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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 10, doc. 189
volume linkBern 1982
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2001C#1000/1533#2355* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2001(C)1000/1533 100 | |
Titolo dossier | Italienische politische Flüchtlinge (1930–1934) | |
Riferimento archivio | B.46.17 • Componente aggiuntiva: Italien |
dodis.ch/45731
La Direction de la Police des étrangers du Département de Justice et Police à la Division des Affaires étrangères du Département politique1
Wir nehmen Bezug auf Ihre Schreiben von 22. Juli und 5. Dezember 1931 und 9. Februar. 19322 in der Angelegenheit der italienischen Flüchtlinge3 und beehren uns, Ihnen folgendes mitzuteilen.
Wir kommen zuerst auf die seinerzeit von der Oberzolldirektion aufgeworfene Frage über die Interpretation der im Kreisschreiben Nr. 136 unseres Departements vom 27. Januar 1931 enthaltenen Instruktionen zurück und erlauben uns, zu bemerken, dass die in Ziffer 14, lit. a enthaltene Weisung, betreffs Zurückweisung von neuzugereisten mittellosen Ausländern sich hauptsächlich gegen Leute richtet, die mit gültigen Ausweispapieren versehen sind und auf ordentlichem Wege in die Schweiz kommen. Dies geht ja aus dem Inhalt der Weisung selbst hervor, welche besagt, dass der Wegweisungsvermerk im Passe des Ausländers einzutragen sei. Auf die italienischen Flüchtlinge kann die fragliche Weisung schon deshalb keine Anwendung finden, weil diese Leute regelmässig ohne Ausweispapiere oder nur mit solchen, die ungültig sind, und zudem auf unerlaubtem Wege in die Schweiz kommen. Sie machen sich dadurch einer schweren Widerhandlung gegen die fremdenpolizeilichen Vorschriften schuldig und müssen gemäss den in der Verordnung über die Kontrolle der Ausländer vom 29. November 19215 enthaltenen Strafbestimmungen verfolgt und beurteilt werden. Die blosse Abschiebung, wie sie bei Mittellosen stattfindet, kann hier also nicht in Frage kommen. Wir gehen daher mit den von der Oberzolldirektion in Ihrem Einverständnis den Zollkreisdirektionen III, IV und V6 gegebenen Instruktionen einig, wonach italienische Flüchtlinge nicht mehr kurzerhand nach Italien zurückgewiesen werden sollen7. Wir werden unsererseits die Polizeibehörden der drei in Frage kommenden Grenzkantone8 ebenfalls verständigen.
In Ihrem Schreiben vom 22. Juli 19319 haben Sie im weitern den Wunsch geäussert, über die Massnahmen, welche wir zur einheitlichen polizeilichen Regelung der Flüchtlingsfrage zu treffen gedenken, aufgeklärt zu werden. Wir schikken voraus, dass erschöpfende Instruktionen und Bestimmungen bei einer so delikaten Materie nicht leicht aufgestellt und gegeben werden können. Jeder Fall soll individuell untersucht und behandelt werden. Wir sind aber auch der Ansicht, dass wenigstens den drei am meisten interessierten Grenzkantonen gewisse Richtlinien zum Zwecke der gleichmässigen Behandlung dieser aus Italien kommenden Flüchtlinge gegeben werden sollten. In dieser Absicht stellen wir, gestützt auf die bis jetzt gemachten Erfahrungen, folgendes fest:
Die italienischen Flüchtlinge können in 4 Kategorien eingeteilt werden:
a) Ausgesprochen politische Flüchtlinge, die direkt aus Italien in die Schweiz kommen, weil sie in ihrem Heimatland aus politischen Gründen verfolgt werden;
b) Deserteure, hauptsächlich Ex-Zollwächter;
c) Schmuggler, die zu uns flüchten, um einer Strafe zu entgehen;
d) Arbeitslose, die angeblich wegen ihrer dem Fascismus feindlichen Gesinnung in Italien keine Arbeit finden und keine Pässe zur Auslandreise erhalten und daher heimlich das Königreich verlassen.
Die Zahl dieser verschiedenen Flüchtlinge, die unsere Grenze heimlich überschreiten, ist ziemlich gross. Allein von den Polizeibehörden des Kantons Tessin sind uns schon mehr als 150 Fälle unterbreitet worden. Es ist klar, dass man alle diese Leute, die meist keine gültigen Ausweispapiere besitzen, nicht einfach hier dulden kann, denn wenn bekannt würde, dass sie ohne weiteres in unserm Lande bleiben könnten, würde unser Land von solchen Ausreissern überschwemmt. Es darf auch nicht übersehen werden, dass unter diesen Leuten sich auch Unerwünschte befinden (wegen gemeiner Delikte vorbestraft, Schmuggler, etc.), die auf keinen Fall hier geduldet werden können. Auch wegen Belastung des Arbeitsmarktes können alle diese Ausländer nicht hier belassen werden. Eine Ansammlung dieser Flüchtlinge in der Schweiz und besonders im Kanton Tessin könnte auch deswegen unangenehm wirken, weil sie die einheimischen antifascistischen Elemente immer mehr gegen das Nachbarreich aufhetzen würden.
Es muss daher danach getrachtet werden, alle diese Leute so schnell als möglich wieder aus unserm Lande zu entfernen. Gestützt auf die in der zitierten Verordnung enthaltenen Bestimmungen, sowie auf die im Kanton Tessin bereits mit Erfolg angewandte Praxis schlagen wir vor, den drei in Frage kommenden Kantonen folgende Richtlinien zu geben:
Es sollte vor allen Dingen daran erinnert werden, dass Ausländer, die unsere Grenze heimlich überschreiten, den Vorschriften der zitierten Verordnung10
zuwiderhandeln (Art. 1) und somit aus dem Lande weg- oder sogar ausgewiesen werden können. Sind sie zudem nicht im Besitze von gültigen Ausweispapieren, so ist die Abschiebung auch gestützt auf Art. 26 der erwähnten Verordnung möglich.
