Language: German
6.1935
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 28.6.1935
Minutes of the Federal Council (PVCF)
Les motifs et les principaux points du nouvel accord de compensation avec le Reich.

Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
1. Allemagne
1.1. Relations financières et commerciales
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Printed in

Jean-Claude Favez et al. (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 11, doc. 130

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Bern 1989

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dodis.ch/46051
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 28 juin 19351

1179. Deutschland: Verrechnungsabkommen

«I. Art. VII des Abkommens über den deutsch-schweizerischen Verrechnungsverkehr vom 17. April 19 3 52

bestimmt, dass das Abkommen ratifiziert werden und am 15. Tage nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Berlin in Kraft treten soll. Die vertragschliessenden Parteien sind jedoch übereingekommen, das Vertragswerk vor der Ratifikation mit Wirkung vom 1. Mai 1935 ab vorläufig anzuwenden.

Um den Bestimmungen des obzitierten Artikels nachzukommen, beehren wir uns, nachstehend einige Darlegungen zu machen zu den Motiven, welche zur Neugestaltung des Verrechnungsverkehrs mit Deutschland geführt haben, sowie über die wichtigsten Punkte, welche im Abkommen vom 17. April niedergelegt sind.

II. Wie schwierig die Probleme waren, die in den langwierigen Verhandlungen gelöst werden mussten, erhellt schon aus der Tatsache, dass die Kündigungsfristen des alten Abkommens vom 26. Juli 19343, abgeändert durch Zusatzvereinbarung vom 8. Dezember 19344, dreimal verlängert werden mussten. Ausserdem sah sich der Bundesrat genötigt, mehr als einmal zu diesen Problemen Stellung zu nehmen und sich über die an die schweizerische Delegation zu erteilenden Instruktionen schlüssig zu werden5.

Ein kurzer historischer Rückblick ist nötig zum Verständnis der Frage, wieso das grundsätzlich langfristige Abkommen vom 26. Juli 1934 dieses Frühjahr bereits durch ein vollständig neues Vertragswerk ersetzt werden musste.

In allen bisher mit Deutschland abgeschlossenen Verrechnungsabkommen sind für die verschiedenen schweizerischen Interessen Gruppenstaffelungen vorgenommen worden. Im Juliabkommen des letzten Jahres wurden in der ersten Kategorie vollständig und unbegrenzt die schweizerischen Warengläubiger, der Fremdenverkehr sowie die Zinsengläubiger lang- und mittelfristiger Anlagen berücksichtigt. In einer zweiten nachstehenden Kategorie figurierte die freie Reichsbankquote in der Höhe von 5 Millionen Fr. pro Monat. Die dritte Kategorie umfasste das sogenannte Transitkonto sowie den Amortisationsfonds, welche monatlich mit 4 Millionen Fr., bezw. 2 Millionen hätten gespiesen werden sollen aus denjenigen Mitteln, die noch übrig bleiben, nachdem die Bedürfnisse der voranstehenden beiden Staffeln gedeckt worden sind.

Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass die vorhandenen, aus den Zahlungen schweizerischer Schuldner gegenüber deutschen Gläubigern, soweit sie den Bestimmungen des Verrechnungsverkehrs unterstanden, herrührenden Disponibilitäten nicht einmal ausreichten, um die Gläubiger der ersten Kategorie laufend vollständig zu befriedigen, ganz abgesehen von einer freien Quote an die Reichsbank sowie von einer Dotierung des Amortisationsfonds und des Transitkontos.

Obschon schweizerischerseits nie bestritten wurde, dass aus dem Verrechnungsverkehr ein gewisser Devisenüberschuss zugunsten Deutschlands herausgewirtschaftet werden muss, damit es sowohl seinen ausserhalb Clearing zu erfüllenden Verpflichtungen nachkommen (Zinsendienst für dem Stillhalteabkommen unterstehende kurzfristige Anlagen) als auch sich mit Rohstoffen eindecken kann, welche es für die nach der Schweiz gelieferten Waren teilweise aus Drittländern beziehen muss, hat dieses System dennoch dazu geführt, dass die Reichsbank unter der Herrschaft des am 1. August letzten Jahres in Kraft getretenen ersten Verrechnungsabkommens keinen Rappen zur freien Verfügung erhalten hat.

