Classement thématique série 1848–1945:
IV. QUESTIONS FINANCIÈRES GÉNÉRALES
1. Investissements suisses à l’étranger et accords de clearing; problèmes de compétence entre DPF et DEP
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 11, doc. 220
volume linkBern 1989
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E6100A-15#1000/1915#93* | |
Old classification | CH-BAR E 6100(A)-15/1000/1915 6 | |
Dossier title | Wahrung der schweiz. Finanzinteressen im Ausland (Dossier Nr. 888) (1936–1936) | |
File reference archive | F.22-3 |
dodis.ch/46141
Die Frage der Wahrnehmung der schweizerischen Finanzforderungen gegenüber ausländischen Staaten, die den freien Zahlungsverkehr mit der Schweiz eingestellt oder beschränkt haben, hat das Direktorium der Nationalbank wiederholt beschäftigt, und wir beehren uns, Ihnen dazu folgende weitere Bemerkung zu unterbreiten:
Während bisher die Interessen des schweizerischen Aussenhandels und der Exportindustrie in einer ihrer grossen wirtschaftliche^ Bedeutung entsprechenden zielbewussten und wirksamen Weise vom Bunde vertreten wurden, trifft dies bezüglich der genannten Finanzinteressen nicht in demselben Masse zu. Dies zeigte sich beispielsweise bei der Vorbereitung und Aufnahme der vor Jahresfrist mit Deutschland in Bern geführten Verhandlungen3, die dadurch präjudiziert waren, dass die Finanzinteressen schon schweizerischerseits, d. h. bereits in den Instruktionen an die Verhandlungsdelegation, nach dem Schlagwort «Arbeit geht vor Kapital» in zweite Linie gestellt, zugunsten des privilegierten Warenund Fremdenverkehrs hintangesetzt worden waren.
Wir haben in einer am 10. Februar a. c.4 an Ihr sowie an das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement gerichteten Eingabe auf den Umfang und die grosse Bedeutung der schweizerischen Finanzinteressen gegenüber dem Ausland hingewiesen. Sie wurden dort gegenüber Deutschland allein per Ende Dezember 1935 auf rund 3,17 Milliarden Franken mit einem jährlichen Zins- und Dividendenanspruch von rund 165 Millionen Franken angegeben. Solche Interessen bestehen, wenn auch in geringerem Ausmasse, bekanntlich auch gegenüber ändern ausländischen Staaten, von denen hauptsächlich die folgenden erwähnt seien:
[...]5
Diese Daten fussen allerdings auf Erhebungen, die zum Teil schon ein Jahr oder mehr zurückliegen und wollen daher nicht mehr als einen summarischen Überblick geben. Anderseits geben sie auch insofern kein vollständiges Bild, als die Forderungen gegenüber einigen weitern ausländischen Staaten, die sich in relativ kleinern Beträgen bewegen, hier weggelassen sind. Es erhellt aber daraus die eminente Tragweite dieser schweizerischen Interessen im transferbeschränkten Ausland, für unsere Zahlungsbilanz und unsere ganze Wirtschaft, auf die wir in der genannten Eingabe im einzelnen hingewiesen haben. Es geht daraus auch hervor, dass es sich hier keineswegs etwa nur um Ansprüche der Banken oder etwa einer besonders privilegierten, des behördlichen Schutzes nicht bedürfender Schicht der Bevölkerung handelt, sondern um eine das Gesamtinteresse berührende Angelegenheit. Soweit dabei die Banken direkt beteiligt sind, erfolgt die Wahrung ihrer Interessen durch das Organ der Schweizerischen Bankiervereinigung, der übrigens auch ein Teil der Finanz- und Trustgesellschaften angeschlossen ist. Dieses Organ (Schutzkomitees der Schweizerischen Bankiervereinigung) hat sich bisher auch für die Interessen der Forderungen schweizerischer Gläubiger aus Titelbesitz eingesetzt, obwohl diese Gläubiger in keiner Weise organisiert sind und praktisch auch kaum organisiert werden könnten. Daneben kommen aber noch tausende sogen. Einzelgläubiger in Betracht, das sind Privatpersonen und Firmen mit Forderungen gegen im Ausland domizilierte Schuldner und welche praktisch keine Möglichkeit haben, ihr Interessen bei Clearing- und Transferverhandlungen selbst zur Geltung zu bringen. Anderseits sind die Interessen beispielsweise der Banken und der Inhaber von privaten Einzelforderungen nicht immer gleich gerichtet. Man sieht daraus, dass eine straffe und zielbewusste Zusammenfassung all dieser Interessen bei einem zentralen Organ, wie es beispielsweise für den Warenimport und -export beim Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins der Fall ist, welches Organ infolgedessen als legitimierter Vertreter dieser Interessenten auftreten und einen oft bestimmenden Einfluss auf den Gang der Clearingsverhandlungen ausüben kann, nicht besteht.
