Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
15. Italie
15.1. Relations commerciales
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 10, doc. 291
volume linkBern 1982
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| Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E7110-02#1000/1065#346* | |
| Ancienne cote | CH-BAR E 7110-02(-)1000/1065 82 | |
| Titre du dossier | Handelsvertrag mit Italien (1933–1934) | |
| Référence archives | 8.2.1 • Composant complémentaire: Italien |
dodis.ch/45833
Wie Sie wissen, schrieb uns die J.R. Geigy A.-G. in Basel2, auch im Namen der ändern Mitglieder der Interessengemeinschaft der Basler chemischen Fabriken, kürzlich wegen teils bestehender, teils befürchteter Schwierigkeiten im Verkehr mit Polen, Italien, der Tschechoslowakei und Deutschland. Speziell wegen Italien wünschte die Interessengemeinschaft eine baldige Besprechung. Diese Besprechung hat gestern stattgefunden.
In bezug auf Italien hatte die J.R. Geigy A.G. folgendes geschrieben:
«Italien. In diesem Lande hat sich in den letzten Jahren ebenfalls eine starke Bewegung bemerkbar gemacht, welche zum Ziele hat, die inländische Farbstoffindustrie auf Kosten der Importeure erstarken zu lassen. Am regsten sind in dieser Hinsicht die Kreise der Wollindustriellen, welche in Melegnano durch finanzielle Unterstützung eine Farbstoffabrik in die Lage versetzt haben, unser italienisches Geschäft fühlbar zu beeinträchtigen. Melegnano hat kürzlich der Regierung ein ausführliches Exposé eingereicht, in welchem folgende Forderungen erhoben werden:
1. Erhöhung der Einfuhrzölle auf Farbstoffen.
2. Einführung des Systems der Einfuhrlizenzen in dem Sinne, dass solche Farbstoffe, welche in Italien selbst hergestellt werden, nicht importiert werden dürfen.
3. Fabriken mit ausländischer Beteiligung in Italien (wobei die Fabrikationsstätte unserer Interessengemeinschaft ausdrücklich erwähnt wird) sollen keine Fabrikationserlaubnis für Produkte erhalten, welche schon in rein italienischen Fabriken hergestellt werden. Zum mindesten wird ein Zwangssyndikat für den Verkauf solcher Produkte gefordert.
4. Verbot des Baues neuer und der Erweiterung bestehender Fabriken auf dem Farbstoffgebiet.
5. Allgemeines Zwangssyndikat für die Farbstoffindustrie.
6. Änderung der Patentgesetzgebung in dem Sinne, dass umfassende Patente nicht mehr erteilt werden, damit die italienische Industrie künftig durch Patente weniger eingeschränkt sein soll.
Dieses Programm würde im Falle seiner Verwirklichung dazu führen, dass unser Geschäft mit Italien auf ein Minimum reduziert würde. Es wäre daher wünschbar, wenn von schweizerischer Seite rechtzeitig dagegen Stellung genommen würde.
Pharmazeutische Spezialitäten. Die Bewegung der letzten Jahre, die einheimische nationale Industrie zu entwickeln und zu schützen, findet ihren jüngsten und stärksten Ausdruck in dem kgl. Dekret vom 13. April3, von welchem wir einen am 4. Mai im «Corriere della Sera» erschienenen Auszug beifügen. Demnach sieht Italien Massnahmen durch Zollerhöhungen bis zu 50% vor gegen Waren aus Ländern, welche der italienischen Ausfuhr irgendwie Schwierigkeiten machen, sei es durch Einfuhrverbote oder -beschränkungen, spezielle Devisenbestimmungen, Kontingentierungen4, bevorzugte Behandlung anderer Länder, durch welche sich italienische Waren benachteiligt sehen usw. Die Schweiz dürfte zwar infolge der handelsvertraglichen Regelung mit Italien und dem Verhalten gegen italienische Waren durch die in Aussicht gestellten Tarifzuschläge nicht besonders betroffen werden, doch ist grösste Vorsicht der Schweiz gegenüber Italien angezeigt, da, wie man sieht, Italien sich nicht mehr mit einem Vorzugstarif allein begnügen wird, sondern auch sonstige Benachteiligung zum Ausgangspunkt von Zollrepressalien nehmen kann.
Schon jetzt hat die schweizerische pharmazeutische Ausfuhr in der letzten Zeit z.B. darunter zu leiden gehabt, dass zum Schutze der italienischen Industrie, deren pharmazeutische Belange durch den Fabrikanten Prof. Serono - Rom im faschistischen Wirtschaftsrat und im «Collegio consultativo dei Periti doganali» äusserst einflussreich vertreten werden, willkürliche neue Zollklassifikationen vorgenommen wurden, sodass vereinzelte Präparate, welche jahrelang als «prodotti chimici organici non nominati» eingeführt werden konnten, plötzlich in die Klasse mit den hohen Zöllen der «prodotti medicinali sintetici» eingereiht wurden. Die italienische Tendenz wird durch die Auslegungsmöglichkeiten, welche das kgl. Dekret nach Umwandlung in ein Gesetz und Inkraftsetzung bietet, eine starke Stütze finden.»
