Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
1. Allemagne
1.1. Relations financières et commerciales
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 11, Dok. 79
volume linkBern 1989
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E1004.1#1000/9#13042* | |
Dossiertitel | Beschlussprotokoll(-e) 08.11.-13.11.1934 (1934–1934) |
dodis.ch/46000
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 13 novembre 19341
1924. Verhandlungen mit Deutschland
Procès-verbal de la séance du 13 novembre 19341
Zur Berichterstattung und zur Einholung von Instruktionen erscheint Herr Minister Stucki. Er führt aus:
Die letzten Verhandlungen in Berlin sind bekanntlich unter einem doppelten Gesichtspunkte geführt worden: Zunächst auf schweizerische Initiative um die Wiederherstellung des durch Einführung des Schacht-Planes verletzten Vertrages bezw. dessen Anpassung an den Schacht-Plan herbeizuführen2; sodann auf deutsche Initiative, da die deutsche Regierung schon anlässlich der Berner Verhandlungen Art. VI des Verrechnungsabkommens angerufen hat, indem behauptet wird, seit Inkraftsetzung des Verrechnungsabkommens habe sich die Handelsbilanz stark zu Ungunsten Deutschlands verschlechtert und es seien die gehegten Erwartungen nicht erfüllt worden3. Deutschland verlange also Revision des Verrechnungsabkommens mit dem Möglichkeit, dieses am 1. Dezember auf 31. Dezember zu kündigen.
Was den ersten der erwähnten beiden Gesichtspunkte anbelangt, so sollten die Verhandlungen von Wiesbaden und Bern Vorarbeit leisten4. Zu unserer peinlichen Überraschung mussten wir feststellen, dass Deutschland die in Bern getroffenen Abreden noch keineswegs in die Praxis umgesetzt hatte. Dieser Umstand ist für die Schweiz besonders peinlich, weil die interessierten Kreise von Handel und Industrie über die Berner Abmachungen orientiert worden waren und nun ihre täglichen Erfahrungen in Deutschland mit dieser Orientierung keineswegs übereinstimmen. Die schweizerische Delegation hat nun mehr als 8 Tage gebraucht, um endlich den Zustand herbeizuführen, der nach Abschluss der Berner Verhandlungen automatisch hätte spielen sollen. Erst jetzt können die Verhandlungen über eine Ausdehnung der Berner Vereinbarungen ernsthaft in Angriff genommen werden. Immerhin scheint in dieser Hinsicht eine Lösung möglich zu sein.
Was nun das von Deutschland angestrebte Revisionsverfahren anbelangt, so hat die Schweiz mit grossem Nachdruck betont, dass das Verrechnungsabkommen wider Erwarten gut gespielt hätte, wenn es nicht durch die Inkraftsetzung des Schacht-Planes auf das schwerste gestört worden wäre. Bereits die nun vorliegenden Oktober-Ziffern zeigen aber mit aller Deutlichkeit, dass Import und Export, ersterer mit 33 Millionen Franken, letzterer mit 14 Millionen Franken, durchaus normal geworden sind und den Ziffern entsprechen, die man bei Abschluss des Vertrages erwartet hatte5. Nach schweizerischer Auffassung müsse infolgedessen die weitere Entwicklung des Vertrages in aller Ruhe abgewartet werden, und es könne Deutschland umso weniger heute die Revisionsklausel anrufen, als eine von ihm einseitig und vertragswidrig getroffene Massnahme allein dafür verantwortlich sei, dass das «Clearing» vorübergehend gestört worden ist. Ein solches Vorgehen wäre offenkundig wider Treu und Glauben.
