Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
VI. KAPITALEXPORT
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 9, doc. 326
volume linkBern 1980
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E6100A-06#1000/1906#1* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 6100(A)-06/1000/1906 1 | |
Titolo dossier | Kapitalexport, Gentlemen Agreement (Dossier Nr. 107) (1927–1928) | |
Riferimento archivio | F.01-1 |
dodis.ch/45343
Die Erledigung Ihres geehrten Schreibens vom 3. August2 in Sachen ausländische Anleihen ist infolge der Ferienzeit etwas verzögert worden.
Auf dessen Inhalt eintretend, geben wir zu, dass der Gedanke, den Vertrieb von Ausländsanleihen in der Schweiz durch ein schweizerisches Bankenkartell zu zentralisieren, und eine gewisse Regulierung in der Anleihensauflage eintreten zu lassen, bestechend wirken mag, weil damit dem Schweizerischen Finanzdepartement und der Schweizerischen Nationalbank der Überblick über einen Teü der schweizerischen Kapitalbewegung scheinbar erleichtert würde3. Doch sind wir überzeugt, dass die Nachteile eines solchen Systems dessen Vorteile weit überwiegen würden, und es scheint uns überhaupt recht zweifelhaft, ob die ins Auge gefasste Kontrolle des ausländischen Anleihensgeschäftes auf dem Wege über ein Kartell schweizerischer Banken zu erreichen wäre. Selbst wenn für die Durchführung der ganz verschiedenartig gestalteten Auslands-Emissionen die Gruppierung der schweizerischen Banken erzielt werden könnte, würde sie aller Voraussicht nach zu schwerfällig arbeiten. Auch für die schweizerischen Finanzgeschäfte begrenzt sich das bestehende Kartell bekanntlich auf die gemeinsame Behandlung gewisser Kategorien von Inlands-Emissionen (Eidgenössische, Kantonale und Kommunale Anleihen), die von allen Banken leicht und rasch zu beurteilen sind. Die Unterbringung von grösseren Tranchen internationaler Anleihen, so weit trotz der hohen schweizerischen Stempel- und Couponssteuer-Pauschalierungsbeträge dafür noch die öffentliche Auflage in der Schweiz in Frage kam, wurde zwar auch bisher in vielen Fällen unter gemeinsamer Mitwirkung der grossen schweizerischen Banken durchgeführt. Daneben gibt es aber Anleihensgeschäfte, die sich nicht nach einem bestimmten System behandeln lassen, die aus besondern Beziehungen einzelner Banken mit internationalen Gruppen resultieren und wobei für die Urteilsbildung oft Unterlagen massgebend sind, die für bestimmte Geschäfte nur einzelnen Banken zugänglich sind und im Stadium der Geschäftsvorbereitung nicht wohl zum Gegenstand einer allgemeinen Erörterung unter den Banken gemacht werden können. Eine kartellmässige Behandlung derartiger Operationen scheint uns kaum denkbar und müsste den Emissionsapparat überaus schwerfällig gestalten.
Das hindert ja u.E. keineswegs, dass die Banken in der Begebung von Ausländsanleihen Rücksicht auf die Devisen-Politik der Nationalbank nehmen und letztere von bevorstehenden grösseren Emissionen avisieren. Dass dabei begründeten Einwendungen Rechnung getragen wird und seitens der schweizerischen Banken auch die Interessen der Inlands-Industrie wo immer möglich gewahrt werden, dürfte leicht zu belegen sein.
Dagegen möchten wir sehr warnen vor der Idee, die Kapitalbewegung durch die Genehmigung seitens einer Zentralstelle binden zu wollen, weil ein solches Unterfangen die unerlässliche Elastizität des Marktes hemmen müsste und die Zentralstelle mit einer Verantwortlichkeit beladen würde, der sie eigentlich ausweichen sollte und die dann leicht Veranlassung zur Ablehnung an und für sich legitimer und wünschenswerter Operationen werden könnte. Der beste Regulator für das Tempo der Beteiligungen an Auslandsemissionen liegt in dem schweizerischen Kapitalmarkt selbst, in dessen sorgfältiger Beachtung und in der Anpassung an dessen Leistungsfähigkeit. Wenn im Inland der Kapitalbedarf stärker einsetzt, gehen die Auslandsemissionen sozusagen automatisch zurück und die Aufnahmefähigkeit des Marktes für Ausländsanleihen sinkt, sobald genügend inländische Emissionen vorliegen und für dieselben ein angemessener Zinsertrag bewilligt wird. So lange aber für den jährlich aus ausländischen und inländischen Quellen in die Schweiz fliessenden Kapitalzuwachs nicht genügend Verwendung in Inlandsanlagen vorhanden ist, wird eine staatliche Reglementierung der Kapitalbewegung entweder Schaden stiften oder wirkungslos bleiben und bald würde man erkennen, dass die Freizügigkeit des Kapitals zu stören letzten Endes auf eine Schädigung der schweizerischen Volkswirtschaft selbst hinauslaufen würde. Die Abwanderung der Kapitalien nach gastfreundlicheren Ländern wäre dann kaum zu hindern und eine staatliche Einmischung könnte leicht zur Folge haben, dass auch die schweizerischen Kapitalisten den Weg nach dem Ausland direkt nehmen, anstatt wie bis anhin durch Vermittlung der schweizerischen Banken einen gewissen Prozentsatz ihrer Vermögensteile in ausländischen in der Schweiz kotierten Werten anzulegen, wovon der schweizerische Fiskus nur Nutzen gezogen hat und wobei auch der schweizerischen Industrie vielfach direkte oder indirekte Vorteile gesichert werden konnten.
Man sollte sich daher hüten, das Vertrauen der Kapitalisten in die gesunden Verhältnisse des schweizerischen Finanzmarktes durch behördliche willkürliche Hemmungen des legitimen Anlagegeschäftes zu stören, solange dasselbe sich in soliden Bahnen bewegt. Die Freiheit der Kapitalbewegung auf dem schweizerischen Markte wird auch den internationalen Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz zu gut kommen und den schweizerischen Banken ermöglichen, die interessante Rolle zu wahren, die sie bisher auf finanziellem Gebiete haben ausüben können.
- 1
- Schreiben (Kopie): E 6100 (A), Archiv-Nr. 107. Direktion.↩
- 2
- Nr. 323.↩
- 3
- Zu dieser Frage schrieb die Nationalbank am 8.8.1927 an das Finanz- und Zolldepartement: [...] Après avoir examiné le problème sous toutes ses faces, nous sommes arrivés à la conclusion qu’un «gentlemen’s agreement» du genre de celui adopté par les banques de Londres serait également pour nous la meilleure solution. Sans entraver la liberté d’action des banques, un semblable accord nous permettrait de suivre d’une façon permanente les démarches précédant chaque emprunt étranger; il en résulterait certainement une meilleure coordination de ces emprunts, tout en assurant le plus de profit possible pour l’industrie nationale.[...] (E 6100 (A), Archiv-Nr. 107).↩
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