Hauptsächlich gestützt auf diese Tatsache strebte Deutschland Revisionsverhandlungen an. Inzwischen wurde jedoch auch am 24. September 1934 der sogenannte Schachtplan in Kraft gesetzt6, welcher die gesamte Einfuhr in Deutschland der Überwachung unterstellte. Die Revisionsverhandlungen dienten daher gleichzeitig dem Zwecke, die durch den Schachtplan eingetretenen neuen Verhältnisse den vertraglichen Vereinbarungen anzupassen.

Die Zusatzvereinbarung vom 8. Dezember 1934 brachte deshalb einschneidende Änderungen. Für die Reichsbank war wiederum eine monatliche Devisenspitze von 5 Millionen Fr. vorgesehen, jedoch nicht mehr ausschliesslich in einer nachgehenden Hypothek. Es wurde vielmehr vereinbart, dass von den Einzahlungen schweizerischer Warenschuldner auf das deutsche Sammelkonto bei der Nationalbank zum vornherein 12% abzuspalten sind, was nach der damaligen Berechnung ungefähr 3,4 Millionen Fr. pro Monat ergeben sollte. Nach voller Befriedigung der in der ersten Hypothek rangierenden Waren- und Zinsengläubiger hätte aus einem sich ergebenden Überschuss in der 2. Kategorie diese Devisenquote auf 5 Millionen Fr. ergänzt werden sollen.

Auch die dem Fremdenverkehr zufliessenden Beträge wurden aus der ersten Kategorie herausgenommen und gemäss dem Reiseabkommen über ein spezielles Konto verrechnet, welches aus dem Gegenwert der Bezüge deutscher Kohlen gespiesen wird.

Sowohl das Juli- als auch das Dezemberabkommen basierten auf den handelsstatistisch ausgewiesenen Ergebnissen des schweizerisch-deutschen Warenverkehrs im Jahre 1933 sowie im 1. Semester 1934. Danach wurde eine deutsche Einfuhr von monatlich ungefähr 33 Millionen Fr. gegenüber einer schweizerischen Ausfuhr von rund 15 Millionen Fr. angenommen. Hätte sich in der Folge der Warenverkehr weiterhin in dieser Linie bewegt, so wären die Schwierigkeiten, die sich nachträglich ergaben, nicht aufgetaucht. Im 1. Vierteljahr 1935 betrug indessen der monatsdurchschnittliche Einfuhrwert aus Deutschland statt der veranschlagten 33 Millionen nur noch 24,7 Millionen Fr., der Kohlenimport inbegriffen7. Dagegen stieg die schweizerische Ausfuhr über die veranschlagten 15 Millionen hinaus auf monatsdurchschnittlich 16,3 Millionen Fr. Dadurch wurde auch das Dezemberabkommen in seinen Grundlagen erschüttert, da die Einfuhr in einem von niemandem geahnten katastrophalen Ausmasse zurückgegangen ist; als sprechende Beispiele seien folgende Einfuhrzahlen angeführt.

Dezember 1934: 33,4 Millionen,

Januar 1935: 22,7 Millionen,

Februar 1935: 24,0 Millionen,

März 1935: 27,7 Millionen.

Es erübrigt sich, Untersuchungen über die Gründe dieses Rückganges der deutschen Importe anzustellen; es sei lediglich erwähnt, dass die Schweiz keinerlei Schuld trifft, da sie keine neuen Einfuhrbeschränkungen noch sonstige Erschwerungen verfügt hat, sondern im Gegenteil die Einfuhr aus Deutschland in jeder nur erdenklichen Weise im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten förderte.

Diese Entwicklung ergab für die hauptsächlichsten am Verrechnungsabkommen interessierten Gruppen folgendes Bild hinsichtlich der monatsdurchschnittlichen Summen:

[...]816,5 Millionen 8.0 Millionen 5.0 Millionen Total = 29,5 Millionen Fr.

In Anbetracht dieses Ergebnisses teilte die deutsche Regierung dem Bundesrate mit, dass das Abkommen vom 26. Juli 1934 auch in seiner am 8. Dezember gl. Js. abgeänderten Form für Deutschland untragbar geworden sei, da der Reichsbank nur 3 Millionen monatlich zur Verfügung gestellt werden konnten, während sie einzig für die Verzinsung der Stillhalteforderungen ungefähr 3 1/2 Millionen aufzubringen habe. Statt einen Überschuss zu erzielen, bedeute also das Verrechnungsabkommen für Deutschland einen Verlust. Deutscherseits wurde demnach die Initiative für eine umfassende Neuregelung des Zahlungsverkehrs ergriffen und es wurden, um sich nicht anders auszudrücken, insbesondere die gegebenen Kündigungsmöglichkeiten sehr stark unterstrichen. Unter den vorliegenden Umständen war es zum vornherein eine ausgemachte Sache, dass ein neues Verrechnungsabkommen eine Verbesserung für Deutschland, für die Schweiz aber notgedrungen eine Verschlechterung bedeuten würde9.