Mündlich ergänzten die Vertreter der Basler chemischen Fabriken obige Angaben in dem Sinne, dass die deutsche I.G. Farbenindustrie von den italienischen Behörden eine Einladung erhalten habe, nach Rom zu kommen, um über verschiedene Fragen mit ihnen zu unterhandeln. Die deutsche I.G. Farbenindustrie habe die Einladung an die deutsche Regierung weitergeleitet und nach Rom geantwortet, dass Unterhandlungen im Beisein von Regierungsvertretern stattfinden müssten.
Nach den Angaben der Vertreter der Basler Interessengemeinschaft ist ihre Fabrik in Italien nicht eine eigentliche Filiale, sondern eine Gesellschaft italienischen Rechts. Das Kapital sei jedoch zu 100% schweizerisch. Die Fabrik in Italien sei nötig; denn wenn die eigene Fabrikation in Italien eingeschränkt oder gar aufgegeben werden müsste, wäre auch die Einfuhr bei weitem nicht mehr im bisherigen Umfange möglich.
In bezug auf die Einfuhr machten wir darauf aufmerksam, dass eine Erhöhung der Einfuhrzölle auf den Farbstoffen, die handelsvertraglich gebunden sind, nicht eintreten könne, solange diese Bindungen bestehen.
Ferner erklärten wir, die Einführung dieses Systems der Einfuhrlizenzen in dem Sinne, dass solche Farbstoffe, welche auch in Italien hergestellt werden, nicht importiert werden dürften, erscheine uns kaum wahrscheinlich. Selbstverständlich würden derartige Vorschriften von uns bekämpft.
Hinsichtlich der Einfuhrzölle und Einfuhrbeschränkungen bestehe also wohl keine unmittelbare Gefahr.
Was die Fabrikationsstätte der Interessengemeinschaft in Italien betreffe, so könnten wir uns kaum auf einen bestimmten Vertragsartikel berufen, falls ihr Schwierigkeiten im Sinne der Mitteilungen der Interessengemeinschaft gemacht werden sollten. Artikel 22 des Handelsvertrages5, der sich auf die Gesellschaften beziehe, könnte schwerlich angerufen werden, da jene Fabrikationsstätte nicht eine Zweigniederlassung, sondern eine selbständige Gesellschaft italienischen Rechts sei. Trotzdem könnten wir aber natürlich, falls die befürchteten Schwierigkeiten wirklich eintreten sollten, gestützt auf den Stand der Handelsbeziehungen der beiden Staaten vorstellig werden.
Die Vertreter der Basler chemischen Fabriken wünschen, dass Sie anlässlich der bevorstehenden Besprechungen mit der italienischen Delegation sich darüber erkundigen möchten, was italienischerseits auf Grund der Begehren der italienischen Farbstofffabrik in Melegnano beabsichtigt sei.
Unserseits werden wir gemäss dem Ersuchen der erwähnten Vertreter unsere Gesandtschaft in Rom beauftragen, uns zu berichten, falls sie etwas, besonders auch hinsichtlich der Absichten Deutschlands, erfahren könne.
Was die pharmazeutischen Spezialitäten betrifft, so bestätigte es sich anlässlich der Unterredung, dass die erwähnten Umtarifierungen nicht angefochten werden können, da die Position, in der die fraglichen Erzeugnisse bis jetzt verzollt wurden, nicht handelsvertraglich gebunden ist. Für ein speziell in Betracht kommendes Produkt hatte übrigens unsere Gesandtschaft in Rom, auf direktes Gesuch von Basel aus, bereits resultatlos Schritte unternommen. Es wurde auch seitens der beteiligten Fabrik als aussichtslos betrachtet, die Angelegenheit nochmals aufzugreifen.
Das hiervor unter dem Titel ((Pharmazeutische Spezialitäten» erwähnte italienische Dekret vom 13. April ist das allbekannte Dekret über die Erhebung von Zollzuschlägen bis zu 50% für Waren aus Ländern, die italienische Erzeugnisse ungünstig behandeln. Es handelt sich übrigens einfach um eine teilweise Aenderung bereits bestehender Bestimmungen.
NS. Soeben erhalten wir von der I.R. Geigy A.-G. noch den in Kopie beiliegenden Artikel aus der Mailänder Handelszeitung «II Sole» vom 3. ds., woraus hervorgeht, dass anlässlich einer Sitzung des Rats des fascistischen Bundes der chemischen Industrie in Rom beschlossen worden ist, die Verteidigungsaktion zum Schutze des einheimischen Erzeugnisses gegen die Konkurrenz der ausländischen Industrie zu verstärken. Es wäre den Basler Firmen erwünscht, via London nähern Aufschluss über die von den zentralen Organen der italienischen chemischen Industrie gefassten Beschlüsse zu erhalten.
- 1
- Lettre: E 7110 1/82. Lettre adressée à Londres, Stucki se trouvant dans cette ville pour participer à la conférence économique mondiale.↩
- 2
- En date du 27 mai 1933.↩
- 3
- Cf. avant-dernier paragraphe de ce document.↩
- 4
- Cf. no 220.↩
- 5
- Garantissant à toutes les sociétés suisses ou italiennes le droit de s’établir sur le territoire de l’autre pays (RO, 1924, vol. 40, pp. 114-115).↩
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