Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
14. Hongrie
14.2. Clearing
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 10, doc. 151
volume linkBern 1982
Plus… |▼▶Emplacement
Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E7110-02#1000/1065#516* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 7110-02(-)1000/1065 128 | |
Titre du dossier | Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, Zürich (1932–1933) | |
Référence archives | 8.9.1 • Composant complémentaire: Ungarn |
dodis.ch/45693
Le Vorort de l’Union suisse du commerce et de l'industrie au Conseil fédéral1
In ihrer Sitzung vom 12. Februar 1932 hat sich die Schweizerische Handelskammer einlässlich mit der derzeitigen ausserordentlich schwierigen wirtschaftlichen Lage des Landes befasst und Mittel und Wege geprüft, um eine Milderung der Krise zu ermöglichen. Im Zusammenhang insbesondere mit der immer drohender werdenden Lage der Exportindustrie fand auch ein Meinungsaustausch statt über die im November 1931 abgeschlossenen Devisenabkommen mit Österreich und mit Ungarn2 und die seitherige Gestaltung des Verkehrs unter diesen Abkommen. Sie gestatten uns, dass wir Ihnen auftragsgemäss die Stellungnahme der Schweizerischen Handelskammer wie folgt zur Kenntnis bringen:
Angesichts der derzeitigen staatlichen Massnahmen in Österreich und Ungarn betreffend die Devisenbewirtschaftung erblickt die Schweizerische Handelskammer im Abschluss solcher Abkommen die einzige praktische Möglichkeit, den Güteraustausch mit diesen Ländern aufrecht zu erhalten und dort ausstehende Guthaben zu liquidieren. Schätzungsweise dürften in Österreich und in Ungarn Ende November 1931 gegen 15 Millionen Schweizerfranken für gelieferte Waren ausstehend gewesen sein - ein Betrag, auf den sicherlich die schweizerische Volkswirtschaft, besonders die Exportindustrie, unter den heutigen Verhältnissen schwerlich verzichten könnte. Ebenso wichtig aber ist auch die Inganghaltung wenigstens eines bescheidenen Exports nach diesen beiden Ländern, umso mehr als die schweizerische Ausfuhr sowohl nach Österreich wie nach Ungarn weit überwiegend aus Fertigfabrikaten besteht.
Für das praktische Gelingen der Clearingabkommen ist nun die Aufrechterhaltung der Wareneinfuhr aus den betreffenden Ländern eine wesentliche Voraussetzung, da diese Länder nur durch die von ihnen exportierten Waren in der Lage sind, ihre alten Schulden abzutragen und auch die neuen Importe zu finanzieren. Es liegt daher unbestreitbar im Interesse der schweizerischen Volkswirtschaft, alle diejenigen Waren, die importiert werden müssen, aus Ländern zu beziehen, die der Schweiz gegenüber alte Schulden abzutragen haben und zugleich bereit sind, ihr weitere Fertigfabrikate abzunehmen. Diese Voraussetzung trifft nun in ganz besonders hervorragendem Masse im Falle Ungarns zu, dessen Ausfuhr nach der Schweiz zu ca. drei Vierteln aus Lebensmitteln, hauptsächlich Schlachtvieh, besteht, während die schweizerische Ausfuhr nach Ungarn sich zu 80% aus industriellen Fertigfabrikaten zusammensetzt. Die Schlachtvieheinfuhr aus Ungarn hat im Jahre 1930 ca. 14 Millionen Fr. betragen, d.h. mehr als die gesamte schweizerische Ausfuhr nach Ungarn. Die Schlachtvieheinfuhr hätte somit allein schon genügt, um den gesamten schweizerischen Export nach Ungarn zu finanzieren. Auch im Jahre 1931 blieben die Schlachtviehimporte noch ungefähr auf der gleichen Höhe bis zum Inkrafttreten des Clearingverkehrs. Ausgerechnet im Zeitpunkt, in dem die Schlachtvieheinfuhr aus Ungarn der schweizerischen Volkswirtschaft noch den besondern Vorteil der Hereinbringung alter Aussenstände ermöglicht hätte, sank diese Einfuhr, die noch im November 1931 1403 Stück betrug, auf 870 Stück im Dezember und sogar auf nur 158 Stück im Januar 1932. Durch diese Beschränkung der Schlachtvieheinfuhr aus Ungarn ist dem Clearingverkehr Ungarn/Schweiz die wertvollste Quelle verstopft worden. Da das Abkommen zeitlich beschränkt ist und da Ungarn schon bei dessen Abschluss auf die Aufrechterhaltung seines Schlachtviehexportes das grösste Gewicht gelegt hat, besteht nun die Gefahr, dass der Clearingverkehr dahinfallen muss, weil ihm zum Schaden der schweizerischen Volkswirtschaft und insbesondere der Exportindustrie durch eine schweizerische Massnahme die erforderlichen Mittel vorenthalten werden.
