dodis.ch/46495 Aide-mémoire de
R. Kohli, Chef de Section à la Division des Affaires étrangères du Département politique
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Nach der gestrigen Sitzung über den Zahlungsverkehr mit Österreich teilte Herr Professor Bachmann Herrn Direktor Hotz und dem Unterzeichneten streng vertraulich folgendes mit:
In den Verhandlungen zwischen Grossbritannien und Italien spielt auch der Einfluss auf die Suezkanal-Gesellschaft eine Rolle. Die britische Regierung hat ein Aktienpaket von 35% inne. Der Rest der Aktien verteilt sich auf einzelne Inhaber, hauptsächlich Franzosen. Das kompakte Aktienpaket von 35% sichert daher der britischen Regierung den ausschlaggebenden Einfluss auf die Gesellschaft. Es würde sich nun darum handeln, dass ein Teil des britischen Aktienpaketes an die italienische Regierung abgetreten wird. Diese hat aber die Mittel nicht, um die Aktien zu zahlen. Zwar sucht Italien von England einen grösseren Kredit zu erhalten, möchte aber die Kaufsumme für die Aktien sich nicht auf diesen Kredit anrechnen lassen, sondern sucht sich das Geld von dritter Seite zu beschaffen.
Der Zürcher Bankier Dr. Somary, der Herrn Professor Bachmann von Vorstehendem unterrichtet hat, glaubt, dass die Schweiz gute Aussichten hätte, in das Anleihensgeschäft mit Italien einzutreten. Es liege Italien daran, das Geld für die Aktien der Suezkanal-Gesellschaft aus einem Land zu erhalten, das politisch am Suezkanal nicht unmittelbar interessiert ist. Das Anleihen würde rund 100 Millionen Schw. Fr. erreichen. Für den Anleihensdienst würden die Aktien verpfändet. Da die Aktien ein vorzügliches Anlagepapier seien, biete das Anleihen grosse Sicherheit. Zudem werde sich England ein Vorkaufsrecht sichern, für den Fall, dass der Anleihensgläubiger zur Verwertung der Aktien schreiten müsste.
Herr Professor Bachmann schätzt das Geschäft als sehr günstig. Er habe Herrn Dr. Somary eine vorläufige Antwort erteilt und ihm den endgültigen Bescheid für die nächsten Tage in Aussicht gestellt. Es frage sich nun,
1. ob die zuständigen Departemente zu einem Anleihen an Italien unter den erwähnten Umständen ihre Zustimmung geben können und ob sie Bedingungen daran zu knüpfen haben;
2. ob der Bund selber als Geldgeber auftreten will oder das Geschäft den Grossbanken überlässt.
Herr Direktor Hotz hat erklärt, dass er die Fragen sofort Herrn Bundesrat Obrecht unterbreiten werde. Nach seiner Meinung wäre das Anleihen nur zu begrüssen. Italien werde für das schweizerische Entgegenkommen empfänglich sein, und bei der grossen Geldflüssigkeit müsse man über jede sichere und rentable Geldanlage froh sein. Ich habe meinerseits erwidert, dass ich sofort Bericht erstatten werde und dass das Politische Departement gemäss dem Wunsche des Herrn Professor Bachmann in den allernächsten Tagen Stellung nehmen werde. Ich sähe persönlich nicht, dass vom Departement aus Bedingungen an das Anleihen geknüpft werden müssten, Zu der Frage, ob der Bund als Geldgeber auftreten wolle, habe sich auch noch das Finanzdepartement zu äussern, ich dächte aber nicht, dass eine solche Lösung in Betracht käme (wegen der Eventualität, dass das Anleihen doch notleidend würde und sich der Gläubiger entschliessen müsste, ob er die Aktien England anbieten will)3.