III. Von den Überlegungen ausgehend, dass die zukünftigen Vereinbarungen für die Schweiz unzweifelhaft eine Verschlechterung der Gesamtlage mit sich bringen, musste vorerst über die Frage Klarheit geschaffen werden, welche der schweizerischen Interessengruppen Opfer zu bringen hat. Die Gegenüberstellung dieser Interessen lässt sich zusammenfassen in den Worten Kapital (Zinsendienst) und Arbeit (Warenexport und Fremdenverkehr). Es erübrigt sich hier, sich über die oft dramatischen Diskussionen, welche sich sowohl im Schosse der Vertreter der einzelnen Interessengruppen als auch im Schosse des Bundesrates über dieses Problem abspielten, weiter auszulassen10. Es sei lediglich festgestellt, dass der Bundesrat zu dem Entschlüsse kam, in Anbetracht der schwerwiegenden Situation den Hauptteil der Opfer dem Kapital zuzumuten. Demgemäss wurde denn auch während den ganzen Verhandlungen alles daran gesetzt, um sowohl für den Fremdenverkehr als auch für den Export von Schweizerwaren das Möglichste herauszuholen.

Hinsichtlich der Finanzgläubiger sind zwei grosse Kategorien zu unterscheiden, welche auch verschieden zu beurteilen sind.

Die erste Kategorie umfasst die Gläubiger von lang- und mittelfristigen Anlagen, wie Inhaber von deutschen Obligationen, Aktien und Hypotheken, welche nicht dem Abkommen über die Frankengrundschulden unterstehen, sowie Darlehensgläubiger usw. An diesen Anlagen sind die schweizerischen Banken nur zu einem kleinen Teil interessiert.

In die zweite Gruppe gehören die Gläubiger kurzfristiger Anlagen, welche dem sogenannten Stillhalteabkommen unterstehen. Diese Kategorie wird beinahe ausschliesslich von den Banken gebildet. Diese internationalen Stillhalteabkommen bestanden vollständig unabhängig von den bisherigen Verrechnungsabkommen. Die Verzinsung dieser Forderungen wurde denn auch seitens Deutschland gemäss diesen Abkommen ausserhalb Verrechnungsverkehr vorgenommen. Um diesen Zinsverpflichtungen nachzukommen, wurde die bereits mehrmals erwähnte freie Quote von 5 Millionen Fr beansprucht.

Infolge der rechtlich verschiedenen Stellung dieser beiden Kategorien musste auch der vom Bundesrate einzunehmende Standpunkt ein verschiedener sein. Es besteht weder das Recht, noch die Möglichkeit, von Staates wegen in die Stillhalteabkommen einzugreifen, während durch die Gestaltung des Verrechnungsabkommens das Schicksal der Gläubiger aus lang- und mittelfristigen Anlagen direkt beeinflusst werden kann. Der Unterschied zwischen den beiden Kategorien wirkt sich dementsprechend auch im neuen Vertragswerk bedeutungsvoll aus. Weiter unten bietet sich die Gelegenheit, noch näher darauf einzutreten.[...]11

1
E 1004 1/352.
2
Cf. no 118, n. 3.
3
Cf. no 53, n. 13 et ti° 55.
4
Cf. no 84.
5
Cf. notamment le no 105.
6
Cf. nos 59, 66, 68 et 73.
7
Cf. no 105.
8
Für die Tabelle vgl. dodis.ch/46051. Pour le tableau, cf. dodis.ch/46051. For the table, cf. dodis.ch/46051. Per la tabella, cf. dodis.ch/46051.
9
Cf. nos 109, 110 et 112.
10
Cf. no 118 + A.
11
Le procès-verbal se poursuit par la description de l’accord de transfert du 17 avril 1935; cf. RO, 1935, vol. 51, pp. 712–716, ainsi que FF, 1935, II, pp. 245–252. Pour les parties non publiées, cf. KI/905.

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