Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. DIE SCHWEIZ UND DER VÖLKERBUND
1. Abrüstung und Waffenhandel
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 9, doc. 452
volume linkBern 1980
Plus… |▼▶Emplacement
Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E2001C#1000/1535#1005* | |
Titre du dossier | Attitude de la Suisse (1924–1932) | |
Référence archives | B.56.13.7.4 |
dodis.ch/45469
In Beantwortung Ihrer beiden Schreiben vom 28. Juni2 und 28. November3 betreffend die Ratifikation des Gaskrieg-Protokolles sowie des Übereinkommens betr. die Kontrolle des internationalen Waffen- und Munitionshandels können wir Ihnen folgendes mitteilen.
Wir begreifen sehr wohl, dass die Ratifikation des Protokolles betreffend Verbot von Giftgasen und bakteriologischen Mitteln im Krieg vom 17. Juni 1925 von Ihnen gewünscht und vorgeschlagen wird; es mag in der Tat auffallend erscheinen, dass wir, die wir an der Unterdrückung des Gaskrieges ein grösseres Interesse haben als die meisten ändern Ländern, nicht schon lange dem Protokoll zugestimmt haben.
Leider handelt es sich bei uns und der Generalstabsabteilung nicht um ein Missverständnis, wie Sie in Ihrem Schreiben vom 28. Juni 1928 andeuten. Die Sachlage ist vielmehr die, dass theoretisch unsere sämtlichen Nachbarn auf den Gaskrieg verzichtet haben; Frankreich und Italien durch Unterzeichnung des Protokolls, Deutschland und Österreich durch Annahme der Friedensverträge. Mit ändern Worten, alle Staaten, die tatsächlich für uns in Betracht kommen, haben dem Gaskrieg entsagt. Treten auch wir dem Protokoll bei, dann hat die von Ihnen vorgeschlagene Berufung darauf, dass es nicht allgemeine Geltung habe und wir infolgedessen uns vorsehen müssten, keine genügende Grundlage mehr. Man wird uns antworten, dass wir nur mit denjenigen Staaten zu rechnen hätten, die nach ihrer geographischen Lage mit uns in Krieg geraten könnten, und das seien eben unsere Nachbarn. Werden wir pflichtgemäss im gegebenen Zeitpunkt trotzdem Vorschläge auf Einführung des Gasschutzes machen, z.B. in der Weise, dass wir die Einführung der als Modell vorliegenden und in vielen Schulen erprobten Gasmaske beantragen, so wird uns sicher der Einwand entgegengehalten werden, dass die Massnahme unnütz, ja sogar vertragswidrig und gefährlich sei und die grosse Ausgabe, die sich auf viele Millionen belaufen wird, nicht rechtfertige. Wir erinnern an das Spiel, das die Sozialdemokraten mit dem von ihnen bekämpften Völkerbund treiben und das leider von ändern Leuten häufig ernster genommen wird als von ihnen selbst.
Dabei sind wir der vollendeten Überzeugung, dass der Gaskrieg in seinen beiden Formen des Angriffs und der Verteidigung in allen Ländern sehr eifrig vorbereitet wird. Insbesondere lauten die Nachrichten aus Frankreich in diesem Sinn. Es mag bedauerlich sein, wir müssen aber, wenn wir uns nicht selbst täuschen wollen, die Dinge nehmen, wie sie sind. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass ein kleines Land sich bei allfalligen Vorbereitungen in einer viel schwierigeren Lage befindet als eine Grossmacht. Es kann nichts verbergen, namentlich ist es bei uns, mit der in vollem Licht liegenden militärischen Arbeit, ausgeschlossen, etwas wesentliches vorzukehren, das nicht sofort aller Welt bekannt würde. Dass alle militärischen Stellen jede Handlung, die der Vorbereitung des Gasschutzes hinderlich sein könnte, sehr ungern sehen, erscheint uns unter diesen Umständen begreiflich zu sein.
Das Übereinkommen betreffend den internationalen Waffenhandel sollte, soweit es uns angeht, unseres Erachtens in dem Zustand gelassen werden, in dem es sich heute befindet. Wir sehen keinen Grund, der uns veranlassen könnte, im heutigen Zeitpunkt weiter zu gehen als bis dahin. Wenn wir die von Ihnen vorgeschlagene Botschaft an die Bundesversammlung erlassen, so können wir uns darin so vorsichtig ausdrücken und so viele Vorbehalte machen, als wir immer nur wollen, wir geben doch einen Teil unserer Bewegungsfreiheit auf und schwächen damit unsern Standpunkt. Dem könnten wir unter keinen Umständen beistimmen. Zudem halten wir eine Kontrolle des Handels ohne eine solche der Fabrikation für eine durchaus ungenügende Massnahme. Sie würde neben ändern Staaten auch uns zu Gunsten der Länder mit einer grossen Rüstungsindustrie benachteiligen und wäre unter allen Umständen eine Massnahme, die sehr ungleich und jedenfalls auf uns in unangenehmer Weise wirken müsste.4