Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.1. QUESTIONS DE POLITIQUE GÉNÉRALE ET BILATÉRALE
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 12, doc. 159
volume linkBern 1994
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2300#1000/716#122* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2300(-)1000/716 64 | |
Titre du dossier | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 38 (1937–1937) |
dodis.ch/46419
Durch die am 27. November bekanntgegebenen Beschlüsse über die Umbildungen im Reichskabinett wurde die seit längerer Zeit latente Schachtkrise gelöst, und zwar, soweit es wenigstens die äusseren Verumständungen anbetrifft, sogar auf eine sehr elegante Art und Weise.
In diesem Zusammenhange beehre ich mich, zurückgreifend auf meine Ausführungen vom 11. September2 an den Delegierten des Bundesrates für den Aussenhandel, wovon die Abteilung für Auswärtiges einen Durchschlag erhalten hat, sowie vom 29. Oktober3 an Sie, einige ergänzende Angaben über die Hintergründe dieses Problems, welches nun seit einigen Monaten die ausländischen Beobachter stark beschäftigt hat, zu machen.
In meinem ersterwähnten Bericht an den Delegierten des Bundesrates für den Aussenhandel habe ich die Gründe angeführt, die den kommissarischen Reichswirtschaftsminister veranlassten, ein erstes Mal am 11. August - und nicht bereits schon Ende Juli, wie ich damals schrieb - dem Reichskanzler in Berchtesgaden seine Demission anzubieten und die grundsätzliche Einwilligung des deutschen Staatsoberhauptes zu erwirken.
Der Zeitpunkt, in welchem dem Gesuch um Entlassung tatsächlich stattgegeben wurde, hat sich allerdings wider alles Erwarten mehr und mehr hinausgezögert, indem der Demissionär Schacht wenigstens der Form nach noch bis zum 27. November in seinem Amte verblieb. De Facto übte er jedoch seine Obliegenheiten als Reichs wirtschaftsminister nicht mehr aus.
Ein Mann vom Charakter Schachts bringt es indessen nicht über sich, sangund klanglos von der politischen Bühne abzutreten. Er hat daher auch immer und immer wieder versucht, und zwar sowohl gestützt auf seine Freunde im Inland als auch auf dem Umwege über das Ausland, Hitler zu überzeugen, dass sein Abgang und damit das Obenaufschwingen der radikalen Tendenzen, wie sie sich in den programmatischen Forderungen zur Wirtschaftspolitik von Parteiseite äussern, katastrophale Folgen haben müsse. Damit wollte Schacht nichts anderes als eine Entscheidung in seinem Machtkampf gegen Göring herbeiführen. Es ist für jeden einsichtigen Menschen eine ausgemachte Tatsache, dass für zwei Leute von diesem Format in demselben Raume, das heisst im Wirtschaftsraum, kein Platz vorhanden ist.
Da es der dirigierten Presse verboten wurde, diesem Machtkampf im Inlande ein Echo irgendwelcher Art zu geben, nahm Schacht immer mehr Zuflucht zu ausländischen Kreisen sowie auch zu einer eigentlich provokatorischen Haltung. In letzterer Hinsicht ist die Episode bezeichnend, welche sich anlässlich eines Abschiedstees, den der von seinem Posten abberufene amerikanische Generalkonsul Jenkins am 26. Oktober gab, abspielte. Obschon Schacht pflichtgemäss eingeladen worden war, hatte kein Mensch mit seinem Erscheinen gerechnet, da es allgemein bekannt ist, dass er an solchen Veranstaltungen, zumal wenn sie einen so unbedeutenden Charakter haben wie im vorliegenden Fall, überhaupt nicht teilzunehmen pflegt. Bei diesem Anlasse erklärte er ostentativ jedem, der es hören wollte, dass er seit Anfang August - kurz nachdem Göring mit seinem Plan der Schaffung reichseigener Eisenwerke an die Öffentlichkeit getreten ist - sein Amt als Reichswirtschaftsminister tatsächlich nicht mehr ausübe. Verschiedene Persönlichkeiten, die an diesem Empfang teilnahmen, hatten, wie sie mir versicherten, den Eindruck, dass Schacht auf provokatorische Weise den «ungezogenen Jungen» spielen wollte.
Wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, war man ursprünglich allgemein der Auffassung, dass Hitler seinen Wirtschaftsminister während oder doch unmittelbar nach dem Reichsparteitag entlassen werde. Dies ist damals nicht geschehen, und auch die weiteren Vermutungen, die man insbesondere an die ostentativen Äusserungen Schachts selbst knüpfte, haben sich in der Folge als trügerisch erwiesen. Es darf mit Sicherheit angenommen werden, dass Schacht im Grunde genommen durch sein Verhalten das Gegenteil erreichen wollte, nämlich eine Rückübertragung der Kompetenzen, die ihm durch den unvorhergesehenen Ausbau des Göring’schen Vierjahresplan-Bureaus nach und nach entzogen worden sind. Nur unter dieser Voraussetzung wäre Schacht bereit gewesen, sein Amt beizubehalten.
Tatsache ist jedenfalls, dass Hitler, dem selbst die Ausscheidung Schachts im gegenwärtigen Zeitpunkt weder für die Wirtschafts- noch für die Finanzpolitik des Reiches als tragbar erschienen haben mag, versuchte, zwischen den beiden Antipoden Schacht und Göring zu vermitteln. Die durch die Presse gegangenen Meldungen, insbesondere der Bericht in der Neuen Zürcher Zeitung vom 2. November (Fernausgabe Nummer 303), die von einem Kompromiss zwischen dem Reichswirtschaftsministerium und dem Bureau Göring wissen wollten, entsprachen somit nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Keiner der beiden Antagonisten wollte seine Position aufgeben, beziehungsweise die Lösung des Konfliktes ermöglichende Konzessionen machen. Die Schachtkrise war und blieb somit latent. Göring soll, wie im allgemeinen gut orientierte Kreise wissen wollen, die ihm von Hitler als Ersatz für die auf Schacht wieder zu übertragenden Kompetenzen angebotene vermehrte Einflussnahme auf Ley und Darré nicht als genügende Kompensation betrachtet haben.
Wenn man nach den Gründen frägt, welche zu der verfahrenen Situation geführt haben, in die sich Schacht selbst hineinmanövriert hat, so muss man sich dessen bewusst sein, dass er sich stets bremsend hinter den unaufhaltsam dem Abgrund zurollenden Karren der deutschen Wirtschaft und Finanz gestellt hat, anstatt, wie es seiner ganzen Veranlagung eigentlich eher entsprechen würde, sich vor dieses auf der schiefen Ebene sich befindende Gefährt zu stellen und das Gesetz des Handelns an sich zu reissen. Dabei braucht man bloss an die Auswirkungen der Judenfrage sowie an die Organisation des Wettkampfes der sogenannten Musterbetriebe zu denken. Was die letzteren anbetrifft, hat Schacht auf dem Wege über die Handelskammern erst eingegriffen, nachdem die ganze Aktion von Ley bereits ins Rollen gebracht worden war. Hinsichtlich der Judenfrage in der Wirtschaft hat Schacht die Initiative zur «Arisierung» der Betriebe, Geschäfte, Banken usw. der Partei überlassen und sich damit begnügt, die Beschwerden der betroffenen Kreise zu sammeln und nachträglich zu versuchen, den Schild über diese Leute zu halten. Er hätte aber sicherlich seinerzeit vom Reichskanzler erreichen können, dass ihm die Durchführung des Postulates «Entjudung der Wirtschaft» übertragen worden wäre, und zwar in einer Weise, die weniger Schaden gestiftet hätte.
