Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.3 ALLEMAGNE. LES PERSÉCUTIONS ANTISÉMITES
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 12, doc. 444
volume linkBern 1994
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2200.32-03#1000/463#531* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2200.32-03(-)1000/463 13 | |
Titolo dossier | Meldungen an die Gesandtschaft Berlin betr. die Ausschreitungen gegen die Juden im Konsularbezirk (1938–1938) | |
Riferimento archivio | K.22 • Componente aggiuntiva: Deutschland |
dodis.ch/46704
Wie im übrigen Deutschland haben gestern auch in meinem Konsularbezirk bedauernswerte Ausschreitungen gegen Juden stattgefunden. Rotten von halbwüchsigen Jungen, mit Äxten und Brechstangen bewaffnet, durchzogen die Stadt und zerstörten in den jüdischen Geschäften die Scheiben, drangen in dieselben ein und schlugen alles kurz und klein. An verschiedenen Orten warfen sie die Ware auf die Strasse und zündeten sie an, die vier Synagogen der Stadt sind ausgebrannt. Ferner wurden bei Juden Haussuchungen vorgenommen und die Männer unter 60 Jahren verhaftet und in Schutzhaft abgeführt.
Da ich für unsere Landsleute jüdischen Glaubens fürchtete, begab ich mich im Laufe des Vormittags auf das Polizeipräsidium, wo ich von dem stellvertretenden Herrn Polizeipräsidenten, Regierungsrat Voss, empfangen wurde. Ich forderte für die Landsleute Schutz für Leben und Eigentum, was er mir auch zusagte. Er erbat sich von mir eine Liste der Landsleute jüdischer Konfession, welche ich ihm in den Nachmittagsstunden übergeben liess. Bei der Verabschiedung von Herrn Regierungsrat Voss äusserte er sein Bedauern über die Vorfälle und sagte, dass der Polizei die Hände gebunden seien.
Mit einer einzigen Ausnahme wurden unsere Landsleute nicht belästigt. Einzig Herr Oppenheimer, der bis vor kurzem neben der schweizerischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hatte, wurde mit der Frau von der Polizei auf das Revier geführt, wo er vernommen und nach Vorzeigen seiner Ausweispapiere wieder entlassen wurde.
Morgens gegen 10 Uhr hatte ich den Besuch von Herrn Stub, Mitinhaber der Fa. «Stubs-Quelle», L.S. Stub & Co. in Mainz, an welcher Firma, wie Ihnen bekannt ist, unser Landsmann Sigmund Krausz, Zürich, massgebend beteiligt ist. Er teilte mir mit, dass in den Vormittagstunden die Schaufenster der Firma eingeschlagen worden seien und erbat meinen Schutz. Ich setzte mich sofort telefonisch mit dem Herrn Polizeipräsidenten in Mainz in Verbindung, welcher mir vollen Schutz des Geschäftes zusicherte und insbesondere betonte, dass nicht geplündert werde. Gegen 1 Uhr mittags erkundigte sich das Polizeipräsidium Mainz telefonisch, ob es seine Richtigkeit habe, dass das Konsulat gegen IO1/2 Uhr angerufen und um Schutz der Firma «Stubs-Quelle» gebeten habe, was bejaht wurde. Heute teilte mir nun Herr Rechtsanwalt Walther Weigand mit, dass trotz der Zusicherung des Herrn Polizeipräsidenten die ganze Inneneinrichtung demoliert und Warenvorräte im Werte von etwa 80000.– M vernichtet worden seien. Ich werde am kommanden Montag mit Herrn Weigand nach Mainz fahren, um den angerichteten Schaden feststellen zu lassen.
Die Deutsch-Schweizerische Verwaltungsbank, Sitz Berlin, Filiale Frankfurt a/Main, teilte mir mit, dass sie die Verwaltung des Herrn Rechtsanwalt Dr. Guggenheim, Zürich, gehörenden Hauses, Eschersheimer Anlage 35, innehabe und bat um Schutz, da bereits mit der Zertrümmerung der Scheiben begonnen worden sei. Herr Regierungsrat Dr. Ernst vom Polizeipräsidium, den ich um Hilfe bat, sagte mir sofort die Unterstützung zu, indem er das Überfallkommando entsenden werde. Grösserer Schaden scheint hier nicht entstanden zu sein.
Herr Wettstein, der Verwalter der je zur Hälfte der Eidgenössischen Bank A.G., Zürich, und der Unfallversicherungs-Akt. Ges. in Winterthur gehörenden Liegenschaften, Textorstrasse (Textorblock), welche einen Wert von einigen Millionen repräsentieren, teilte mir mit, dass in der vergangenen Nacht verschiedentlich Mobiliar aus einzelnes Wohnungen geworfen und unmittelbar vor den Häusern angezündet worden sei, sodass eine gewisse Gefahr für die Liegenschaften selbst bestanden habe. Ich bat deshalb den Herrn Polizeipräsidenten, veranlassen zu wollen, dass der polizeiliche Schutz der Häuser verstärkt werde.
Herr Hirschi, ein Schweizer Student in Friedberg i/H., Adolf-Hitler-Polytechnikum, teilte mir telefonisch mit, dass er gestern anlässlich der Zertrümmerung eines jüdischen Geschäftes in Friedberg photographiert habe und anschliessend auf das Polizeiamt mitgenommen worden sei, wo man ihm den Apparat beschlagnahmt und ihn aufgefordert habe, sich heute vormittag, 10 Uhr, wieder auf dem Polizeiamt einzufinden. Ich habe nicht verfehlt, Herrn Hirschi den Vorwurf zu machen, dass es überaus unklug von ihm gewesen sei, zu photographieren. Er hat dann heute wieder auf dem Polizeiamt vorgesprochen, wo ein Protokoll aufgenommen worden sei, welches nach Giessen weitergeleitet werde. Der Apparat ist ihm freigegeben worden, während der Film beschlagnahmt bleibt.
Tags