Language: German
17.5.1929 (Friday)
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 17.5.1929
Minutes of the Federal Council (PVCF)
Schulthess orientiert den Bundesrat über den bisherigen Verlauf der Handelsvertragsverhandlungen mit Frankreich. Der Bundesrat erklärt sich damit einverstanden, Verhandlungen über die Revision des allgemeinen Teiles des Handelsvertrages von 1906 sowie über die Interpretation einzelner Vertragsbestimmungen der Abkommen vom 21.1.1928 und 11.3.1928 aufzunehmen.

Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
8. Frankreich
8.2. Handelsvertragsverhandlungen
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Printed in

Walter Hofer, Beatrix Mesmer (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 475

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Bern 1980

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dodis.ch/45492 Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 17. Mai 19291

912. Verhandlungen mit Frankreich

Anlässlich der schweizerisch-französischen Verhandlungen, die im Frühjahr 1927 aufgenommen wurden und vor Jahresfrist zur Unterzeichnung der beiden Handelsabkommen führten, beabsichtigte man ursprünglich, zum Abschlüsse eines eigentlichen umfassenden Handelsvertrages mit allgemeinen Bestimmungen und Tarifanlagen zu gelangen, der den Vertrag vom 20. Oktober 19062 vollständig hätte ersetzen können. Die Schwierigkeiten, in den damals namentlich brennenden Tariffragen zu einer Einigung zu gelangen, waren aber bekanntlich derart gross, dass keine Möglichkeit blieb, neben den Tariffragen auch noch die allgemeinen Bestimmungen des Handelsvertrages von 1906 zu revidieren. Man einigte sich dann dahin, die beiden Tarifabkommen vom 21. Januar und 11. März 19283 als neue Beilagen zum alten Handelsvertrag zu bezeichnen, dessen allgemeine Bestimmungen aber vorläufig weiter in Kraft zu lassen. Es war dies um so eher möglich, als jene Bestimmungen in der Praxis kaum je zu wesentlichen Schwierigkeiten Anlass gegeben hatten, es sich also mehr um eine Modernisierung des veralteten Vertrages als um die Befriedigung eines wichtigen praktischen Bedürfnisses handelte. Immerhin kamen beide Parteien überein, das Vertragswerk so bald als möglich durch Neuformulierung der allgemeinen Bestimmungen zu vervollständigen.

Die schweizerische Delegation hatte der französischen Regierung schon lange vor Abschluss der Tarifverhandlungen einen vom Bundesrat genehmigten Entwurf für den Textteil des Vertrages4 zugestellt. Dieser Entwurf ist während den Verhandlungen einmal kurz zwischen den Delegationen besprochen worden, wobei Frankreich mit vielen schweizerischen Vorschlägen ohne weiteres einverstanden war, gegen andere aber ernsthaften Widerspruch erhob. Die damals von der französischen Delegation gemachte Zusage, der Schweiz einen Gegenentwurf vorzulegen, ist seither nie erfüllt worden.

Die französische Regierung hat das Volkswirtschaftsdepartement nun wissen lassen, dass sie bereit wäre, in eingehendere Besprechungen über die Neugestaltung des Vertragstextes einzutreten und dabei den schweizerischen Entwurf als Verhandlungsbasis zu akzeptieren. Sie hat gleichzeitig vorgeschlagen, diese Verhandlungen am 3. Juni in Paris aufzunehmen. Das Volkswirtschaftsdepartement hat sich mit diesem Vorschläge, vorbehaltlich der Genehmigung durch den Bundesrat, einverstanden erklärt und beantragt, schweizerischerseits mit den Verhandlungen Herrn Direktor Stucki und Herrn Oberzollinspektor Comte zu betrauen. Es entspricht die Bestellung dieser kleinen Delegation auch der Auffassung der übrigen Herren, die letztes Jahr bei den ungleich wichtigeren Tarifverhandlungen mit Frankreich beteiligt waren, sowie der Zusammensetzung der französischen Delegation, die auch nur aus zwei Herren besteht.

Die Inkraftsetzung und Durchführung der beiden Tarifabkommen vom 21. Januar und 11. März 1928 hat hüben und drüben zu gewissen Vollzugs- und Interpretationsschwierigkeiten geführt, wie dies bei umfassenden Tarifabkommen unvermeidbar ist. Da namentlich von Seiten der französischen Zollbehörden hinsichtlich verschiedener vertraglicher Vereinbarungen etwas engherzige und für unseren Export lästige Interpretationen zutage getreten sind, so hat das Volkswirtschaftsdepartement der französischen Regierung den Wunsch ausdrücken lassen, gleichzeitig auch über diese Punkte in Besprechungen einzutreten und sie wenn möglich durch ein Interpretationsprotokoll zu bereinigen, ähnlich wie es dies mit Erfolg in letzter Zeit mit Deutschland und Italien getan hat. Die französische Regierung hat sich auch mit diesem Vorschläge einverstanden erklärt und gleichzeitig ihrerseits einige Begehren hinsichtlich der schweizerischen Zollpraxis angemeldet. Es handelt sich um vorwiegend technische Punkte von untergeordneter Bedeutung, über welche zwischen Volkswirtschaftsdepartement und Zolldepartement auf der ganzen Linie vollständige Übereinstimmung der Auffassungen besteht. Es ist gegeben, dass die Verhandlungen durch die gleiche, oben vorgeschlagene Delegation geführt werden.

Antragsgemäss wird daher beschlossen:

1. Der Bundesrat erklärt sich damit einverstanden, dass am 3. Juni in Paris Verhandlungen mit einer französischen Delegation aufgenommen werden über die Revision des allgemeinen Teiles des Handelsvertrages von 1906, sowie über die Interpretation einzelner Vertragsbestimmungen aus den Abkommen vom 21. Januar und 11. März. 1928.

2. Die Verhandlungen werden schweizerischerseits geführt durch die Herren Direktor Stucki, Chef der Handelsabteilung, und Oberzollinspektor Comte.

3. Das Volkswirtschaftsdepartement ist ermächtigt, das Sekretariat der Delegation zu bestellen, sowie ihr allfällig notwendige besondere Instruktionen zu erteilen.

1
E 1004 1/316. 1.Abwesend: Haab, Scheurer und Musy.
2
Vertragstext in: AS 1906, NF 22, S. 689ff.
3
Vgl. Nr. 361, Anm.2 und Nr. 373, Anm.3.
4
E 2001 (C) 2/6.