Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.12 FRANCE
II.12.1. QUESTIONS DE POLITIQUE GÉNÉRALE ET BILATÉRALE
Également: La suggestion de Blum comporterait plus d’inconvénients que d’avantages. Annexe de 5.4.1938
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 251
volume linkBern 1994
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1554#7* | |
Dossier title | Mémorandum sur la neutralité de la Suisse au sein de la S.d.N. (1938–1938) | |
File reference archive | E.12.20.a |
dodis.ch/46511
Diesen Nachmittag wurde ich vom Regierungspräsidenten, Herrn Léon Blum, empfangen. Die Unterredung dauerte circa 40 Minuten und zwar ausgerechnet während der Zeit, da das Hôtel Matignon durch eine Bande von ungefähr 20 «croix de feu» besetzt war, die beim Ministerpräsidenten zu einer ihm aufgezwungenen «Audienz» erscheinen wollten. Im Moment meines Weggangs parlementierten die Polizisten noch für eine freiwillige Räumung! Herr Blum machte den Eindruck eines physisch und namentlich nervös ganz ausserordentlich hergenommenen Menschen, der sich kaum mehr aufrecht erhält und der zweifellos unter den ungeheuren Schwierigkeiten seiner Aufgabe auch moralisch stark leidet und nahe am Zusammenbrechen ist. Umsomehr musste ich es schätzen, dass er mich ungemein freundlich empfangen und für die Schweiz Worte wirklich warmer Freundschaft gefunden hat. Er bezeichnete die Kundgebung im schweizerischen Parlament als ein Beispiel von Einigkeit und Vernunft und bedauerte, dass ihm bis jetzt eine ähnliche Einigung des Volkes nicht gelungen sei. Er gab zu, dass die Bedeutung der Schweiz für Frankreich in den letzten Wochen stark gestiegen und die Schweiz eigentlich der vorgeschobene Posten der Demokratien geworden sei.
Ich wollte diese Gelegenheit nicht unbenutzt Vorbeigehen lassen, ohne das Terrain für die Entscheidung der Neutralitätsfrage vorzubereiten. Ich sagte deshalb, dass die Kundgebung im Schweiz. Parlament eine doppelte gewesen sei. In voller Einmütigkeit habe man sich nicht nur entschlossen erklärt, die schweizerische Unabhängigkeit unter allen Umständen und mit allen Mitteln zu verteidigen, sondern auch ebenso bestimmt den Willen dokumentiert, die volle Neutralität zurückzugewinnen. Ich hoffte sehr, bei diesem Bestreben auf die volle Unterstützung der französichen Regierung rechnen zu können. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch setzte ich ihm kurz den Unterschied zwischen differentieller und integraler Neutralität auseinander und erklärte, dass wir von jeder Verpflichtung bezüglich des Artikels 16 befreit werden müssten.
Herr Blum erklärte spontan, er habe für unsere Lage volles Verständnis und sei persönlich, ohne der Entscheidung der Regierung vorzugreifen, zu weitgehendem Entgegenkommen bereit. Er fügte aber sofort bei, dass die öffentliche Meinung Frankreichs unseren Schritt eben doch als Abkehr von der S.D.N. und ihren Grundsätzen betrachten werde und dass man ihn deshalb nicht rein negativ gestalten sollte. Die Schweiz sollte sich seines Erachtens bei diesem Anlass von möglichst vielen Staaten, jedenfalls von allen Signatarstaaten von 1815, ihre Neutralität ausdrücklich garantieren, bezw. neu garantieren lassen. Er konnte nicht verstehen, warum sich die Schweiz diese einzigartige Gelegenheit, ihre neutrale Situation zu befestigen, entgehen liesse. Er liess deutlich durchblicken, dass ihm namentlich daran gelegen wäre, dass England einen solchen Schritt tun würde. Der gedankliche Zusammenhang mit der aktuellen Frage der Tschekoslowakei war unverkennbar.
Ich verhielt mich sehr vorsichtig und bemerkte lediglich, dass der Bundesrat meines Wissens kaum die Absicht habe, diese Frage aufzuwerfen, da die schweizerische Neutralität ja nie von irgendwelcher Seite in Frage gestellt worden sei und es unter Umständen nicht zweckmässig sein könnte, selber eine solche Frage aufzuwerfen. Er insistierte ziemlich stark, betonte aber mehrfach, er habe die Frage weder eingehend studiert, noch mit seinen Kollegen besprochen und äussere lediglich spontan eine persönliche Empfindung. Er bat darum, dass wir diese Frage studieren sollten, um ihm unsere Stellungnahme dazu mitteilen zu können.
Ich bitte deshalb um Instruktionen für den Fall, dass diese Frage weiter Gegenstand der hiesigen Besprechungen werden sollte2.
Ich möchte lediglich noch berichten, dass auch Herr Blum spontan das Gleiche erklärte, was mir Herr Herriot gesagt hatte: Im Falle eines deutschen Vorstosses ginge dieser nach französischer Ansicht nicht mehr durch Belgien, sondern durch die Schweiz. Auch er sprach von den französischen Befestigungen im Jura.
Ich bemerkte, dass wir angesichts der kategorischen und wiederholten deutschen Erklärungen in keiner Weise beunruhigt seien und übrigens unsere Wehrbereitschaft ausser Frage stehe. Jedenfalls müsse es auch im Interesse Frankreichs liegen, uns eine absolut unantastbare neutrale Situation zu verschaffen, die jedem Gefährlichen auch nicht den allergeringsten Vorwand zu einer Verletzung schweizerischen Gebietes geben könnte. Er gab dies zu.
Ich muss mich für heute mit diesen Mitteilungen begnügen und werde sobald als möglich einen zusammenfassenden Bericht über die hier gepflogenen Besprechungen und Besuche erstatten.
- 1
- Lettre (Copie): 2001 (D) 4/1.↩
- 2
- Par lettre du 5 avril, G. Motta prit position ainsi: En nous référant à votre lettre du 29 mars et pour faire suite à votre entretien téléphonique avec M. Bonna, nous avons l’honneur de vous confirmer qu’il n’y a pas lieu de retenir la suggestion que vous a faite M. Léon Blum quant à une nouvelle reconnaissance de notre neutralité de la part des Etats signataires de l’Acte du 20 novembre 1815. Cette confirmation n’ajouterait rien à l’état de droit actuel; elle comporterait, tout considéré, plus d’inconvénients que d’avantages. A trop repeindre l’enseigne, on la gâte. Il est à noter d’ailleurs que, si la Prusse figurait bien parmi lesdits Etats signataires, l’Italie - et pour cause - en est absente. Or, il est assez probable que, par «Etats signataires de 1815», M. Blum voulait viser un Etat comme l’Italie. La formule proposée n’est donc pas adéquate. Votre interlocuteur aurait dû plutôt faire état de l’article 435 du Traité de Versailles, qui a été accepté, lui, et par l’Allemagne et par l’Italie. Quoi qu’il en soit, nous n’avons pas, du moins pour le moment, à nous préoccuper de l’attitude de l’Allemagne et de l’Italie à l’égard de notre neutralité. C’est, au surplus, l’avis très net qui a été exprimé dans une de nos Commissions parlementaires. Ce qui importe, c’est de modi- fier au plus vite notre statut dans la Société des Nations en amenant les Etats membres à reconnaître notre neutralité intégrale dans le système du Pacte. Nous regretterions que notre initiative fût mal interprétée en France, mais le fait est que nous marquons bien, dans notre mémorandum, le désir dont nous sommes animés de rester fidèle à la Société des Nations. Nous insistons suffisamment, croyons-nous, sur ce point.↩