Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.16. LIECHTENSTEIN
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 322
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E27#1000/721#23318* | |
Old classification | CH-BAR E 27(-)1000/721 5124 | |
Dossier title | Beziehungen zu Liechtenstein, Bd 1 - 18 (1920–1949) | |
File reference archive | 12.A.3 |
dodis.ch/46582
Den Eingang Ihres Schreibens vom 9. Juni2 verdanke ich bestens.
Zufällig war gestern Prinz Emanuel von Liechtenstein bei uns. Er scheint sich in Vaduz eher zu langweilen, blieb sehr lange und erzählte vieles, das gewisse Anhaltspunkte über die Beurteilung der Lage im Fürstentum geben kann. Prinz E. ist ein Vetter des Prinzregenten Franz Joseph, der sich z. Zt. in Wien einer ärztlichen Kur unterziehen muss. Seine Mutter ist eine Ungarin, geb. Andrassy. Er macht einen wesentlich intelligentem Eindruck als der Prinzregent und man gewinnt den Eindruck, dass er Vieles gehört habe und objektiv beurteile. Da er voraussichtlich bald wiederkommen wird, könnten gewisse Fragen, sofern es erwünscht wäre, erörtert werden.
Im Fürstenhaus hofft man zuversichtlich, dass das Land unabhängig bleibe. Man ist aber doch nicht überzeugt davon, dass keine Anschlussgefahr bestehe und glaubt, dass Anzeichen dafür vorhanden seien, dass unter der Decke von deutscher Seite recht energisch agitiert werde. Man empfinde es als eine Gefahr, dass bezüglich der Grenze eine grosse Unklarheit bestehe, indem die politische und wirtschaftliche Grenze nicht Zusammenfalle und dass niemand da sei, der gegebenenfalls das Land verteidigen könne. Für grössere Unglücksfälle wie das Hochwasser, bestehe die Absicht, eine immer dazubereite Organisation dadurch zu schaffen, dass man das Pfadfinderwesen nach Möglichkeit entwickle und fördere. Prinz E. beschäftige sich z. Zt. mit diesbezüglichen Arbeiten. Er äusserte sich weiterhin dahin, dass es eine grosse Beruhigung wäre, wenn das Land offiziell neutral und in die Neutralität der Schweiz einbezogen wäre. Man ist sich über die Bedeutung des Eschenberges, bei dem die Grenze leider auch nicht ganz nach Wunsch verläuft, völlig klar und würde es gerne sehen, wenn derselbe befestigt werden könnte. Vor einigen Jahren wäre es voraussichtlich leicht gewesen, sich auch bezüglich der Neutralität der Schweiz anzuschliessen. Unter den neuen Verhältnissen dürfe man nicht mehr daran denken, etwas derartiges nachzusuchen, da es dem neuen Nachbar kaum passen würde und man alles vermeiden müsse, um Anstoss zu erregen. Es sei zu bedauern, dass früher die gute Gelegenheit verpasst worden sei.
Im Fürstenhaus sei man auch seit längerer Zeit darüber besorgt gewesen, dass in der Verwaltung eine viel zu weitgehende Einseitigkeit geherrscht habe. Man betrachte es als einen Erfolg, dass unter dem Einfluss der Ereignisse in Österreich die Verständigung unter den beiden Parteien erreicht worden sei. Die Rede, welche der neue Regierungschef-Stellvertreter, Herr Dr. Vogt, am 13. Mai anlässlich des grossen Empfangs des Prinzregenten durch die Gemeinde Vaduz gehalten hatte, werde als massgebend anerkannt, während man diejenige des Herrn Dr. Hoop nur als Höflichkeitsrede betrachtete. Die Rede des Herrn Dr. Vogt hat auch auf mich einen ausgezeichneten Eindruck gemacht (Ich war als einziger Ausländer zu diesem Empfange eingeladen worden.) Die Rede ist im «Vaterland» im Wortlaute und in den «Liechtensteiner Nachrichten» im Auszuge publiziert worden und wird dem Departemente bekannt sein.
Ich möchte bei diesem Anlass noch auf die etwas unklaren Verhältnisse bei den neuen Besitzern des Schlosses Gutenberg hinweisen. Dasselbe gehörte dem nun verstorbenen Herrn Rheinberger, der ein ausgesprochener Anhänger der NSAP war und dessen 3 Söhne auch heute offen für den Anschluss eintreten. Der Älteste, durch die sog. Rotter-Affäre bekannt geworden, studiert z. Zt. in Königsberg Medizin. Die beiden ändern wohnen in Vaduz und gelten als unerwünschte Elemente, die für den Anschluss arbeiten, ohne dass man direkt gegen sie vorgehen könne. Die Witwe Rheinbergers, eine an und für sich recht nette und gebildete Frau, hat Gutenberg an eine Gesellschaft «Orion» verkauft, deren Vertreter ist Herr Haas, ein Deutscher, der von Basel gekommen sei und auch allgemein als ausgesprochener Anhänger der NSAP gilt. In der ganzen Umgebung herrscht die Meinung dass irgendetwas nicht in Ordnung gehe. Es seien immer eine Anzahl Herren auf Gutenberg, welche sagen, an der Vervollkommnung einer neuen Schreib- und Rechenmaschine zu arbeiten. Es sei aber auffallend, welch grosser Wert darauf gelegt werde, dass ja niemand auf den Burghügel komme. Man sieht vielfach die ganze Burg als ein «Spionennest» an. Ob etwas daran ist, vermag ich - was ich ausdrücklich bemerken möchte - nicht zu beurteilen. Wie man mir sagte, ist die Generalstabsabteilung auf diese Verhältnisse aufmerksam gemacht worden und wird das Notwendige veranlasst haben. Wenn erwünscht, will ich versuchen, der Sache etwas nachzugehen, wozu ich Gelegenheit hätte, da ich am Fusse des Burghügels zwei an und für sich unbedeutende Grundstücke besitze.
Ich möchte nochmals in aller Form betonen, dass es sich um eine völlig unverbindliche und private Unterhaltung mit dem Prinzen Emanuel handelte. Ich habe allerdings den Eindruck gewonnen, dass die gemachten Angaben zutreffend sein dürften, ohne aber irgend eine Verantwortung dafür übernehmen zu können.
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