Diese Beispiele Hessen sich noch beliebig vermehren. Ich möchte nur noch auf dasjenige verweisen, welches eigentlich am klarsten in die Augen springt, nämlich das Vierjahresplanbureau Görings, das ursprünglich nur als kleine Organisation gedacht war, jedoch in kurzer Zeit von seinem Leiter gewaltig ausgedehnt werden konnte, weil auch hier Schacht den Dingen zu lange zuschaute und erst dann in das Räderwerk eingriff, als die Maschine schon auf voller Tourenzahl lief.
Ich möchte nicht unterlassen, Ihnen in diesem Zusammenhange als Beilage einige in der Presse publizierte Aufsätze zu übermitteln, welche die Situation blitzartig beleuchten. Die beiden letzten Kapitel des in Nummer 438 der «D.A.Z.» vom 19. September erschienenen Artikels «Krise des Fachwissens» könnten gut mit dem Titel «Krise um Schacht» überschrieben werden.
Der in der «Börsen-Zeitung» Nummer 502 vom 26. Oktober abgedruckte Aufsatz Görings über «Einheitliche Führung und Organisation der Wirtschaft» lässt deutlich die Tendenzen des Vierjahresplan-Diktators erkennen. Als folgsamer Kommentator lässt «Die Deutsche Volkswirtschaft» in ihrem 1. Novemberheft Nummer 31 einen Bericht unter der Überschrift «Aufgabenverbindung» erscheinen. Die darin entwickelten Ideen gingen aber offenbar selbst Göring zu weit, sodass er ursprünglich beabsichtigte, diese Nummer beschlagnahmen zu lassen.
Schon eingangs meines Berichtes habe ich gesagt, dass die Schachtkrise, wenigstens der Form nach, eine äusserst elegante Lösung gefunden hat. Die Ernennung zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich sowie der bekannte Brief des Reichskanzlers sind Musterbeispiele für die machiavellistische Kunst, tatsächlich vorhandene Spannungen zu verdecken und das Ausland über die Schwere der Hintergründe dieses Ereignisses hinwegzutäuschen. Ob Schacht nach dem 31. März nächsten Jahres, an welchem Datum seine Präsidentschaft des Reichsbankdirektoriums abläuft, weiterhin in diesem Amte bleibt, ist trotz den Wünschen, die der Reichskanzler dieserhalb in seinem Schreiben zum Ausdruck bringt, noch sehr fraglich. Jedenfalls rechnen orientierte Kreise damit, dass Schacht sich auch von diesen Verpflichtungen entbinden lassen möchte. Ob ihm dies gelingt, wird allerdings erst die Zukunft lehren. Seine dahingehenden Bemühungen werfen jedenfalls ein klares Licht auf das Urteil, das er sich bildet über die Auswirkungen der nationalsozialistischen Finanz- und Wirtschaftspolitik, in der nun die radikalen Strömungen die Oberhand gewonnen haben.
Der am 15. Januar nächsthin sein Amt antretende neue Reichswirtschaftsminister Walter Funk ist noch ein unbeschriebenes Blatt. Seine Ernennung hat hier etwas überrascht, obwohl er ganz im Anfang, als Schacht erstmals seine Demission einreichte, neben dem Preiskommissar Wagner als einer der mutmasslichen Nachfolger genannt wurde. Obschon Funk als Staatssekretär im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda wirtschaftlich nicht hervorgetreten ist, kann ihm in Anbetracht seiner Vergangenheit und seiner publizistischen Tätigkeit die Fähigkeit zur Übernahme dieses Amtes nicht abgesprochen werden. Jedenfalls ist vorauszusehen, dass er ein fügsames Exekutivorgan sein wird der Befehle des Stabes Göring, welcher nun auf sein ursprünglich gedachtes Mass zurückgeführt werden soll.
Je ein Durchschlag dieses Berichtes geht an den Delegierten des Bundesrates für den Aussenhandel, Herrn Minister Dr. Stucki, sowie an die Handelsabteilung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements zur gefälligen Kenntnisnahme mit der Bitte, diesen Stellen auch Einsicht in die beiliegenden Zeitungsausschnitte geben zu wollen.
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