Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 11, doc. 196
volume linkBern 1989
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001C#1000/1534#1946* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(C)1000/1534 104 | |
Dossier title | Berichterstattung des schweiz. Generalkonsulates in Mailand über Vorgänge in seinem Konsularbezirk (1934–1935) | |
File reference archive | B.46.37 • Additional component: Italien |
dodis.ch/46117
Notice de la Division des Affaires étrangères du Département politique1
Ich hatte heute mit Herrn Dr. Nadig von der Bundesanwaltschaft eine längere Konferenz in der Angelegenheit der Zeitung «A Noi»2. Dr. Nadig ist davon überzeugt, dass «A Noi», wenn nicht in institutioneller, so doch in ideologischer Hinsicht zweifellos die Rolle der verbotenen «Adula» weiterspielt3. Es liegen auf der Bundesanwaltschaft Briefe, aus denen hervorgeht, dass Colombi mehrfach Scanziani journalistische und politische Ratschläge erteilt und auch seine taktisch nicht immer erfolgreichen Methoden als alter Praktiker und Routinier kritisiert hat. Es ist sodann bezeichnend, dass « A Noi» zwei Postscheckrechnungen in Italien d. h. in Campione und in Mailand unterhält.
Die Bundesanwaltschaft hat bereits mehrfach dem Justizdepartement des Kantons Tessin telephonisch den Gedanken nahegelegt, bei Scanziani blitzartig eine Haussuchung abzuhalten, um wenn möglich in den Besitz belastender Dokumente zu gelangen, durch die über die Unterstützung der fascistischen Bewegung durch italienische Geldgeber Klarheit geschaffen würde. Regierungsrat Celio und noch mehr sein Sekretär Marcionelli sind einem Eingreifen absolut abgeneigt. Sie erklären, Scanziani sei ein Ehrenmann und gut schweizerisch. Dr. Nadig glaubt seinerseits, dass etwaige italienische Spenden für die Zeitung «A Noi» auf dem Wege über die Gesellschaft «DanteAlighieri» gingen4. Scanziani betont nun aber immer den rein kulturellen Charakter dieser Gesellschaft und würde sicher unverfroren genug sein, um gegebenenfalls zu behaupten, diese Spenden hätten lediglich dazu gedient, die bedrohte und erlöschende Flamme der Italianität des Tessins zu betreuen.
Nach Auffassung von Dr. Nadig bestände der Hauptnutzen einer erfolgreichen Haussuchung bei Scanziani darin, die Zeitung «A Noi» moralisch zu diskreditieren und einen günstigen Boden für ein Verbot auf Grund von Artikel 102 der Bundesverfassung5 oder auf Grund des Bundesratbeschlusses vom 23. März 19346 vorzubereiten. Besonders letzterer Beschluss, der die Möglichkeit bietet, Zeitungen, die geeignet sind die guten Beziehungen mit fremden Staaten zu gefährden, im Erscheinen einzustellen, böte eine günstige Handhabe. «A Noi» führt nämlich in seinen letzten Nummern gegen gewisse Sanktionsstaaten eine Sprache, die, wenn sie überhaupt gehört würde, tatsächlich geeignet wäre, unsere Beziehungen mit den betroffenen Ländern zu trüben.
Mein Gesamteindruck von der Unterredung mit Dr. Nadig ist der, dass sich der Herr Bundesanwalt ohne kräftiges Eingreifen von anderer Seite von sich aus wohl kaum entschliessen wird, bei Scanziani, d.h. beim «A Noi», eine Haussuchung anzuordnen. Es wäre wohl wünschenswert, wenn von höchster berufenster Seite Herrn Regierungsrat Celio und seinem Departement etwas der Arm gestärkt werden könnte. Im übrigen verfolgt die Bundesanwaltschaft gleich uns auf das aufmerksamste die Veröffentlichungen von «A Noi».
- 1
- E 2001 (C) 4/104. Paraphe: HK. D’après le code «HK», ce document a été rédigé par M. Räber. Annotation manuscrite de Motta: Ich werde gelegentlich mit Herrn Celio sprechen; doch ist der Fall mit grosser Ruhe zu behandeln. 18.12.35.↩
- 2
- Cet hebdomadaire paraît depuis le mois de mars 1935 à la place du Fascista svizzero.↩
- 3
- Annotation marginale de Motta: Ich bin auch dieser Meinung. 18. XII. 35. Sur l’interdiction par le Conseil fédéral du périodique L’Adula, cf. no 142 et n. 5.↩
- 5
- Cf. no 264, n. 10.↩
- 6
- Daté en réalité du 26 mars (FF, 1934, I, p. 867).↩
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