doch die Reichsminister Goebbels, Kerrl, Rosenberg und von Neurath persönlich; ferner ist er sehr gut bekannt mit dem Schwiegersohn des Generalfeldmarschalls v. Blomberg, dem ehem. Schweizerbürger Franz Riedweg, dessen Nachfolger als Sekretär in der unter der Leitung von Herrn alt Bundesrat Musy stehenden schweizerischen Aktion gegen den Kommunismus er war.
Es bestehen auch Verdachtsmomente dafür, dass ein gewisser Boivin sowie ein Zäner im Einverständnis mit Wechlin in Rotspanien zugunsten einer fremden Macht Spionage betrieben haben.
C. Bund treuer Eidgenossen nationalsozialistischer Weltanschauung (BTE).
Der BTE, der unter Führung von Alfred Zander, gegenwärtig in Zürich in Haft, steht, ist diejenige Bewegung, die neben der NSSAP durch die hängige Untersuchung ebenfalls stark belastet wird.
Ein Mitglied, ein gewisser Benno Schäppi (z. Zt. in Zürich in Haft) hat sich nachgewiesenermassen in starkem Umfange für die deutsche Kulturpropaganda auf dem Gebiete des Filmwesens eingesetzt und ist bei der Verfolgung seiner Zwecke auch vor der Betreibung eines eigentlichen politischen Nachrichtendienstes nicht zurückgeschreckt; der finanzielle Erlös aus seiner Tätigkeit hätte zum Teil der Bewegung zufliessen sollen.
Mehrere Mitglieder des BTE haben auch einen geheimen Überwachungsdienst eingerichtet. Aus der Art der überwachten Personen erhebt sich der starke Verdacht, dass dieser Dienst im Interesse von gewissen deutschen Stellen betrieben wird. Dieser Punkt ist jedoch wie im übrigen auch die finanziellen Quellen der Bewegung noch nicht abgeklärt, und es befinden sich noch mehrere Personen in Haft.
IV. Zusammenfassend ist darauf hinzuweisen, dass einerseits sämtliche drei Zeitungen «Angriff», «Schweizerdegen» und «Schweizervolk» in eindeutiger Weise nationalsozialistisches Gedankengut verbreiten. Anderseits ist aus den obigen Darlegungen ersichtlich, dass die drei in Frage stehenden Bewegungen sowohl in weltanschaulicher als auch in personeller Hinsicht enge Beziehungen zum Dritten Reich aufweisen. Die Propagierung nationalsozialistischer Ideen von Seiten von Bewegungen, die derartige Beziehungen zu einem ausländischen Staate aufweisen, muss aber im gegenwärtigen Augenblicke als Gefährdung der demokratischen Einrichtungen und somit der innern Sicherheit der Eidgenossenschaft betrachtet werden. Aus diesem Gesichtspunkte rechtfertigt sich daher ein Verbot der drei Zeitungsorgane als provisorische Massnahme bis nach Abschluss des gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens gegen die Bewegungen, die durch die bisherigen Erhebungen bereits dermassen belastet worden sind, ohne weiteres.
Es ist noch beizufügen, dass die Öffentlichkeit durch die nationalsozialistische Propaganda in starkem Masse beunruhigt worden ist; ein Verbot der drei in Frage stehenden Zeitungen als sofortige vorläufige Massnahme würde in hohem Masse dazu beitragen, die öffentliche Ruhe und Ordnung wieder herzustellen und das Vertrauen in die Behörden zu stärken, währenddem ein Abwarten bis nach Abschluss der hängigen Untersuchung den Effekt von allfälligen Massnahmen herabmindern würde.
Aus diesen Gründen stellt das Departement gestützt auf Art. 102, Ziff. 9 und 105 der Bundesverfassung den Antrag und der Rat beschliesst:
1) Das Erscheinen und der Vertrieb der drei in Zürich erscheinenden Zeitungen «Angriff», «Schweizerdegen» und «Schweizervolk» sowie allfällige Ersatzblätter wegen ihres, die demokratischen Einrichtungen und somit die innere Sicherheit der Eidgenossenschaft gefährdenden Inhalts, bis nach Abschluss der gegen die «Nationalsozialistische schweizerische Arbeiterpartei», «Eidg. soziale Arbeiterpartei» und «Bund treuer Eidgenossen» hängigen gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren werden verboten.
2) Die Bundesanwaltschaft wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.
3) Ein «Mitgeteilt» gemäss vorgelegtem Entwurf6 ist zu veröffentlichen.
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