Ihr Schreiben vom 24. Mai2 ist mir richtig zugekommen. Ich habe von seinem Inhalt mit grösstem Interesse Kenntnis genommen und möchte mir erlauben, heute dazu lediglich Folgendes zu bemerken:
Darüber bin ich mir selbstverständlich vollkommen klar, dass es wohl meine Aufgabe ist, die schweizerisch-französischen Beziehungen zu verbessern - was sicherlich dringend nötig war - dass dies aber nicht auf Kosten unserer Beziehungen mit ändern Nachbarstaaten geschehen darf. Was ich über das Verhältnis der schweizerischen zur französischen Demokratie gesagt habe, wiederholt inhaltlich genau den gleichen Gedanken, den ich bei Überreichung des Beglaubigungsschreibens mit voller Zustimmung des Politischen Departements ausgedrückt hatte3. Er ist meines Erachtens eine absolute Selbstverständlichkeit, was z. B. der Deutsche Botschafter, mit dem ich Gelegenheit hatte, sehr freundschaftlich über diese Frage zu sprechen, ganz spontan und rückhaltslos anerkannt hat. Wenn ich sodann nachdrücklich auf unseren Willen zur Behauptung der Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit unseres Bodens hingewiesen habe, so habe ich lediglich wiederholt, was vor kurzem der einstimmige Nationalrat proklamiert und was Sie, Herr Bundesrat, in Genf gesagt haben. Ich möchte im übrigen materiell nicht weiter auf das Problem eintreten, muss Sie aber allerdings bitten, bei der nächsten Gelegenheit mit Ihnen mündlich eingehend darüber sprechen zu dürfen.
Dass gewisse m. E. vollkommen bedeutungslose Zeitungen wie die «Neue Basler Zeitung», die «Action Nationale» und das «Schweizervolk» sowie die bestens bekannte «Berliner Börsen Zeitung» Kritik üben, verwundert mich nicht und lässt mich gleichgültig. Dagegen hat es mich etwas überrascht, diese Äusserungen in Ihren Schreiben als nicht unwichtig zitiert zu finden. Ich darf vielleicht daran erinnern, dass noch vor sehr kurzer Zeit bedeutend wichtigere schweizerische und französische Zeitungen die schweizerische Politik von der ändern Seite aus als nicht neutral kritisiert haben. Und wenn eine Äusserung des Herrn Deutschen Gesandten in Bern, die er im Privatgespräche mit «un peu d’humeur» getan hat, angeführt wird, so denke ich daran, wie noch vor einigen Wochen der französische Botschafter in Bern nicht im Privatgespräch, sondern in offiziellen Demarchen und ohne «humeur» die schweizerische Politik als unneutral heftig kritisiert hat. Den freundschaftlichen Erklärungen des Herrn Daladier darf ich vielleicht das berühmte «piü ch’amichevole» gegenüber stellen.
Im übrigen werde ich mich selbstverständlich an Ihre Instruktionen und Wünsche halten und bis auf weiteres diese Art der Propagandatätigkeit einstellen. Ich habe auch bereits eine ganze Anzahl von Anfragen nach weiteren Reden, Radiosprachen und dergleichen abgelehnt.
Zum Kapitel «Neutralität» gehörend, beehre ich mich, Ihnen beiliegend den im heutigen «Journal des Débats» erschienen Artikel über die «Affaire Hoffmann»4 zuzustellen. Sie werden gesehen haben, dass auch der «Temps» vom letzten Mittwoch in ähnlicher Weise berichtet hat. Sie ersehen auch, dass das J.d.D. das Buch des Herrn Fribourg zitiert. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir mitteilen wollten, ob und eventuell was ich in dieser Sache unternehmen soll5.