Obschon die deutsche Delegation gegen die Argumentierung sehr wenig einzuwenden wusste, hat sie uns am 5. d. M. einen vom 1. November datierten Entwurf zu einem sog. «Umbau» des VerrechnungsVertrages vorgelegt6. Dieser deutsche Entwurf würde das gegenwärtige Abkommen in seinen wesentlichsten Punkten von Grund aus ändern. Statt des schweizerischen Warenexportes kämen Reichsbank und schweizerische Zinsgläubiger an privilegierte Stelle, was im vollständigen Widerspruch zu den bei Vertragsschluss für die Schweiz ausschlaggebenden Erwägungen stehen würde. Minister Stucki hat – im vollen Einvernehmen mit den schweizerischen Experten – der deutschen Delegation erklärt, dass er sich weigern müsse, den deutschen Entwurf nach Bern zu senden und auf seiner Grundlage in irgendwelche Diskussion einzutreten. Nach langen, schwierigen und zum Teil auch recht peniblen Diskussionen hat die deutsche Delegation schliesslich durchblicken lassen, sie könne auf eine Diskussion ihres neuen Projektes verzichten unter folgenden Bedingungen:
1. dass die monatlichen Auszahlungen der Schweizerischen Verrechnungsstelle für Lieferung schweizerischer Waren inklusive direkte und indirekte Nebenspesen auf ca. Fr 15–16 Millionen beschränkt würden;
2. dass die Auszahlungen für schweizerische Zinsgläubiger auf monatlich Fr 8 Millionen beschränkt würden;
3. dass die Devisen zu Gunsten des deutsch-schweizerischen Fremdenverkehrs separat verbucht und in direkte Relation mit den Bezügen von deutscher Kohle gebracht würden;
4. dass die in Art. VI des Abkommens vorgesehene Revisionsklausel derart abgeändert würde, dass Deutschland, wenn – entgegen der schweizerischen Erwartung – das Verrechnungsabkommen auch in Zukunft die deutschen Erwartungen wesentlich enttäusche, jeweils mit 30-tägiger Voranzeige auf Ende eines Monates zurücktreten könne.
Zu diesen von Deutschland aufgestellten Bedingungen ist folgendes zu bemerken:
Ad 1. Seit dem Jahre 1931 hat unsere Warenausfuhr nach Deutschland nie mehr den Betrag von Fr 15 Millionen monatlich auch nur erreicht, geschweige denn übertroffen (Der in jeder Hinsicht anormale Monat September 1934 wird dabei ausser Betracht gelassen)7. Es ist auch angesichts der neuen deutschen Überwachungsmassnahmen wirklich nicht damit zu rechnen, dass die schweizerische Ausfuhr nach Deutschland den genannten Betrag in Zukunft überschreiten könnte. Anlässlich des Vertragsschluss hat man schweizerischerseits immer mit einem Monatsbetrag von etwa Fr 14 Millionen gerechnet. Würde dieser Betrag wesentlich ansteigen, so müsste das zu Lasten anderer Interessengruppen, namentlich der schweizerischen Finanzgläubiger und der Reichsbank, gehen.
Der schweizerische Delegierte ist mit der grossen Mehrheit der schweizerischen Experten der bestimmten Auffassung, dass man dieser Limitierung der Auszahlungen für Schweizerwaren zustimmen sollte. Der Experte des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins hat dieser Auffassung opponiert und erklärt, man sollte eher den Minimalzinssatz herabsetzen und die Amortisations - quote der Einzelgläubiger streichen als dem schweizerischen Export nach Deutschland irgendeine Fessel anlegen. Minister Stucki kann diese Ansicht nicht teilen, da bei einem solchen Vorgehen die eine Gruppe einen durchaus unerwarteten Vorteil zu Lasten von ändern Gruppen erzielen würde, welche sich in guten Treuen auf die Darlegungen und Erklärungen des Bundesrates verlassen haben.
Ad 2. Da ein Betrag von Fr 8 Millionen monatlich für die Minimalverzinsung der lang- und mittelfristigen schweizerischen Forderungen sowie für die Amortisationsquote der Einzelgläubiger und die besondere Regelung von Einzelfällen (Young- und Dawes-Anleihen), Grenzkraftwerke etc. genügt, kann dem deutschen Begehren auch nach Ansicht des Bankexperten, Dr. Jöhr, zugestimmt werden. Es würde sich dann lediglich darum handeln, dass für Monate mit besonders starken Zinsbelastungen Vorschüsse gemacht werden müssten.
