Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.1. QUESTIONS DE POLITIQUE GÉNÉRALE ET BILATÉRALE
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 12, doc. 205
volume linkBern 1994
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2300#1000/716#1264* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2300(-)1000/716 524 | |
Titolo dossier | Wien, Politische Berichte und Briefe, Militär- und Konsularberichte, Band 53 (1938–1938) |
dodis.ch/46465
Bezugnehmend auf meinen gestrigen politischen Bericht beehre ich mich, Ihnen nachstehend in ihren Hauptzügen eine Unterredung zu schildern, die ich soeben mit Botschafter von Papen hatte. Wir kamen auf seine Abberufung aus Wien zu sprechen. Er sei, so erklärte er mir, im Begriffe, neuerdings zu Reichskanzler Hitler nach Berchtesgaden zu fahren. Beim ersten Empfang nach der Bekanntgabe der Abberufung vom Wiener Posten habe ihm Reichskanzler Hitler sofort eine weitere Verwendung in Aussicht gestellt. Zwei Ämter seien ihm offeriert worden. Eines davon dürfte der Botschafterposten in Salamanca sein. Einflussreiche Freunde hätten ihm jedoch abgeraten, nach Salamanca zu gehen, da es ja dort zur Zeit Bomben regne.
Herr von Papen erklärte, dass er als Botschafter oder in irgendeiner anderen hohen Stellung am deutschen politischen Leben nur noch teilnehmen werde, wenn Hitler ihm persönlich den Kurs ansage und wenn ihm dieser Kurs konveniere. Freiherr von Neurath habe es akzeptiert, dass er bisher in Wien seine Weisungen nicht vom Auswärtigen Amt, sondern direkt vom Führer und Reichskanzler empfing2. Ob der neu arrivierte Herr v. Ribbentrop die gleiche Grosszügigkeit aufbringen werde, scheine ihm nicht sicher3.
Dann fuhr Herr von Papen ungefähr fort, seine geschichtliche Mission in Deutschland sei die gewesen, die Revolution mit den konservativen Elementen im Lande zu vermählen. Dies sei ihm auch als Ziel vorgeschwebt, als er das Kabinett Hitler Zustandekommen liess. Er gebe zu, dass er die expansive Kraft der nationalsozialistischen Bewegung unterschätzte, die alles mit sich gerissen habe. Er nehme es aber als sein Verdienst in Anspruch, die Bewegung in staatserhaltendem Sinne drainiert und das Aufkommen des Bolschewismus verhindert zu haben4. Inzwischen sei es ihm auch teilweise gelungen, Hitler und seine Bewegung ins konservative Feld hinüberzuziehen. Ein Beweis dafür sei ihm die Tatsache, dass der Reichskanzler die Ehe von Generalfeldmarschall von Blomberg, die sich als die nachträgliche Regulierung eines schon bestandenen Verhältnisses herausgestellt habe, in aller Form desavouierte. Das Auftreten Hitlers gegen diese Ehe, an der er allerdings vorher - wie behauptet wird, mangels genügender Information - als Trauzeuge fungiert hatte, sei ein Zugeständnis an das konservative Denken des Heeres und des Offizierskorps. In General von Brauchitsch habe Hitler übrigens den besten Mann an die Spitze der Armee gestellt5.
Herr von Papen ist der Auffassung, dass seine Person für Deutschland ein Programm bedeute. Hinter ihm ständen die jetzt mundtot gemachten konservativen Elemente. Er werde diesmal aber nur noch mittun und Verantwortung übernehmen, wenn Zusicherungen vorlägen, dass der Kurs so gehe, dass er auch mitmachen könne. Sonst lehne er die Übernahme von Amt und Verantwortung ab.
Ob es sich hier um die tragische Verblendung eines Mannes handelt, der den Einfluss seiner Persönlichkeit weit überschätzt, oder ob wirklich in Deutschland noch konservative Kräfte am Werke sind, die das Ausland nicht entsprechend einzuschätzen weiss und die Herr von Papen als Faktor in seine Rechnung einsetzen kann, wird die nächste Entwicklung zeigen. Jedenfalls verfehlen der Mut und die Überzeugung, mit der er seine Meinung vorträgt, ihren Eindruck nicht. Irgendwie erinnert der Elan, mit dem er auch jetzt noch alle Hindernisse zu nehmen bereit scheint, an den früheren Offizier und Herrenreiter.
Das Gespräch streifte schliesslich die Verhältnisse am Ballhausplatz. Herr von Papen nennt Bundeskanzler von Schuschnigg einen grossen Zauderer, der von unüberwindlichem Misstrauen erfüllt sei6. Schuschnigg habe die paar guten Gelegenheiten, die sich boten, um mit Deutschland im Sinne des Abkommens vom 11. Juli 1936 und über dasselbe hinaus weiter zu kommen, leider nicht beim Schopf zu packen gewusst. Gegen Deutschland, sagte mein Besucher, könne Österreich seine Politik nie richten und nie gegen Deutschland seine Unabhängigkeit behaupten7. Beides könne nur mit Deutschland geschehen8. Übrigens stellte Herr von Papen dem Staatssekretär für Auswärtiges, Dr. Guido Schmidt, das Zeugnis aus, in dieser Hinsicht feinhöriger zu sein als der Bundeskanzler und insbesondere besser als der Chef der Politischen Abteilung, Gesandter Hornbostel, die Zeichen der Zeit verstanden und statt einer Politik der Abschnürung (!) eine solche vertrauensvollen Ausgleichs versucht zu haben.
Ich darf Sie bitten, diese Ausführungen streng vertraulich zu behandeln und sie - wenn möglich - nicht über den Kreis Ihrer Herren Bundesrats-Kollegen hinausgelangen zu lassen.
- 1
- E 2300 Wien, Archiv-Nr. 53. Annotation manuscrite de Motta en tête du document: Streng vertraulich. Sehr interessant!↩
- 8
- Phrase soulignée par Motta avec cette annotation en marge: Eine Unabhängigkeit mit Deutschland, ein merkwürdiger Begriff! M.↩
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