Die italienischen Flüchtlinge sind von den schweizerischen Grenzkontrollorganen der zuständigen kantonalen Polizeibehörde zuzuführen und von dieser Behörde genau zu verhören. Sie sollen nach der Ursache ihrer Flucht aus Italien befragt und je nachdem in eine der vier oben angeführten Kategorien eingereiht und entsprechend behandelt werden.
Politische Flüchtlinge. Wenn ein italienischer Flüchtling den Beweis erbringen oder es wenigstens glaubhaft machen kann, dass er aus politischen Gründen aus seinem Lande flüchten musste, so kann ihm die Toleranz in Anwendung von Art. 26 der erwähnten Verordnung gewährt werden. Der Fall ist uns sofort zur Einsprache zu unterbreiten. Strafregisterauszug und Leumundszeugnis sind sofort einzuverlangen. Wird unsere Zustimmung nach Fühlungnahme mit der Bundesanwaltschaft erteilt, so wird zur Bedingung gemacht, dass der Ausländer jede politische Tätigkeit, welche die Beziehungen unseres Landes mit ändern Staaten stören könnte, unterlasse. - Es sollen nur kurzfristige Toleranzbewilligungen erteilt werden, nach deren Ablauf der Fall uns wieder zu unterbreiten ist. - Wird hingegen die Duldung verweigert, sei es vom Kanton selbst oder von uns im Einspracheverfahren, so soll es dem Flüchtling frei stehen, die Schweiz zu verlassen, wie und wo er will.
Deserteure. Es handelt sich hier um Leute, die fast ausschliesslich italienische Zollwächter waren und die, sei es wegen politischen Unstimmigkeiten, sei es weil der Begünstigung oder Beihilfe zu unerlaubter Auswanderung verdächtig oder aus ändern Gründen in die Schweiz flüchten. Diesen Leuten soll im allgemeinen die Toleranz nicht gewährt werden. Sie sollen in Anwendung von Art. 9, Absatz 2 der zitierten Verordnung aus der Schweiz weggewiesen werden, wobei aber auch ihnen freistehen soll, die Schweiz zu verlassen, wie und wo sie wollen.
Schmuggler. Diesen Leuten sollten auf keinen Fall Aufenthalts- oder Toleranzbewilligungen erteilt werden. Sie haben nur aus Gewinnsucht gegen die Gesetze ihres Landes gehandelt und suchen bei uns Schutz gegen eine Strafe, die sie wohl verdient haben. Diese Fälle kommen besonders im Kanton Tessin vor. - Gleiches Verfahren wie für Deserteure.
Andere Flüchtlinge (Arbeitsuchende, Leute, die ohne im Besitz gültiger Ausweispapiere zu sein, nur durch die Schweiz transitieren wollen, um sich heimlich nach einem ändern Staate zu begeben, usw.). Zu dieser Kategorie zählen die meisten Flüchtlinge. Auch hier darf keine Aufenthalts- oder Toleranzbewilligung erteilt werden, da zu den zwei allgemeinen Wegweisungsgründen (verordnungswidriger Grenzübertritt und Schriftenlosigkeit) sich besonders noch ein dritter gesellt: Belastung des Arbeitsmarktes. Im übrigen gleiches Verfahren wie für die ändern Flüchtlinge.
Im allgemeinen ist noch zu sagen, dass, wenn irgend ein Flüchtling dieser vier Kategorien der gegen ihn getroffenen Wegweisungsverfügung keine Folge leistet, vom Kanton in Anwendung von Art. 27/28 der VO eine Ausweisungsverfügung zu treffen ist. Ist auch die Ausweisung nicht durchführbar, so kann der Betroffene in Anwendung von Art. 28, Absatz 3, der erwähnten Verordnung interniert oder - im äussersten Fall - an die Grenze seines Landes gestellt werden. Bevor das Letztere geschieht, soll aber mit dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement Fühlung genommen werden.
Wir bitten Sie, uns mitzuteilen, ob Sie mit unserer Stellungnahme in dieser Angelegenheit einig gehen. Im zutreffenden Fall werden wir den drei Kantonen Wallis, Tessin und Graubünden die endgültigen Instruktionen zukommen lassen11.
- 1
- Lettre: E 2001 (C)3/100. Signé par le 1er Adjoint, P.Bae^htold.↩
- 2
- Non reproduit.↩
- 3
- Cf. aussi no 28 et no 88.↩
- 4
- a) Les étrangers nouvellement arrivés et dépourvus de moyens d’existence seront appréhendés et refoulés sans autre formalité. [...] ( 4300 (B) 1/8).↩
- 5
- RO, 1921, vol. 37, pp.829-837.↩
- 7
- Cf. no 88, n. 1.↩
- 9
- Cf. n.2 ci-dessus.↩
- 10
- Cf. n. 5 ci-dessus.↩
- 11
- Cf. la lettre du Chef de la Division des Affaires étrangères à la Police fédérale des étrangers, du 7 septembre suivant: [...] Nous ne pouvons que nous rallier, en tous points, aux conclusions de votre étude et aux instructions que vous proposez de donner aux Cantons que cela concerne (E 2001 (C)3/100).↩
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Italia (Altro) Richieste d'asilo e di soggiorno di persone politicamente esposte