dodis.ch/46220
Le Chargé d’affaires a. i. de Suisse à
Paris, H. de
Torrenté, au Chef de la Division des Affaires étrangères du Département politique,
P. Bonna1
Streng vertraulich
Paris, 3. Oktober 1936
Die innenpolitische Lage in Frankreich hat sich in einer Weise entwickelt, dass die Frage, was die Gesandtschaft und die Konsulate im Falle von Streiks und Unruhen zum Schutze der Schweizerkolonie tun könnten, der Erwägung Wert geworden ist.
Ich hatte wiederholt Gelegenheit, mit einigen Vertrauensleuten aus der Kolonie über dieses Thema zu reden, wobei übereinstimmend der Wunsch geäussert wurde, es seien Schutzmassnahmen vorzusehen und vorzubereiten. Die gestrigen Vorgänge in den Kammern, die für einige Stunden den Sturz der Regierung, nachfolgenden Generalstreik und Strassendemonstrationen nicht ausgeschlossen erscheinen Hessen, haben mich neuerdings darin bestärkt, dass für alle Fälle, selbst in der Hoffnung, dass es in der nächsten Zeit zu keinen ernstlichen Verwicklungen kommt, darüber Klarheit geschaffen werden sollte, und zwar in Verbindung mit Ihnen, in welcher Weise der Schutz der Kolonie zu organisieren wäre.
Es ist im weiteren selbstverständlich, dass diese Frage in einer Weise behandelt werden muss, ohne dass die französischen Behörden die geringste Kenntnis davon erhalten und ohne dass selbst die Kolonie im grösseren Umfange darüber informiert wird, um keine unnötige Alarm- und Panikstimmung unter unsere Landsleute zu tragen.
Der Zweck dieser Zeilen besteht darin, Sie anzufragen, ob Sie im Prinzip damit einverstanden sind, dass ich die Prüfung der Angelegenheit in die Hand nehme oder ob Sie es vorziehen, dass vorläufig an diese gewiss heikle Aufgabe nicht herangetreten wird.
Um Ihnen bereits darüber ein gewisses Bild zu geben, welche Ideen, Wünsche und Vorschläge in dieser Hinsicht aufgetreten sind und mir auch realisierbar erscheinen, möchte ich Ihnen im folgenden andeutungsweise einige Punkte aufzählen:
I. Massnahmen, die bereits unter den gegenwärtigen Umständen getroffen
werden könnten.
1. Ausstellung eines Schutzbriefes für Schweizerbürger, der u. a. auch an Wohnungen angeschlagen werden kann. (Der Druck müsste in der Schweiz erfolgen.)
2. Beschaffung eines Vorrates von Schweiz. Armbinden (Herstellung ebenfalls
in der Schweiz).
3. Führung einer Liste derjenigen Landsleute, die ausdrücklich um Schutz ersuchen.
4. Bereitstellung einer ansehnlichen Geldreserve auf der Gesandtschaft.
II. Massnahmen im Falle von Generalstreik und Unruhen.
5. Eventuelle Organisation eines speziellen Hilfsdienstes durch die Gesandtschaft. Anstellung von Hilfskräften aus der Kolonie. Bezeichnung des «Cercle
commercial suisse» als Zentralstelle und als zur Gesandtschaft gehörig.
6. Vorzusehen zur Zuflucht und Unterkunft:
Cercle commercial suisse: ca. 800 Personen,
Asile suisse des Vieillards: ca. 300 Personen,
Cité Universitaire: ca. 300 Personen,
Stade Suisse,
verschiedene Hotels in schweizerischem Besitz.
7. Anlegung von Lebensmittelreserven durch Schweiz. Lebensmittelfirmen im
«Cercle commercial suisse», im «Asile des vieillards», in der Cité Universitaire, in der Gesandtschaft.
8. Vorbereitung eventueller Heimschaffung von Landsleuten durch Autocars
aus der Schweiz. (Für Marseille, Bordeaux, Nantes, Le Havre, eventuell
englische Schiffe). (Für Norden, eventuell über belgische Grenze.)
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