Man hat nun bekanntlich in den Kreisen der Finanzgläubiger schon seit längerer Zeit das Gefühl, dass die sogen. Finanzinteressen zugunsten des Warenexports zurückgestellt wurden und dass es bisher an einer tatkräftigen Wahrung dieser Gesamtinteressen gefehlt hat. Die Nationalbank teilt zum Teil dieses Empfinden der Finanzgläubiger und wir fragen uns, wer eigentlich die verantwortliche Instanz zur Wahrung dieser Finanzinteressen ist. Seitens des Volkswirtschaftsdepartementes hat man sich bisher in erster Linie den Warenexportinteressen angenommen und diese im Einvernehmen mit dem Vorort entsprechend vertreten. Wir waren bisher auch der Meinung, dass es nicht Sache des Volkswirtschaftsdepartementes, sondern letzten Endes diejenige des Finanzdepartementes sei, sich der Finanzinteressen gegenüber dem Ausland anzunehmen; es war dies auch der Grund, weshalb wir unsere an den Bund gerichteten diversen, diese Fragen berührenden Eingaben vornehmlich an dieses Departement adressiert haben. Eine kürzliche Mitteilung des Delegierten des Bundesrates für den Aussenhandel6 im Zusammenhang mit den kürzlich geführten Transferverhandlungen mit Italien7 hat uns veranlasst, dieser Seite der Angelegenheit nachzugehen. Auf Grund des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung (vom 26. März 1914)8 müssen wir nun allerdings feststellen, dass nach der Umschreibung der Geschäftskreise der Departemente es in der Tat nicht das Finanzdepartement zu sein scheint, sondern in erster Linie das Politische Departement, das hier zuständig ist (siehe Art. 29,1, Ziff. 4 und 5). In Ziff. 4 des Art. 29 ist allerdings von der Vorbereitung der Verträge mit dem Auslande «in Verbindung mit den im einzelnen Fall beteiligten Departementen» die Rede. Ob daraus eine Mitwirkung auch des Finanzdepartements abgeleitet wird, wenn es sich um die schweizerischen Finanzinteressen berührende Verträge mit dem Auslande handelt? Wir glaubten allerdings bisher zum mindesten eine solche Mitwirkung annehmen zu müssen. In welcher Weise das Politische Departement die Wahrung der schweizerischen Finanzinteressen gegenüber dem Ausland, speziell im Zusammenhang mit Clearingabkommen, besorgt hat, entzieht sich ebenfalls unserer genauem Kenntnis. Wir haben aber den Eindruck, dass die Verhältnisse bezüglich der Wahrnehmung der Finanzinteressen nicht so klar geregelt sind, wie dies bezüglich der Interessen des Warenexportes der Fall ist, und dass infolgedessen auch die Vertretung dieser Interessen nicht immer in einer ihrer Bedeutung entsprechenden Weise erfolgt ist; wir halten deshalb dafür, dass hier etwas geschehen sollte. Unseres Erachtens sollte ein Departement des Bundesrates diese Frage fortlaufend verfolgen und für deren rechtzeitige Wahrnehmung besorgt sein. Dies gilt namentlich auch für die Ermittlung der in Betracht kommenden Interessen vor der Aufnahme von Verhandlungen mit dem Ausland, für deren Berücksichtigung bei der Festlegung der bundesrätlichen Instruktionen an die Verhandlungsdelegation und gegebenenfalls für ihre wirksame Vertretung bei den Verhandlungen mit dem Auslande selbst. Die Nationalbank wird sich dieser Stelle gerne als beratendes Organ zur Verfügung stellen, wie sie auch wiederholt schon auf Wunsch des Bundesrates Mitglieder ihrer Direktion als Experten zu den Verhandlungen delegiert hat. Sie würde namentlich auch Wert darauf legen, jeweils vor der Festlegung der Instruktionen an die schweizerischen Verhandlungsdelegationen bezüglich der auf dem Spiele stehenden Finanzinteressen angehört zu werden.
Wir wollten Ihnen diese Bemerkungen im Anschluss an unsere am 10. Februar a. c. an Ihr Departement sowie an das Volkswirtschaftsdepartement gerichtete Eingabe, auf die wir bisher ohne Rückäusserung geblieben sind, unterbreiten, und fügen bei, dass wir auf Wunsch jederzeit gerne zu einer mündlichen Erörterung der Angelegenheit zur Verfügung stehen.
- 1
- Lettre signée par G. Bachmann et M. Schwab.↩
- 2
- E 6100 (A) 15, Archiv-Nr. 888.↩
- 3
- Cf. no 109.↩
- 4
- Cf. no 206.↩
- 5
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/46141. Pour le tableau, cf. dodis.ch/46141. For the table, cf. dodis.ch/46141. Per la tabella, cf. dodis.ch/46141.↩
- 7
- Cf. no 221.↩
- 8
- RO, 1914, vol. 30, pp. 292-314.↩