Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
3. Belgien
3.1. Handelsvertragsverhandlungen
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 455
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.44-02#1000/598#184* | |
Old classification | CH-BAR E 2200.44-02(-)1000/598 12 | |
Dossier title | Traité de commerce belge-suisse (1928–1930) |
dodis.ch/45472
Der Direktor der Handelsabteilung des Volksmrtschaftsdepartementes, W. Stucki, an den schweizerischen Gesandten in Brüssel, W. F. Barbey1
Wir bestätigen bestens dankend den Empfang Ihres Schreibens vom 7. d.M.2, von dem wir mit Interesse Kenntnis genommen haben. Ohne hier auf Details einzutreten, die selbstverständlich in den bisherigen Verhandlungen bereits eingehend besprochen wurden3, möchten wir nur kurz folgendes hervorheben:
Es ist das Schicksal jedes kleinen Landes, dass seine Importe in einen ändern Staat, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, prozentual fast immer viel kleiner sind als die Importe aus grossen Ländern. So ist es denn auch gewiss nicht verwunderlich, dass für viele Waren und Warenkategorien die belgische Einfuhr aus der Schweiz nur einen geringen Prozentsatz der belgischen Totaleinfuhr ausmacht, wobei aber die gelieferten Waren für den schweizerischen Export immerhin eine wesentliche Bedeutung haben und wobei man eben durch eine Zollermässigung diese Ausfuhr zu fördern trachtet. Gerade ein ebenfalls kleines Land wie Belgien sollte besonderes Verständnis dafür aufbringen, dass kleine Länder auch dann Zollbindungen oder -ermässigungen verlangen müssen, wenn sie am Totalimport in ein bestimmtes Land prozentual nicht stark beteiligt sind. Andernfalls müssten Länder wie Belgien und die Schweiz ja fast vollständig darauf verzichten, durch Tarifvertragspolitik ihre Ausfuhr zu verbessern, da sie nur in den seltensten Fällen in bestimmten Waren Hauptlieferanten sind und sein können. Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass Belgien mit seinen wichtigsten Importstaaten, Frankreich und Deutschland, ja bereits Handelsverträge abgeschlossen hat, so dass es durch Konzessionen an die Schweiz nicht etwa die Waffen für Verhandlungen mit diesen Ländern verliert. Belgien hat übrigens in seine Begehrenliste zahlreiche Positionen aufgenommen, in denen sein Anteil am schweizerischen Gesamtimport auch nur geringfügig, oft sogar unter 5% ist, und wir haben bereits in vielen solchen Fällen entsprochen.
Es ist richtig, dass die Schweiz aus Belgien viele Rohstoffe und Halbfabrikate einführt, die wir haben müssen. Allein auch wenn man die Handelsbilanz nur hinsichtlich der Fertigfabrikate zieht, ist Belgien immer noch stark aktiv. Wichtiger aber ist, dass Belgien am Verkauf seiner Rohstoffe und Halbfabrikate (Kohle, Eisen, etc.) ein ebenso grosses Interesse hat wie am Verkauf seiner Fertigfabrikate, da ja bekanntlich gerade für diese Rohstoffe und Halbfabrikate eine Überproduktion besteht, die für den Produzenten den Verkauf oft noch schwieriger macht als für ein Fertigfabrikat. Wenn auch die Schweiz diese Rohstoffe und Halbfabrikate nötig hat, so können wir sie doch heute zu annährend den gleichen Preisen und Bedingungen in den verschiedensten Ländern beziehen, und es ist selbstverständlich, dass unsere Politik dahin gerichtet sein muss, dort zu kaufen, wo man auch schweizerische Waren zu kaufen bereit ist. Wir können deshalb das Argument, die Schweiz beziehe zu einem wesentlichen Teil Rohstoffe und Halbfabrikate, die sie nötig habe, Belgien gegenüber so wenig gelten lassen wie gegenüber Deutschland und Frankreich, wo man gleich argumentiert hatte.
Es ist für uns vollkommen klar, dass man belgischerseits der Schweiz ganz bedeutend weiter gehende Konzessionen wird machen müssen, als dies bisher geschah, wenn man das für belgische Waren vorzügliche schweizerische Absatzgebiet bewahren will. Wir hoffen, dass die belgischen Unterhändler dies eingesehen haben und die Konsequenzen in der zweiten Etappe der Verhandlungen ziehen werden.
Wie Sie wissen, hatten wir vereinbart, diese zweite Etappe in den ersten Tagen Februar in Brüssel beginnen zu lassen. Trotz dieser festen Abmachung hat uns vor einigen Tagen der hiesige belgische Gesandte mitgeteilt, die belgische Delegation sei anfangs Februar durch Verhandlungen mit Aix-la-Chapelle zurückgehalten und müsse deshalb eine Verschiebung auf Ende Februar vorschlagen. Wir mussten natürlich wohl oder übel diesen Vorschlag annehmen, können uns aber des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass diese, von belgischer Seite verursachte schon dritte Verschiebung, eine gewisse Tendenz auf Hinauszögerung des Vertragsabschlusses vermuten lässt, eine Tendenz, die wir nicht gutheissen können, da wir alles Interesse daran haben, den heutigen, für uns ungünstigen Zustand möglichst bald durch Abschluss eines Vertrags zu verbessern. Wir haben den positiven Vorschlag gemacht, die Verhandlungen am 26. oder 27. Februar in Brüssel oder Bern wieder aufzunehmen und hoffen bestimmt, dass man nicht nochmals den Versuch machen wird, die Sache zu verschleppen.4
- 1
- E 2200 Brüssel 2/12. Paraphe: KB.↩
- 2
- Nicht abgedruckt.↩
- 3
- Der Bundesrat nahm am 8.1.1929 Kenntnis vom Bericht des Volkswirtschaftsdepartementes vom 28.12.1928 über die erste Verhandlungsphase (E 1001 1, EVD, 1.6.-31.12.1928). Vgl. auch BR-Botschaft vom 20.9.1929 in: BBl 1929, II, S. 757.↩
- 4
- Vgl. dazu Nr. 471.↩