Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.1. QUESTIONS DE POLITIQUE GÉNÉRALE ET BILATÉRALE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 314
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E27#1000/721#9758-1* | |
Old classification | CH-BAR E 27(-)1000/721 2136 | |
Dossier title | Berichte (1938–1945) | |
File reference archive | 06.B.2.c.1.b.04 |
dodis.ch/46574
Ich melde über meine ersten Antrittsbesuche bei den Militärattaches von Italien, Frankreich, England.
Italien. Mil. Attaché Gen. Marras. Empfang äusserste liebenswürdig, man darf fast sagen herzlich, teils durch Temperament bedingt, vielleicht auch, weil ich die Konversation sofort auf Italienisch begann. Mitteilsam, wenn auch bedacht, über alles auch meine Ansicht zu hören.
Frankreich. Mil. Attaché Gen. Lieut. Renondeau. Empfang liebenswürdig, jedenfalls mehr als reine Korrektheit. Sprach Hoffnung aus für gute Beziehungen, wie er sie bis jetzt mit allen Schweizern gehabt habe. In seinen Äuserungen eher etwas zurückhaltend.
England. Mil. Attaché Oberst i. Gest. Mason-Mac Farlane. Empfang eine sympathisch wirkende Mischung von ein wenig englischer Steifheit und gemütlichem Club-Jargon. Ohne von mir - ausser von der Schweiz, wo er einige Zeit auch als Mil. Attaché akkredidiert war, und die ihm offenbar in guter Erinnerung - etwas wissen zu wollen, keine Geheimnisse machend, jedoch sehr vorsichtig in seinen Formulierungen.
Übereinstimmend sagten alle Attachés, es gäbe sehr viel Arbeit für sie, weil die Deutschen wenig mitteilsam seien.
Im Folgenden in grossen Zügen die Äusserungen:Italien.
Autonomie der Sudetendeutschen sei eine schwierige Sache. Nur schon z. B. Autonomie punkto innere Sicherheitsangelegenheiten Cechen fast unmöglich zu geben [! mit Rücksicht auf Befestigungen im Grenzgebiet sowie die grossen Industrieanlagen in sudetendeutschem Gebiet.
Eine Autonomielösung bleibe immer eine zweifelhafte Sache.
Ebenso schwierig wäre eine Grenzsetzung zwischen deutschem und cechischem Gebiet. Ein Beispiel nur: Prag sei eine cechische Stadt, die Deutschen behaupten jedoch, sie sei eine deutsche Stadt.
Cechoslowakei soll 150000 cechische Bauern in deutschem Gebiet angesiedelt haben, um dadurch die Grenzsetzung zu verunmöglichen.
Allerdings heisse es, diese Bauern sollen jetzt nach und nach rückgesiedelt werden.
Er persönlich halte allerdings eine Teilung einzig nach Rasse nicht für richtig. Man müsse doch geographische und wirtschaftliche Momente auch berücksichtigen.
(Als Italiener muss er so reden, da nun endgültig 200000 Deutschtiroler Italien zugesprochen wurden).
Jedenfalls sei diese Lösung schwierig.
Den noch immer eher hetzerischen Ton der deutschen Presse, die fortwährend neue Vorfälle mit fettgedruckter Überschrift bringt, erklärt er, dass Deutschland möglichst viele solcher Vorfälle «sammeln» wolle, ohne aber vorläufig darauf zu reagieren, um seinerzeit darlegen zu können wie weitgehend sie stets Ruhe und Zurückhaltung bewiesen haben.
(Die Deutschen hingegen fassen es als Provokation auf.)
Dass ein eventueller Einmarsch natürlich bis ins kleinste vorbereitet sei, halte er rein militärisch als selbstverständlich, wenngleich auch seiner Meinung nach dies die Deutschen nicht wollen.Frankreich.
Die Lage bleibe so lange gefährlich, bis das sudetendeutsche Problem nicht gelöst sei. Für den Moment halte er die Lage für beruhigt. Es soll ein Plan seitens Deutschlands existieren, die Cechen aus den sudetendeutschen Gebieten zu evakuieren.
Auch er halte die deutsche Presse momentan für «giftig».
Ein Herr des deutschen Pressedienstes soll auf eine diesbezügliche Äusserung gesagt haben, man gäbe jetzt den Journalisten etwas mehr Freiheit in der Meinung, sie wären nun genug über die allgemeinen Richtlinien, die sie einzuhalten haben, orientiert. (Ich halte dies eher für eine Ausrede als Tatsache).
Dass Deutschland einen Krieg provozieren wolle, glaube er nicht, aber ebensowenig, dass die vielbesprochene Autonomielösung die endgültige sei.England.
England werde tun, was es kann, um mit vorurteilsfreier Vernunft einen Krieg zu verhindern.
Die grosse Schwierigkeit aber bestehe darin: In jeder Lage gab es bisher immer eine Lösaung, die nach und nach sich dem objektiven Zuschauer quasi als eine einzig vernünftige aufdrängte.
Hier aber könne man unmöglich auch nur andeutungsweise eine Lösung sehen, die beide Teile auch nur halbwegs befriedige.
Von einer Autonomie halte er wenig.
Die Lage - wenn auch für den Moment ruhig, lasse jederzeit eine Explosion befürchten. Daher aber ist irgend eine Lösung bald notwendig. Die Möglichkeit einer solchen könne erst kommen, wenn die Cechoslowakei mit ihren Gegenvorschlägen auf die bereits bekanntgegebenen Vorschläge der Sudetendeutschen an die Öffentlichkeit trete.
Das wäre der Moment, um eventuell intervenieren zu können.
Die immer noch heftige deutsche Presse erklärt er rein «psychologisch». Deutschland wolle für den Fall, dass es doch zu etwas käme, das Volk in einer Stimmung erhalten, dass es freudig mitgehe.
(Das wäre ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Ich glaube diesbezüglich, dass der ital. Mil. Attaché Recht hat.)
Er glaube aber bestimmt nicht, dass die Presse «hetzen» will, weil er überzeugt ist, dass Deutschland keinen Krieg will.
Resümierend darf man, glaube ich, sagen - inbegriffen deutsche Äusserungen:
In der Meinung, die Cechoslowakische Mobilmachung habe provozierenden Charakter, steht Deutschland allein. Sein momentaner Friedenswille wird allgemein anerkannt, daher die Presseäusserungen - sei das Motiv nun dies oder jenes - nicht als kriegsgefährlich betrachtet.
Kleinere Zwischenfälle dürften auch nicht die momentane Ruhe stören.
Die Lage wird erst wieder kritisch, bis die Verhandlungen zwischen Cechoslowakischer Regierung und Sudetendeutschen auf einen toten Punkt kommen.
Jedenfalls bleibt Deutschland ein heikler Punkt am politischen Horizont, da allgemein angenommen wird, Deutschland warte nur - auch wenn das Jahrzehnte dauern solle, - auf eine günstige Gelegenheit, um die Korridorfrage, die sudetendeutsche Frage und schliesslich die untergeordnete dänisch-deutsche Frage in nationalem Sinne zu erledigen.