Ad 3. Auch diesem Begehren, das wohl hauptsächlich eine innerpolitisch-psychologische Bedeutung hat, kann die Schweiz, mindestens auf Zusehen hin, entsprechen. Die Bezüge von deutschen Kohlen beliefen sich im Jahre 1933, ohne dass besondere schweizerische Anstrengungen gemacht worden wären, auf ca. Fr 42 Millionen.
Demgegenüber ist die Beanspruchung von Devisen für den Reiseverkehr bei Vertragsabschluss auf Fr 3 Millionen im Monate, also Fr 36 Millionen im Jahr, geschätzt worden. Allerdings versuchen nun gewisse Kreise innerhalb des Schweizerischen Fremdenverkehrsverbandes plötzlich eine wesentlich höhere Beanspruchung herauszurechnen, namentlich indem der Durchschnitt der Ausgaben pro Logiernacht von Fr 20.– auf über Fr 30.– berechnet werden will. Die Erhebungen über diesen Punkt sind noch nicht abgeschlossen und es muss eventuell dem Bundesrate nochmals Bericht und Antrag unterbreitet werden. Vorläufig sollte die schweizerische Delegation ermächtigt werden, dem deutschen Begehren zuzustimmen.
In diesem Zusammenhange ist auch darauf aufmerksam zu machen, dass die Schweiz immer noch mit Nachdruck darum kämpft, die Monatsquote für die Wintersaison von RM 500.– auf RM. 700 zu erhöhen. Deutschland hat bis jetzt einen Gegenvorschlag nur insoweit gemacht, dass für den ersten Monat RM 700, für den zweiten RM 500.– und für den dritten Monat RM 300.– zur Verfügung gestellt würden. Zu diesem Vorschlag wird sich der Ausschuss des Schweizerischen Fremdenverkehrsverbandes in den allernächsten Tagen äussern.
Ad 4. Das deutsche Begehren ist sicherlich nicht unberechtigt, geht aber zu weit. Wir haben vorgeschlagen, als nächsten Kündigungstermin den 31. März 1935 in Aussicht zu nehmen, was deutscherseits als zu wenig kurzfristig abgelehnt wurde. Die schweizerische Delegation wird nochmals energisch versuchen, mit ihrem Vorschläge durchzudringen, sollte aber schliesslich ermächtigt werden, auch einer ändern Lösung zuzustimmen.
Nicht im direkten Zusammenhang mit der Frage der Verlängerung des Abkommens stehen die deutschen Begehren hinsichtlich der Erhöhung schweizerischer Warenbezüge aus Deutschland. Es sind uns in dieser Richtung sehr umfangreiche Begehren übermittelt worden8, die sich beziehen entweder auf Aufhebung gewisser Kontingentierungen oder auf Erhöhung bestimmter Kontingente oder auf formale Erleichterungen, bestimmt bestehende Kontingente besser ausnützen zu lassen, oder auf Zollvergünstigungen oder schliesslich auch auf Zulassung der Exportförderungsprämien in Form von Skripsverwendung. Der schweizerische Delegierte bittet um die Ermächtigung, im Einvernehmen mit den Experten die deutschen Begehren dort in bescheidenem Ausmasse zu berücksichtigen, wo dies ohne ernsthafte Gefährdung schweizerischer Wirtschaftsinteressen möglich erscheint.