Die Gründe, die zu dieser Drosselung der Schlachtvieheinfuhr aus Ungarn geführt haben, sind uns hinreichend bekannt. Wir müssen Ihnen aber im Auftrag der Schweizerischen Handelskammer mitteilen, dass nach ihrem Dafürhalten angesichts der heutigen wirtschaftlichen Lage der Schweiz die Industrie ebenso sehr Anspruch auf Berücksichtigung beim Erlass derartiger Massnahmen erheben darf, insbesondere wenn es sich um eine Massnahme handelt, die derart ausgesprochen und einseitig zum Schaden der Industrie sich auswirkt und ihr Verluste beizufügen geeignet ist, die nicht wieder gut gemacht werden können. Die Schweizerische Handelskammer hat es nicht verstehen können, wie einerseits der Bundesrat, in richtiger Erkenntnis der zwingenden wirtschaftlichen Notwendigkeit, mit Ungarn ein Clearingabkommen abschliessen und gleichzeitig dessen Durchführung durch die Vieheinfuhrsperre sozusagen verunmöglichen konnte. Wir sind überzeugt, dass ein derartiges Vorgehen von der öffentlichen Meinung nicht verstanden würde, und die Schweizerische Handelskammer würde es aufrichtig bedauern, wenn tatsächlich die Undurchführbarkeit des Clearings mit Ungarn vor der öffentlichen Meinung mit der Vieheinfuhrsperre begründet werden müsste.
In kürzester Frist wird es sich entscheiden, ob das Abkommen mit Ungarn, das für unsere Industrie in dieser Zeit wachsender Arbeitslosigkeit von besonderer Wichtigkeit ist, verlängert werden kann. Das bisherige loyale Verhalten der ungarischen Behörden - trotz den schweizerischen Massnahmen zum Schaden des ungarischen Viehexportes - lässt bei der Erneuerung ein weitgehendes Entgegenkommen Ungarns zugunsten der schweizerischen Interessen erwarten. Bereits hat sich die ungarische Regierung - über ihre vertraglichen Verpflichtungen hinaus - bereit erklärt, die Zahlungen der Eidgenössischen Alkoholverwaltung für ihre Spritbezüge im Betrag von gegen 700000 Fr. im vollen Umfange und nicht nur zu einem Drittel dem Clearing zugute kommen zu lassen, sofern schweizerischerseits auf den ungarischen Schlachtviehexport etwelche Rücksicht genommen würde. Es ist daher ausserordentlich wichtig, dass gerade jetzt, unmittelbar vor der Verlängerung des Abkommens, Ungarn gegenüber eine klare Stellung hinsichtlich des Schlachtviehimportes bezogen werden kann, und wir bitten Sie dringend, bei Ihrer bevorstehenden Beschlussfassung diese Zusammenhänge in erster Linie zu berücksichtigen.
Im Hinblick auf die fast täglich wachsenden Sorgen der industriellen Kreise würde es niemand verstehen, wenn der Bundesrat bewusst auf eine Möglichkeit, der Exportindustrie in dieser schweren Zeit einen wesentlichen Dienst zu leisten, verzichten würde. Nur wenige Mittel besitzt der Bundesrat, um der Exportindustrie die Aufrechterhaltung der Ausfuhr durch eigene Massnahmen zu erleichtern; diese wenigen dürfen aber nicht im entscheidenden Augenblick unbenützt gelassen werden. Die Schweizerische Handelskammer vertraut darauf, dass der Bundesrat diese Erkenntnis teilen und den vorstehenden Erwägungen Gehör schenken werde.
- 1
- Lettre: E 7110 1/128. Hu/KDevisenschwierigkeiten: Ungarn. Lettre signée par le Président, J. Syz, le Délégué, E. Wetter et le 1er Secrétaire, O. Hulftegger.↩
- 2
- Cf. nos 124 et 125.↩
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