Washington, 28. Juli 1937
Erst nach Abgang meines politischen Berichts vom 22. Juli habe ich von Vorgängen Kenntnis erhalten, die eine überraschende Bestätigung bilden für das, was ich über einen neuen Zug in der amerikanischen Aussenpolitik in Verbindung mit der Persönlichkeit von Sumner Welles zum Ausdruck gebracht habe.
Am 16. Juli hat das Staatsdepartement die beiliegenden Feststellungen2 über die amerikanische Aussenpolitik veröffentlicht, die merkwürdigerweise von der amerikanischen Presse kaum oder gar nicht, dafür aber umsomehr von der Auslandspresse berücksichtigt worden sind. Es entspricht der Tendenz dieser hochwichtigen Vernehmlassung, dass ihre Verbreitung im Ausland mehr gewünscht wurde als im Inland. Ich bin daher auch erst durch ausländische Zeitungen darauf aufmerksam geworden.
Die Quintessenz der Mitteilung liegt in dem Satz: «There can be no serious hostilities anywhere in the world which will not one way or another affect interests or rights or obligations of this country.»
Wenn man sich die ängstliche Zurückhaltung vergegenwärtigt, die Cordell Hull und seine Vorgänger in aussenpolitischen Dingen an den Tag gelegt haben, so muss diese Formulierung einen stutzig machen. Sie bedeutet nichts mehr und nichts weniger als eine Wendung in der amerikanischen Neutralitätspolitik: der Übergang von einer passiven zu einer aktiven Neutralität, vielleicht sogar noch mehr.
Es ist bekannt, dass der Präsident die Vorgänge in Ostasien mit gespanntem Interesse verfolgt und dass ihm wie allen Amerikanern die brutalen Expansionsmassnahmen Japans auf die Nerven gehen. Er hat deshalb, wie ich aus gutinformierter Quelle vernehme, persönlich und sorgfältig mit Sumner Welles zusammen und nach Konsultation mit Norman Davis, seinem «Ambassador at large» (Botschafter zu besonderer Verwendung) und John MacMurray, dem früheren Botschafter in China, das genannte Communiqué ausgearbeitet, das ein aussenpolitisches Glaubensbekenntnis und zugleich eine ernste Warnung an die andere Weltmächte enthält. Ist es nicht auffallend, wie dieses «Statement» mit seinem Aktivitätsmoment denjenigen Recht gibt, die von Sumner Welles als neuem Faktor in der amerikanischen Aussenpolitik nichts anderes erwartet haben?
Kenner der Verhältnisse behaupten, dass seit Wilsons Eingreifen in den Weltkrieg die amerikanische Regierung noch nie einen aussenpolitischen Akt begangen habe, der so sehr mit der traditionellen Isolationspolitik bricht, wie jetzt diese Ankündigung.
Wenn die Vereinigten Staaten in dem neuen politischen Weltbild, in dem das britische Reich nicht mehr absolut allein herrschend ist, den arbiter mundi spielen wollen, dann können sie dies selbstverständlich nicht tun, ohne ihre Isolationspolitik tatsächlich aufzugeben.