Minister Stucki erinnert zum Schlüsse daran, dass nach dem jetzigen Verrechnungsabkommen gewisse Leistungen hüben und drüben von der Einzahlungspflicht in das Clearing ausgenommen sind. So sollen in freien Kassadevisen die deutschen Leistungen im kleinen Grenzverkehr sowie für die Verzinsung der Goldhypotheken aufgebracht werden. Schweizerischerseits sind ausgenommen: die Zahlungen schweizerischer Schuldner an deutsche Gläubiger für Zinsen verschiedenster Art. Da nun Deutschland erklärt hatte, nicht mehr in der Lage zu sein, Kassadevisen für Grenzverkehr und Goldhypothekenverzinsung ausserhalb des Verrechnungsabkommens zur Verfügung zu stellen, ist schweizerischerseits der Einbezug der erwähnten Zinsleistungen angekündigt worden. Diese Erklärung hat in deutschen Kreisen eine nicht geringe Aufregung verursacht, da man auf diese Frankendevisen – sie werden auf deutscher Seite auf jährlich ca. 12 Millionen, schweizerischerseits auf jährlich ca. 20 Millionen geschätzt – unter keinen Umständen verzichten will. Die Frage ist deshalb noch nicht genügend abgeklärt um bereits heute dem Bundesrate zur Entscheidung vorgelegt werden zu können. Die schweizerische Delegation muss sich Vorbehalten, darauf in einem spätem Zeitpunkt zurückzukommen.
Minister Stucki bittet den Bundesrat, von obigen Ausführungen in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen und die ihm zu erteilenden Instruktionen daraus herzuleiten.
Der Rat stimmt zu und erteilt dem schweizerischen Unterhändler, Herrn Minister Stucki, die erforderlichen Instruktionen im Sinne seiner obigen Ausführungen.
- 1
- E 1004 1/349.↩
- 2
- Cf. nos 59, 66 et 68.↩
- 3
- Cf. no 75.↩
- 4
- Cf. n. 68, n. 6.↩
- 5
- En novembre 1934, par contre, les exportations vers te Reich sont à nouveau en augmentation. Cf. no 75, n. 6.↩
- 6
- Ce projet du 1er novembre 1934 n’a pas été retrouvé. Le procès-verbal de la séance des délégués du 5 novembre le mentionne en termes laconiques: Herr Minister Stucki verteilt den Herren den am 5. November erhaltenen und vom 1. November 1934 datierten Entwurf der Deutschen zu einem neuen Abkommen, dessen Inhalt jedoch so ist, dass überhaupt auf diesen Entwurf nicht eingegangen werden kann. Cf. Protokolle. Verhandlungen über den schweizerisch-deutschen Verrechnungsverkehr. Berlin, 2. November–8. Dezember 1934 (E 7110 1/48).↩
- 7
- Cf. no 75, n. 6.↩
- 8
- W. Hagemann, du Ministère de l’Economie du Reich, expose lors de la séanceplénière du 2 novembre 1934 les exigences du Reich, qui sont: l)un solde de 5 millions en devises mis à disposition de la Reichsbank et 2) l’augmentation de l’importation en Suisse de produits allemands: [...] Ferner hat die Einfuhr Deutschlands nach der Schweiz nicht die Beträge erreicht, die man sich bei Vertragsabschluss vorstellte. Anerkannt werden muss, dass von Schweizerseite alles getan wurde, um die gegebenen Versprechungen zu halten; doch muss die Einfuhr Deutschlands nach der Schweiz von gewissen Hemmungen frei gemacht werden. Ein Teil der Kontingente wird nicht voll ausgenützt, gewisse Kontingente sind zu klein. Die deutsche Seite wird ihre bezüglichen Wünsche betreffend Kontingentserhöhungen in einer Liste unterbreiten. Sie wünscht auch Zollermässigungen. Sodann soll auch die Ausfuhr der Schweiz nach Deutschland mindestens da, wo Gefahren vorhanden sind, unter Kontrolle genommen werden. Im Einverständnis mit Deutschland sollte aber auch die Schweiz eine gewisse Kontrolle der Ausfuhr ausüben. [...] Cf. Protokolle. Verhandlungen über den schweizerisch-deutschen Verrechnungsverkehr. Berlin, 2. November–8. Dezember 1934 (E 7110 1/48).↩
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